Passive Sterbehilfe Selbstbestimmtes Sterben ist auch in Deutschland möglich
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02. Mai 2025, 09:27 Uhr
Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor fünf Jahren ist die so genannte Beihilfe zum Freitod in Deutschland erlaubt. Die Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben (DGHS) bietet dazu Beratung und Unterstützung an. Laut der DGHS-Kontaktstelle Mitteldeutschland ist die Nachfrage in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Mehrfacherkrankungen seien der häufigste Grund, warum sich Menschen an die DGHS wenden.
- Seit 2020 ist assistierter Suizid in Deutschland erlaubt, wenn die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist.
- Laut DGHS ziehen immer mehr Menschen die so genannte Beihilfe zum Freitod in Betracht.
- Ein CDU-Bundestagsabgeordneter kritisiert, dass es schwierig ist sicherzustellen, ob die Sterbewilligen aus freiem Willen handeln.
Der kleine Saal im Gebäude der AOK in Leipzig füllt sich so schnell, dass der Platz kaum noch ausreicht. Am Ende muss sogar auf einen größeren Raum ausgewichen werden. Hier soll eine Veranstaltung zur Selbstbestimmung am Lebensende stattfinden, wie es die Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben, kurz DGHS, nennt.
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Fast alle Besucher sind im Rentenalter und wollen Infos, auch zur eigenen Absicherung: "Weil ich humanes Sterben wichtig für mich finde, wenn ich nicht mehr kann. Oder gelähmt im Bett liege. Oder blind werde, wie er grad erzählt hat. Dann kann ich besser schlafen, wenn ich weiß, irgendwann kann ich erlöst werden", sagt eine der Interessierten.
Assistiertes Sterben seit 2020 möglich
Das assistierte Sterben ist durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts seit 2020 in Deutschland möglich, sagt der Vertreter der DGHS in Mitteldeutschland, Rolf Knoll: "Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, jeder Mensch hat das Recht, sein Leben selbstbestimmt zu beenden und er hat das Recht, sich Hilfe dazu zu holen." Voraussetzung sei, dass die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist.
Während die aktive Sterbehilfe als "Tötung auf Verlangen" weiterhin verboten ist, bieten Gesellschaften wie die DGHS die so genannte Beihilfe zum Freitod an. Die Betroffenen müssen seit mindestens einem halben Jahr Mitglied in der Gesellschaft sein und Beratungstermine besucht haben. Dann können sie sich nach einem erfolgreichen Antrag durch einen vermittelten Arzt und einen Juristen passiv beim Sterben unterstützen lassen. Das tödliche Schlafmittel müssen die Betroffenen dann aber selbst einnehmen.
Hauptgrund: Mehrfacherkrankungen
Die Gründe für einen Antrag auf Unterstützung können vielfältig sein, erklärt Rolf Knoll von der DGHS: "Man kann eben sagen 'Ich habe das Leben satt. Ich habe keinen Krebs, ich habe vielleicht nicht einmal Schmerzen. Aber ich packe das Leben nicht mehr.'"
Diese Lebenssattheit ist einer der Gründe, warum Menschen im hohen Alter sterben wollen. Am häufigsten werden aber Mehrfacherkrankungen angegeben. Im Durchschnitt sind die Antragsteller 79 Jahre alt. 2023 gab es 413 durch die DGHS begleitete Tode, im vergangenen Jahr dann 639. Wegen der vielen neuen Mitglieder und Anträge wird die Zahl in diesem Jahr weiter steigen, prognostiziert Knoll.
Handeln aus freiem Willen muss sichergestellt sein
Doch es gibt auch Kritik an der aktuellen Sterbehilfe. Ansgar Heveling, Bundestagsabgeordneter der CDU, etwa kritisiert die unklare Rechtslage: "Wie man diese Freiverantwortlichkeit tatsächlich feststellt, dazu hat das Bundesverfassungsgericht keine näheren Auskünfte getroffen und dazu gibt es auch keine gesetzlichen Regelungen. Deshalb ist es zurzeit nur sehr schwer möglich, das einzugrenzen und zu klären, ob diese Freiverantwortlichkeit tatsächlich vorliegt." Freiverantwortlichkeit heißt, dass man sicherstellt, dass die Betroffenen auch wirklich aus freiem Willen handeln.
In der vergangenen Wahlperiode versuchte eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten um Ansgar Heveling, ein Gesetz zur Regelung des assistierten Sterbens zu schaffen, scheiterte dann aber. In der kommenden Legislaturperiode soll das Thema nochmal angegangen werden.
Vor einem vollen Saal beginnt der Vortrag des Arztes Dr. Matthias Bernau von der DGHS: "Ich will Sie im Namen unserer Gesellschaft begrüßen und ich freue mich, dass Sie so überraschend zahlreich erschienen sind." Statt der erwarteten 40 sind am Ende mehr als 200 Interessierte zum Vortrag gekommen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 01. Mai 2025 | 06:11 Uhr