mdrFRAGT Serie | Wirtschaft Corona - weinende Mitarbeiter und wirtschaftliche Katastrophe
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20. März 2020, 05:00 Uhr
Zahlreiche Menschen sorgen sich derzeit darum, wie sich die Ausbreitung des Coronavirus auf sie und ihren Arbeitsplatz auswirken wird. Viele spüren bereits erste Folgen. Die Absage von Aufträgen, Kurzarbeit und Quarantäne-Maßnahmen verunsichern vor allem Unternehmer und Freiberufler. Betroffen sind auch Teilnehmer des MDR-Meinungsbarometers „mdrFRAGT“. Sie berichten im ersten Teil dieser Serie von ihren wirtschaftlichen Sorgen.
Noch vor einer Woche hat Karsten Giersch viele Menschen begeistert – als Teil der Comedy-Truppe „Los Lachos“. Doch derzeit ist dem Dessauer Komiker und Eventmanager nicht zum Lachen zumute.
Seit Freitag werden alle künstlerischen Aktionen storniert, erzählt er, bis in den Mai hinein. "Wirtschaftlich ist das eine Katastrophe, ich habe weinende Kollegen am Telefon", sagt Karsten
Giersch. Seine Eventagentur vermittelt Aufträge an Bands, DJs, Techniker und Animateure. "Wir können zwei, drei Monate überstehen, bei anderen geht es an die Existenz." Den plötzlichen Verdienstausfall ersetze keiner, fürchtet Karsten Giersch. Einen Lichtblick gab es aber zuletzt: Für eine Supermarktkette in Nossen und Neudietendorf organisiert er nun die Betreuung und Bespaßung von Kindern der Mitarbeiter der Logistikzentren.
Alles dafür tun, um das Geschäft nicht aufgeben zu müssen
Ralf Endig arbeitet in einem ähnlichen Bereich. Er ist Meister für Veranstaltungstechnik. Der 54-Jährige aus Chemnitz beschäftigt vier Mitarbeiter und "einen Schwarm" Freiberufler: Bühnenbauer, Video- und Tontechniker. "Bedauerlicherweise habe ich derzeit sehr viel Zeit", sagt Endig. Fast alle Veranstaltungen sind abgesagt worden, die Aufträge damit verloren. "Die vereinfachte Regelung zum Kurzarbeitergeld nehmen wir in Anspruch." Endig hat alle vier Angestellten in Kurzarbeit geschickt. Denn die Kapitaldecke ist dünn - das erste Quartal ist eher arm an Veranstaltungen und Aufträgen.
Das Geld wird im Sommer, in der Festival- und Open Air Saison verdient. Derzeit spricht Endig viel mit Banken und Leasinggesellschaften. Er hofft, dass sie ihm die Tilgung von Krediten und Leasingraten stunden. Von seinen vier Transportern hat er schon zwei stillgelegt, um die laufenden Kosten zu senken. Endig hat aber auch Hoffnung: Ich rechne fest damit, dass ich über meine Hausbank von der KfW ein größeres Darlehen bekomme. Spannend wird es bei Zinssatz und tilgungsfreier Zeit", sagt der Unternehmer. Das Showbusiness werde bestimmt ein Jahr brauchen, um wieder in die Gänge zu kommen. "Da möchte ich keinen zusätzlichen Kredit tilgen müssen." Er unternehme derzeit alles, um zu vermeiden, dass er sein Geschäft aufgeben muss: "Es handelt sich schließlich um so etwas wie mein Lebenswerk“, sagt der Chemnitzer.
Drastischer Umsatzeinbruch innerhalb weniger Tage
In Chemnitz arbeitet auch Ina Reichel. Sie leitet eine kleine Marketingagentur, beschäftigt aktuell eine Mitarbeiterin, arbeitet zum großen Teil für Messen. "Ich fürchte vor allem die wirtschaftlichen Auswirkungen, die für mich persönlich als Selbstständige bereits mit einem absoluten Umsatzeinbruch einhergehen."
Die Auftragslage sei innerhalb weniger Tage drastisch gesunken. Kurzarbeitergeld könne sie nicht beantragen. Sie mache keinem einen Vorwurf, so die 57-Jährige, wünsche sich aber schnelle unbürokratische Hilfe. Die Finanzämter sollten nun ihre Forderungen aussetzen: "Eine zinslose Stundung der Steuerzahlungen in den nächsten Monaten, insbesondere der Vorauszahlungen - das würde schon helfen", sagt die Chemnitzerin. Sie befürchtet aber insbesondere bei der Bundespolitik, dass Selbstständige und Kleingewerbetreibende wieder durch das soziale Netz fallen. "Wer ersetzt mir den Umsatzausfall, den meine Auftraggeber in diesem Falle ja nicht selbst verschuldet haben? Es ist eine Kette, an deren Ende wahrscheinlich die Letzten - dazu zähle ich - die sprichwörtlichen Hunde beißen", so die Marketingfachfrau.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell TV | 17. März 2020 | 21:45 Uhr