Eine Gärtnerin blickt zurück Was sich beim Gärtnern über die Jahre geändert hat
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24. Januar 2022, 09:44 Uhr
Der Klimawandel hat in den vergangenen 20 Jahren das Gärtnern verändert, sagt Gärtnerin Brigitte Goss. Der Trend geht zum natürlichen Gärtnern. Es gibt aber auch neue Schädlinge, neue Werkzeuge und Pflanzentrends.
Es ist spannend, die vergangenen 20 Gärtnerjahre zu betrachten. Es kommt einem im Alltag ja nicht so vor, als würde sich etwas ändern. Was soll im Garten schon groß passieren? Aber ein Blick zurück zeigt: Es hat sich tatsächlich richtig viel geändert.
Mehr Nutzpflanzen-Vielfalt im Küchengarten
Nur Gurken, Tomaten und Kohl - das war einmal. Längst beeinflussen Menschen aus aller Welt unsere Gartenkultur. Chili, Paprika, russische Fleischtomaten, Koriander und viele Minzearten wachsen selbstverständlich in den Gärten. Bei Reisen in fremde Länder lernen Pflanzenfreunde ungewöhnliche Kräuter wie Wasabi, Colastrauch oder Currykraut kennen und bauen sie dann zu Hause an. Aus meiner Küche ist zum Beispiel der Zitronenstrauch nicht mehr wegzudenken.
Hokkaido, Uchiki Kuri oder Spagettikürbis kannte man vor 20 Jahren in Deutschland noch nicht. Da gab es nur die Riesenkürbisse zum Einmachen. Heute gibt es mehr als 200 Sorten an Speisekürbissen. Alte Gemüsesorten wie Haferwurzel oder Pastinaken werden von Hobbygärtnern wieder entdeckt. Durch den Klimawandel können zudem spät reifende Obstgehölze angebaut werden, die eine lange Vegetationsperiode benötigen. Dazu gehören Melonen, spätreifende Tafeltrauben, Feigen oder Kaki.
Wandel der Sortimente
Mit den veränderten Bedürfnissen der Gärtner haben sich auch die Angebote geändert. So nutzen immer mehr Freizeitgärtner alte, samenechte und regionale Obst- und Gemüsesorten. Einige Vereine haben sich dem Erhalt der Sortenvielfalt verschrieben. Gleichzeitig werden aber auch Sorten aus anderen Ländern angebaut oder Neuzüchtungen probiert. Mittlerweile gibt es viele Raritätenmärkte und im Frühjahr Saatgut- und Pflanzentauschbörsen.
Bei den Tomaten lässt sich das veränderte Interesse gut sehen. Vor 20 Jahren stand die Resistenz der Tomate gegen die Kraut- und Braunfäule im Vordergrund, doch diese Sorten punkteten meist nicht mit Geschmack. Alte Sorten und Neuzüchtungen bringen reiche Ernten und vielfältige Geschmackserlebnisse. Das gefällt vor allem jungen Gärtnern. Sie wollen im Selbstversorgergarten ihre Nahrungsmittel selbst anbauen. Urban-Farming, Urban-Gardening und Permakultur sind zu Lebenseinstellungen geworden.
Die Gartengestaltung im Wandel
Vor 20 Jahren dachte kaum jemand daran, sich den Garten anlegen zu lassen. Heute können sich Gartenbaubetriebe vor Aufträgen kaum retten. Die Gartenbesitzer wollen im Garten Leben. Loungemöbel, Pools, Outdoorküchen und Hightech-Grills sind der Renner der Gartenmessen. Aber auch automatische Hilfen sind gefragt. Natürlich gab es auch vor 20 Jahren schon automatische Bewässerungen, doch wenige installierten sich diesen Komfort. Heute sind Bewässerungsanlagen und Mähroboter in vielen Gärten Standard.
Ebenso Standard sind Formgehölze. Die gab es früher nur in besonderen Baumschulen für viel Geld. Heute kann man sie vorgeschnitten und pflanzfertig kaufen. Ebenso wie die italienischen, wilden und herbstblühenden Clematis-Sorten, die aus den Gärten nicht wegzudenken sind. Die gab es vor 20 Jahren noch nicht.
Verlierer im Garten
Nicht alle Trends im Garten sind von Dauer. Bambus war vor 20 Jahren Trend. Doch dann kam die Bambusblüte bei den Fargesia-Arten und die Erkenntnis, dass man Phyllostachis-Bambus doch nicht mit einer Wurzelsperre aufhalten kann. Ähnlich ging es den englischen Rosen. Die waren vor 20 Jahren heiß begehrt, aber dann kamen deutsche Rosenzüchter und brachten gesunde, robuste Rosen im Stil der Engländer auf dem Markt.
Traurig ist es, zu sehen, wie viele Gärtnereien in den vergangenen 20 Jahren aufgegeben haben. Preisverfall, Lohn-, Energie- und Investitionskosten bedeuteten für viele Betriebe das aus.
Pflanzen anders pflegen
Forschung spielt auch im Gartenbau und der Landwirtschaft eine große Rolle. Neue Erkenntnisse, aber auch veränderte Umweltbedingungen, bringen neue Pflegemethoden. Früher wurden Tafeltraubenstöcke im Sommer sehr stark zurückgeschnitten. Heute sieht man das Blattwerk als Sonnenschutz und als Kraftwerke für den guten Geschmack der wachsenden Trauben. Einen Weißanstrich der Bäume kannte man damals nur im Spätwinter. Heute brauchen die Bäume einen Anstrich zum Sonnenschutz
Auch die Welt des Düngens verändert sich zunehmend. Früher düngte man nach dem Minimumgesetz nach Liebig. Diese Lehre besagt, dass das Wachstum der Pflanzen sich an der knappsten Ressource orientiert. Somit versuchte man den Pflanzen ein möglichst großes Angebot von allen Nährstoffen zur Verfügung zu stellen. Ganz nach dem Motto: Viel hilft viel. Heute betrachtet man die Nährstoffversorgung anders, denn man hat die Bedeutung der Bodenlebewesen erkannt. Heute wird nicht mehr gedüngt: Wir füttern den Boden.
Die Auswahl an biologischen Düngern wird immer größer. Heute kann man mit Schafwolle, Wurmhumus, Rinderpellets und sogar vegan mit Pflanzenauszügen und Malzkeimen düngen.
Neue Insekten im Garten
Verändert sich die Umwelt, siedeln sich neue Bewohner an. Vom asiatischen Marienkäfer wurde vor 20 Jahren in Belgien das erste freilebende Exemplar gefunden. Mittlerweile ist er in ganz Deutschland verbreitet. Der asiatische Laubholzbockkäfer beschäftigt seit 15 Jahren Pflanzenschutzbehörden, so beispielsweise aktuell auch in Magdeburg. Der Buchs ist durch den Buchsbaumzünsler in Gefahr. Vor sieben Jahren kam die Kirschessigfliege, die Beerenobst und auch Tafeltrauben vernichtet. Klimagewinner sind auch die Wanzen, vor allem die neue marmorierte Baumwanze, die Äpfel, Paprika und viele andere Früchte ansticht. Sie werden uns zunehmend beschäftigen.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Garten | 02. August 2020 | 08:30 Uhr