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MDRfragt MDRfragt: Für Mehrheit ist Schmerzgrenze beim Deutschlandticket erreicht

12. Juli 2024, 03:00 Uhr

Die Pläne der Verkehrsminister, das Deutschlandticket ab kommendem Jahr teurer zu machen, stößt einem aktuellen Stimmungsbild von MDRfragt zufolge auf Ablehnung. Für mehr als die Hälfte der rund 21.000 Befragten ist die Schmerzgrenze mit dem aktuellen Preis von 49 Euro bereits erreicht oder schon überschritten. Für viele ist der Preis aber nur ein Kritikpunkt am Ticket.

49 Euro kostet das bundesweit gültige Ticket für den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr derzeit – und damit für die Hälfte der MDRfragt-Community bereits genug:

  • Konkret halten fast zwei Fünftel (38 Prozent) den jetzigen Preis für die bundesweite Monatskarte im Nahverkehr für das Maximale, das angemessen wäre.
  • Noch einmal knapp 16 Prozent der Befragten finden auch das zu teuer.
  • Knapp ein Drittel der Befragten findet durchaus, dass sich auch ein höherer Preis als der bisherige rechtfertigen lässt.

MDRfragt - Deutschlandticket - Höchster akzeptabler Preis
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In den Kommentaren haben uns viele MDRfragt-Mitglieder geschrieben, weshalb sie die Preiserhöhung kritisch sehen – oder auch den bisherigen Preis von 49 Euro bereits als zu hoch empfinden. Ein Argument bei vielen: Mit dem Auto ist es häufig günstiger als mit der Bahn, vor allem, wenn man nicht allein unterwegs ist. Die 69-jährige Gabriele aus Dresden beispielsweise rechnet vor: "Selbst für uns als Rentner sind zwei Tickets zu teuer. Immerhin fast 100 Euro pro Monat." Für Silke, 55 Jahre alt und aus dem Erzgebirgskreis, ist das Ticket ebenfalls bereits jetzt zu teuer: "Bei 9 Euro haben wir es gekauft und es war nicht schlimm, wenn wir es nicht genutzt haben. Die 49 Euro bei der Anbindung des öffentlichen Nahverkehrs, da zahle und nutze ich es nicht."

Deutschlandtickets bringt vor allem Landbevölkerung wenig durch mangelnden Nahverkehr vor Ort

Die Anbindung an den Nahverkehr bemängeln viele: Wenn es keinen oder nur schlecht angebundenen öffentlichen Nahverkehr abseits der großen Städte gibt, bringt weder ein günstiges noch ein teureres Deutschlandticket etwas. Das sieht beispielsweise Marko, 48 Jahre, aus dem Saale-Orla-Kreis so: "Was nützt mir das Ticket ohne den Nahverkehr? Wir können damit weder zum Arbeiten noch zum Einkaufen. Für uns auf dem Land ohne Nähe zu einer Stadt wie Erfurt, Jena oder Gera nützt dieses Ticket nichts." Auch die 61-jährige Iris aus dem Unstrut-Hainich-Kreis schreibt, dass die Anbindung an ihr Dorf schlecht sei: täglich nur 3 Busverbindungen unter der Woche und am Wochenende gar nicht. Sie fragt deshalb: "Was soll ich mit dem Ticket?" Aus ähnlichen Gründen hat Arno aus dem Landkreis Zwickau das Ticket nicht dauerhaft im Abo, nutzt es aber für den Urlaub: "Ich wohne auf dem Land, da nützt es mir höchstens ein oder zwei Monate im Jahr etwas, wenn ich mir bestimmte Reisen vornehme." Und Michael, 73, aus dem Vogtlandkreis, findet: "Auf dem Land sollte das Ticket wirklich weniger kosten als in der Großstadt."

Wer selbst das Deutschlandticket nutzt, hat häufiger höhere Schmerzgrenze für den Preis

Die Frage nach dem höchsten angemessenen Preis, beantworten Befragte, die nach eigenen Angaben derzeit das Deutschlandticket abonniert haben, anders als jene, die es einmal hatten und wieder abbestellt haben:

  • So halten Nutzende das Ticket deutlich seltener jetzt schon für zu teuer (10 Prozent). Gleichzeitig ist der Anteil derjenigen größer, die meinen, der aktuelle Preis sei das maximal angemessene (56 Prozent). Jede und jeder Fünfte unter den Deutschlandticket-Nutzenden hielte auch 10 Euro mehr als bisher, also 59 Euro pro Monat, für angemessen.
  • Wer das Deutschlandticket schon mal im Abo hatte, aber inzwischen wieder abbestellt hat, hält das Ticket überdurchschnittlich oft für zu teuer: Fast ein Drittel der Ex-Nutzenden (29 Prozent) gab an, dass schon die 49 Euro nicht mehr angemessen seien. Für 44 Prozent ist der aktuelle Preis das höchste der Gefühle.

Vor allem Vielfahrer würden auch mehr als 49 Euro zahlen

Diejenigen, die bereits mit dem Deutschlandticket unterwegs sind und auch bereit sind, dafür einen höheren Preis zu zahlen, begründen ihre Meinung häufig ähnlich wie Helmut aus Sachsen: "Ich bin froh, mich nicht mehr mit Tarif-Wirrwarr herumschlagen zu müssen. Und für Fahrten deutschlandweit macht es sich mehr als bezahlt." Aber nicht nur der Faktor, dass es durch das deutschlandweit gültige Abo bequemer ist, als Einzeltickets zu kaufen, ist für viele entscheidend. Gerade Vielfahrer wie der 59-jährige Michael aus dem Altenburger Land würden selbst mit Preiserhöhung noch sparen: "Als Berufspendler lohnt sich für mich das Ticket. Ein normales Aboticket im Verbund kostet mehr als das Vierfache. Ergo hat bei mir der Preis Spielraum nach oben." Ähnlich sieht es die 43-jährige Sylvie aus dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge: "Es ist auch dann noch billiger als der Preis, den ich vorher nur für zwei Zonen im Verbund gezahlt habe. Jetzt kann ich damit in ganz Deutschland fahren und nutze das auch."

Allerdings schreiben auch einige der Abo-Nutzerinnen und -Nutzer, dass sie die Preiserhöhung auch nur bis zu einer gewissen Grenze tragen würden: "Wenn es teurer wird als 59 Euro, nutze ich lieber den PKW", schreibt zum Beispiel der 73-jährige Helmut aus Erfurt. Auch die 35-jährige Marije aus Mittelsachsen will nur dann beim Abo bleiben, wenn es sich für sie weiterhin rechnet: "Wenn es zu teuer wird, werde ich das Abo abbestellen, weil Autofahren zeitlich günstiger ist und wenn der finanzielle 'Gewinn' geringer wird, lohnt es sich für mich nicht."

Anzeigen auf einem Bahnhof 2 min
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Zwei Drittel sind für Sondervermögen zur Sanierung von Schiene und Bahn

Wer in Deutschland regelmäßig Zug fährt, weiß es schon länger – durch die Fußball-EM wissen es jetzt aber auch viele Menschen in ganz Europa: Bahnfahren funktioniert eher schlecht als recht, auch, weil es an moderner Schienen- und Bahn-Infrastruktur fehlt. Viele europäische Länder geben mehr für ihre Bahn-Infrastruktur aus als Deutschland und das hat Folgen.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) hat vorgeschlagen, es sollte ein Investitionspaket für die Bahn geben, zum Beispiel 100 Milliarden Euro auf zehn Jahre. Einen Geldtopf, der unabhängig vom regulären Bundeshaushalt funktioniert, zum Beispiel ein sogenanntes Sondervermögen – also neue Kredite, die aber nur für den Zweck, also die Bahn-Sanierung, ausgegeben werden dürften.

Das MDRfragt-Stimmungsbild ist in dieser Frage recht eindeutig: Zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) finden ein milliardenschweres Sondervermögen zur Sanierung von Schienen- und Bahn-Infrastruktur richtig oder eher richtig. Weniger als jede und jeder Dritte (29 Prozent) hält es für falsch oder eher falsch. Sechs Prozent der Befragten positionieren sich nicht.

MDRfragt - Sanierung der Bahn-Infrastruktur - Milliardenschweres Sondervermögen einrichten
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Für einige MDRfragt-Mitglieder ist solch ein Sondervermögen längst überfällig: "Es wurde die letzten Jahrzehnte sehr wenig Geld in die Bahn investiert. Das rächt sich jetzt", findet zum Beispiel der 50-jährige Thomas aus Dresden. In vielen Kommentaren derer, die das Sondervermögen befürworten, wünschen sich die MDRfragt-Mitglieder auch, dass dafür die Schuldenbremse gelockert wird. Claudia aus dem Landkreis Zwickau schreibt dazu: "Es ist einfach notwendig, und da muss man notfalls auch Schulden machen, damit hier etwas wieder rundläuft, das Millionen Menschen nutzen." Und Jay, 34 Jahre alt und aus dem Landkreis Leipzig, findet: "Da die Schuldenbremse uns überhaupt erst in diesen Schlamassel gebracht hat, ist die aktuell einzig legale Möglichkeit, diese zu umgehen, ein Sondervermögen. Deswegen ja, Sondervermögen für die Bahn und gleich noch ein Sondervermögen für grüne Transformation, gegen die Klimakrise."

Wer sich gegen ein Sondervermögen für die Bahn ausspricht, argumentiert häufig damit, dass anderweitig Geld genutzt werden könnte. So fragt beispielsweise der 35-jährige Alexander aus dem Saale-Holzland-Kreis: "Wo sind denn die großen Gewinne der letzten Jahre hin? Boni für die Manager und 'höhere Posten' in unglaublichen Höhen... Und jetzt soll der Staat Geld geben?" Eine 46-jährige Teilnehmerin aus Jena ist der Meinung: " Deutschland ist ein Land mit sehr hohen Steuereinnahmen. Gelder für eine Bahn-Sanierung sind vorhanden." Und Christian aus Weimar findet: "Auch der Staat muss lernen, mit dem Geld, was ihm zur Verfügung steht, hauszuhalten. Natürlich können Investitionen kreditfinanziert sein, müssen aber auf Erfolg geprüft werden."

Wer derzeit das Deutschland-Ticket nutzt, ist deutlich stärker für den Sanierungs-Sondertopf für die Bahn

Die Zustimmung wird größer, je stärker die Befragten selbst einen Bezug zum Deutschlandticket haben. Wer das 49-Euro-Ticket derzeit abonniert hat, ist deutlich häufiger für ein Sondervermögen für die Kernsanierung der Bahn (81 Prozent) als jene, die das Ticket abonniert hatten, aber wieder abbestellt haben (74 Prozent). Am geringsten fällt der Zuspruch unter jenen Befragten aus, die keine aktuellen oder ehemaligen Nutzer des Deutschlandtickets sind. Doch auch unter ihnen ist die Mehrheit für ein schuldenfinanziertes Sanierungspaket: 60 Prozent halten ein Sondervermögen zu diesem Zweck eher für sinnvoll.

MDRfragt - Sondervermögen für Schienen-Sanierung - Zustimmung nach Nutzung Deutschlandticket
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Über diese Befragung Die Kurzbefragung vom 8. bis 10. Juli 2024 stand unter der Überschrift: "Was ist die Schmerzgrenze für den Preis des Deutschlandtickets?"

Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen.

Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ. Bei dieser Befragung haben sich 20.543 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen online mit ihrer Meinung eingebracht.

Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland.

MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests. Mehr zur Methodik von MDRfragt finden Sie am Ende des Artikels.

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Di 02.07.2024 15:29Uhr 00:57 min

https://www.mdr.de/nachrichten/mitmachen/mdrfragt/video-MDRfragt-long-sie-quer-100.html

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Thüringenjournal | 11. Juli 2024 | 19:00 Uhr