Mundschutz liegt auf dem Boden
Eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus ist für Menschen mit Vorerkrankungen besonders riskant. Bildrechte: imago images/Roland Mühlanger

mdrFRAGT SERIE | Risikogruppen Corona - Busfahrten voller Angst und zum Bäcker mit Mundschutz

21. März 2020, 05:00 Uhr

Die Angst vor dem Coronavirus und dessen Auswirkungen wächst. Das hat die jüngste Befragung des MDR-Meinungsbarometers "mdrFRAGT" ergeben. Die Mehrzahl der Befragten aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen befürwortet ein Abschotten vor dem Virus. Viele Teilnehmer des Meinungsbarometers berichten von ihren Sorgen, insbesondere diejenigen, die zu Risikogruppen gehören.

Rita Weihrauch hat sich über mdrFRAGT gemeldet und hat Angst. Sie ist Krankenschwester und arbeitet in einem Pflegeheim. "Mein Mann und mein Schwiegersohn haben Vorerkrankungen, mit denen sie zur gefährdeten Gruppe gehören! Wie kann ich denn meinen Mann schützen, wenn ich täglich selbst einer Ansteckung ausgesetzt bin?", fragt sich die Frau aus Seeligenstadt. Sie verfolgt die Nachrichtenlage gespannt. "Im Moment sitze ich vor dem Fernseher. Eigentlich hat sich zu gestern extrem viel geändert!" Inzwischen befürwortet sie auch eine Ausgangssperre. Einige hätten noch immer nicht begriffen, warum derzeit Kontakte vermieden werden müssten.

Sorge ums Auskommen der Kinder

Die 57-Jährige macht sich "extremste Sorgen" – vor allem bewegt sie, was geschieht, wenn sie sich auf Arbeit im Pflegeheim infiziert. "Was passiert mit meinem Mann? Wie kann ich den schützen?" Der 59-Jährige hat Lähmungserscheinungen in den Beinen und zu hohen Blutdruck. Hinzu kommt: Auch sie sei chronisch krank, schwerbehindert: "Ich gebe es ehrlich zu, ich habe Angst." Angst auch um ihre Familie. "Ich kann mir gar nicht ausmalen was passiert. Meine Tochter muss daheim bleiben, da fällt ein Gehalt weg, wovon sollen die denn leben?"

Rita Weihrauch fordert eine bessere Aufklärung – damit die Menschen den Ernst der Lage begreifen – und Verbote: "Vor zwei Wochen, da haben wir Handschläge vermieden und wurden belächelt. Diese Grundstimmung gibt es nach wie vor. Die einzigen, die das ernst nehmen und total gelassen reagieren, das sind die Älteren." Eines ärgert sie aber auch: Die ständigen Beteuerungen der Politik, das Gesundheitswesen sei gut aufgestellt. Das ist es nach Meinung der Krankenschwester nicht: "Es wurde kaputtgespart, seit Jahren! Wir ächzen seit Jahren. Wir gehen am Limit und da redet keiner drüber."

Auch Kerstin Stark hat Angst. Dem mdrFRAGT-Meinungsbarometer schreibt sie: "Mein Mann und ich gehören zur Risikogruppe. Wir sind beide lungenkrank (COPD) und Diabetiker. Nun haben wir seit vergangener Woche keinen persönlichen Kontakt zum Enkelchen und das tut weh. Denn er hängt ganz sehr an uns. Aber Gesundheit geht vor." Sie möchte anonym bleiben. Ihr Name wurde deshalb von der Redaktion geändert.

Angst vor dem Bus

Kerstin Stark hat vor allem Angst vor sozialen Kontakten und damit auch vorm Busfahren – eigentlich unabdinglich, wenn Spezialisten wie etwa der Augenarzt in Döbeln besucht werden müssen. Die Ehepartner hätten zudem beide eine Diabetes, Kerstin Starks Mann außerdem ein schwaches Herz und einen Tumor am Auge, gutartig zwar aber schmerzhaft. Er nimmt starke Schmerzmittel. Eine erste Bestrahlung wurde wegen der aktuellen Lage gerade abgesagt. Jetzt wird er deswegen noch einmal mit dem Bus zum Spezialisten nach Döbeln fahren, trotz des Hustens, den er sich gerade eingefangen hat.

"Irgendwann ist sowieso Mal Schluss, trotzdem ..."

Wolfgang Weber blickt bereits auf eine längere Krankheitsgeschichte zurück. Als mehrfach chronisch Kranker sei er sehr besorgt. Vor drei Jahren wurde ihm eine Prostata entfernt, vor zwei Jahren der Magen. Der Grund: ein Tumor. Dann eine Chemo. Die hat der Mann aus Suhl, dessen Name redaktionell geändert wurde, nicht gut weggesteckt. "Ich wiege nach wie vor 20 bis 30 Kilo weniger als vorher. Ich bin jetzt 76 Jahre alt – irgendwann ist sowieso Mal Schluss, trotzdem, man macht sich Sorgen", sagt er abschließend.

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Wenn das Virus anklopft …

Mit Desinfektionsmitteln in der Tasche geht Karin Simon aus Neustadt an der Orla auf die Straße. Sie hat die Lungenkrankheit COPD, Stufe drei, das bedeutet kaum Atem bei den einfachsten Verrichtungen. Die steigenden Infektionszahlen nimmt sie nach eigenen Worten mit Humor. "Wenn das Virus bei mir anklopft, dann sage ich: Diese Lunge ist schon besetzt!". Angst hat sie keine, sie habe mit 67 ihr Leben größtenteils gut gelebt. Gedanken und Sorgen hingegen, die hat sie schon.

Kritik am Föderalismus

Mann steht in Garten
Jürgen Marschall ist wegen einer Herztransplantation besonders von Corona gefährdet Bildrechte: Jürgen Marschall

Doch die Menschen aus sogenannten Risikogruppen treibt nicht nur Angst und Sorge um. Jürgen Marschall aus Weimar zum Beispiel kritisiert die Auswirkungen des Föderalismus. "Ich gehöre als Herztransplantierter selbst zur Risikogruppe. Außerdem zeigt sich mal wieder: Föderalismus kann tödlich sein". Gesundheitsminister Spahn habe gute Ansätze, sagt der 59-Jährige, der 2015 seine Transplantation hatte. Der Minister werde aber auch aufgrund des Föderalismus ausgebremst. Er könne nur Empfehlungen geben. "Am Ende entscheiden die Länderfürsten. Das gibt viele Reibungen und das verunsichert die Menschen."

Marschall feiert seinen Worten zufolge nach der erfolgreichen Transplantation bald seinen 5. Geburtstag. Angst vor dem Coronavirus hat er keine. Besorgt sei er aber schon. Nicht wegen der Epidemie, sondern wegen des gesellschaftlichen Gefüges. Verschwörungstheorien würden überhand nehmen oder die medizinische Versorgung zusammenbrechen. Ansonsten wirkt er gelassen. "Ich gucke, was da kommt. Die neuen Maßregeln klingen so plausibel wie einleuchtend: Man soll Kontakte vermeiden. Die Enkelbesuche werden etwas rarer gesät sein. An die frische Luft kann man noch, gehamstert habe ich noch nicht. Ich gehe jeden früh zum Bäcker, natürlich mit Maske." Und mit Desinfektionsmittel, nicht erst seit heute.

mdrFRAGT - Corona-Virus: Denken Sie, dass das Gesundheitssystem in Deutschland für die Coronapandemie gut aufgestellt ist?
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OP selbst abgesagt

Die 74-jährige Daniela Illgen nimmt das aktuelle Geschehen gelassen. Eine geplante Operation aber hat sie selbst abgesagt. Wegen des Alters und weil sie vor Jahren eine schwere Sepsis überstanden hatte. "Da ist mein Immunsystem geschwächt. Deshalb habe ich gesagt, ich schiebe die OP raus." Angst habe sie eigentlich keine, meint die Seniorin aus Meerane. Als Rentnerin könne man sich ja einrichten – soziale Kontakte einschränken, nicht öfter als nötig belebte Orte besuchen und am Ende des Gespräches lacht sie. "Ich habe auch kein Klopapier gehamstert!"

Wer zu den Risikogruppen gehört

Das Robert Koch Institut hat Risikogruppen für einen schweren Verlauf einer Infektion mit dem neuen Coronavirus beschrieben. Ab dem 50. Lebensjahr steigt demnach das Risiko stetig an. Das Immunsystem reagiere dann weniger gut, die Krankheitssymptome seien unspezifischer, darum gingen Betroffene erst spät zum Arzt. Grunderkrankungen wie z.B. Herzkreislauferkrankungen, Diabetes, Erkrankungen des Atmungssystems, der Leber und der Niere sowie Krebserkrankungen erhöhen laut RKI offenbar das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Ebenfalls mit schwierigeren Verläufen wird bei immununterdrückten Personen gerechnet.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell TV | 17. März 2020 | 21:45 Uhr

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