Lokale Nachrichten sind Zuschussgeschäft Medienförderung: Länder legen wegen Corona Hilfsprogramme auf
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22. Juni 2020, 00:00 Uhr
Die Corona-Krise hat die lokalen Medien mächtig unter Druck gesetzt. Zwar werden ihre Angebote viel stärker genutzt als vor dem Ausbruch der Pandemie. Doch weil die Werbeeinnahmen eingebrochen sind, stehen viele vor einer ungewissen Zukunft. Jetzt reagiert die Politik. Thüringen hat ein Pandemie-Gesetz beschlossen, das fünf Millionen Euro Soforthilfe für lokale und regionale Medien vorsieht. Auch in Sachsen sind ähnliche Hilfsprogramme geplant.
„Wir finden es als Bundesverband Lokal TV sehr gut, dass sich etwas tut“, sagt Frank Haring von der Sendergruppe Sachsen Fernsehen im Gespräch mit MDR MEDIEN360G. Haring ist auch stellvertretender Vorsitzender des Bundesverband Lokal TV. „Nur weil die meisten Sender mit anderen Dienstleistungen Geld verdienen, gibt es noch jeden Tag lokale Nachrichten. Dieses Angebot war isoliert betrachtet auch schon vor Corona ein Zuschussgeschäft“, sagt Haring. Denn viele Sender sind schon immer auf ein Querfinanzierung ihrer Programme durch Einnahmen aus anderen Bereichen wie der Filmproduktion angewiesen.
Lokaljournalismus ist wichtig
Dabei gehören diese privaten lokalen Medienangebote zu den wichtigen Säulen des so genannten dualen Mediensystems in Deutschland, in dem es den von der Gesellschaft durch den Rundfunkbeitrag finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk und private, werbefinanzierte Medien gibt. Lokaljournalismus ist dabei ausdrücklich die Domäne der privaten Sender und Presseangebote. Deshalb dürfen die Öffentlich-Rechtlichen auch keine direkte, fortlaufende Lokalberichterstattung machen.
Werbeeinnahmen allein reichen nicht
Ziel der jetzt beschlossenen Förderung müsse aber sein, „nachhaltige Strukturen beim Lokalfernsehen zu unterstützen“, sagt Haring: „Diese Säule des dualen Systems wird sich durch den Werbemarkt allein nicht mehr finanzieren lassen. Wenn die Gesellschaft dieses Angebot weiter erhalten will, muss sie etwas dafür tun.“ Denn die privaten Lokalmedien sind nicht erst durch Corona gebeutelt. Die großen Digital- und Social-Media-Firmen wie Google und Facebook bieten im Netz mittlerweile auch lokale Werbung an und sind so eine übermächtige Konkurrenz. „Wenn es hier nicht zu grundlegenden strukturellen Veränderungen kommt, geht das ins Aus“, ist sich Haring sicher.
Thüringen unterstützt mit fünf Millionen Euro
In Thüringen stehen die fünf Millionen Euro Fördergelder ganz allgemein für eine „Unterstützung im Medienbereich“ zur Verfügung. Insbesondere will man neben dem Lokal-TV regionalen und lokalen Privatradios sowie Bürgermedien helfen, heißt es in der Erfurter Staatskanzlei: „Ziel muss sein, lokale und regionale Berichterstattung für die Nach-Corona-Zeit zu sichern.“ Als ein erster Schritt wurde an besonders gebeutelte private TV-Stationen bereits jeweils 20.000 Euro Soforthilfe gezahlt. Gemeinsam mit der für die Aufsicht über die privaten Rundfunkangebote zuständige Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) wird darüber hinaus an einer landesweiten Bestandsaufnahme gearbeitet, die in einen Aktionsplan münden soll.
Große Zeitungen gehen leer aus
Beim Lokalradio ist eine Förderung bei den technischen Sendekosten geplant. Hier will auch der Bund Geld geben. Den Bereich der Bürgermedien, wo Vereine und Sendegruppen eigenes Programm gestalten können, habe man ebenfalls im Blick, so die Staatskanzlei: „Der scheint noch nicht so stark von Folgen der Corona-Krise betroffen zu sein, wir behalten das aber im Auge.“ Ob auch kleine lokaljournalistische Angebote wie Stadtteilzeitungen oder Anzeigenblätter bei Bedarf unterstützt werden sollen, werde derzeit noch diskutiert, heißt es in Erfurt. Eine Förderung der großen Zeitungen wie Thüringer Allgemeine, Thüringische Landeszeitung, Ostthüringer Zeitung oder Freies Wort sei aber definitiv nicht vorgesehen.
Sachsen-Anhalt unterstützt Marketingmaßnahmen
Sachsen-Anhalt hat im Landeshaushalt 275.000 Euro für Werbe- und Marketingmaßnahmen bei den lokalen kommerziellen Fernsehsendern eingeplant. Zur Förderung von Bürgermedien sollen weitere 75.000 Euro bereitgestellt werden. „Uns ist bewusst, dass sich die privaten Rundfunkanbieter in der aktuellen Corona-Krise vor allem durch das Wegbrechen von Werbeumsätzen in einer sehr schwierigen Lage befinden“, so die Magdeburger Staatskanzlei.
Sachsen gibt ebenfalls Extra-Geld
Im Corona-Hilfspaket des Freistaates Sachsen sind zwei Millionen Euro für ein Hilfsprogramm für private Radio- und Fernsehanbieter vorgesehen. Das Hilfspaket wurde am 9. Juni 2020 im Kabinett beschlossen und muss noch vom Haushalts- und Finanzausschuss des Landtages bestätigt werden. Die Fördersumme für privaten lokalen Rundfunk sei krisenbedingt schon vor dem Beschluss deutlich erhöht worden und liege bereits heute bei „weit über eine Millionen Euro“, so Andreas Nowak. Er ist medienpolitischer Sprecher der sächsischen CDU, die gemeinsam mit SPD und Grünen in Dresden regiert. Es sei darüber hinaus beabsichtigt, die Sächsische Landesmedienanstalt (SLM) „mit zusätzlichen Mitteln für weitere Fördernotwendigkeiten im Medienbereich auszustatten“, sagt Nowak
SPD will auch direkt Programm fördern
„Die genaue Verteilung dieser Mittel muss noch vereinbart werden“, so Dirk Panter, medienpolitischer Sprecher der SPD. „Klar ist aus unserer Sicht jedoch: Die bisherige ausschließliche Finanzierung der Verbreitungskosten ist nicht ausreichend. Stattdessen müssen Wege gefunden werden, auch die unmittelbare Programmerstellung zu fördern. Hierzu wird es hoffentlich zeitnah einen Vorschlag der Staatsregierung geben.“ Das wäre ein großer Wurf. Denn bislang ist die direkte Förderung redaktioneller Inhalte bzw. des Programms in Deutschland verpönt. Unklar ist auch, ob dies bei der aktuellen Rechtslage überhaupt zulässig wäre. 2019 kam das Gutachten des Instituts für Europäisches Medienrecht im Auftrag der Thüringischen Landesregierung und der TLM zu dem Schluss, dass dies sehr wohl geht, ohne, dass Gesetze geändert werden müssten.
Frank Haring vom Bundesverband Lokal TV ist jedenfalls optimistisch: „Ich sehe hier einen Paradigmenwechsel, der mich hoffnungsvoll stimmt“, sagt er zum Abschluss des Gesprächs mit MDR MEDIEN360G. „Durch die Corona-Krise ist es hier zu einem Bewusstseinswandel gekommen. Jetzt müssen wir sehen,ob daraus nachhaltige Veränderungen entstehen.“