Ein Mann in schwarzem Anzug und Hut steht in einem chaotischen Atelier, der Boden ist voller zerknüllter Zeitungen.
Das Stück "Dorian" feierte am 7. Januar Premiere am Staatsschauspiel Dresden. Bildrechte: Lucie Jansch

Roman von Oscar Wilde Schönheit und Macht: Gefeierte Premiere von "Dorian" mit Christian Friedel am Staatsschauspiel Dresden

24. September 2024, 08:48 Uhr

Das Stück "Dorian" hat am Wochenende Premiere am Staatsschauspiel Dresden gefeiert. Die Inszenierung des amerikanischen Regisseurs Robert Wilson orientiert sich an Oscar Wildes großem Roman über Schönheit und Macht und hat das Publikum begeistert. Christian Friedel überzeugt auf ganzer Linie in der einzigen Rolle des Stücks, wie unser Kritiker findet.

Dorian? Da war doch was? Richtig, ein Bildnis. Genauer gesagt: Das Bildnis des Dorian Gray. Der große und einzige Roman von Oscar Wilde. In dem es um Schönheit und Macht, um einen Dandy und die Dekadenz des Viktorianischen Englands geht. Ist lange her. Und auch nur ein Aspekt des neuen Stücks des alten Theatermagiers Robert Wilson. Der schon oft in Deutschland, aber nie in dessen Osten aktiv gewesen ist. Nimmt man Berlin mal aus. Nun also Dresden.

Regisseur Wilson zum ersten Mal in Dresden

Wobei man sagen muss, dass die Dresdner Premiere der Nachläufer der Düsseldorfer Uraufführung ist. Dorthin pflegt man beste kooperative Beziehungen. Der Düsseldorfer Intendant Wilfried Schulz war das lange in Dresden. Sein Nachfolger hier, Joachim Klement, ist in Düsseldorf geboren und war dort zuletzt am Schauspielhaus. Christian Friedel schließlich, der Schauspieler und Sänger der Band "Woods of Birnam", ist durch seine parallele Arbeit an beiden Häusern so etwas wie das schauspielerische Bindeglied.

Ein Mann im weißem Anzug schaut sich im Handspiegel an und wird gleichzeitig von drei Wandspiegeln gespiegelt.
Schönheit ist ein zentrales Thema im Stück "Dorian". In der Hauptrolle: Christian Friedel. Bildrechte: Lucie Jansch

Künstlerische Arbeit als Team-Work

"Konzept, Regie, Bühne und Licht: Robert Wilson"– steht im Programmheft. Dort kann man aber auch lesen, dass Ann-Christin Rommen für die Co-Regie verantwortlich ist, Stephanie Engeln für Co-Bühnenbild, Louis B. Vivier für Co-Kostüm und Marcello Lumaca für Co-Lichtdesign. Der alte Bühnenmagier setzt also deutlich auf Team-Work, respektive die künstlerischen Nachfolger. Wobei ein Mann oder eine Frau für "Co-Konzept" ist nicht verzeichnet. Insofern hat der Meister die Hand drauf. Auf der Umsetzung des Textes seines Landsmanns Darryl Pinckney. Der sich dafür nicht nur bei Dorian Gray bedient.

Oscar Wilde und Francis Bacon als Inspiration

Ein Mann in weißem Anzug steht auf einer Treppe und spricht nach links in Richtung eines schwarzen Lochs.
Für das Bühnenbild sind Robert Wilson und Stephanie Engeln verantwortlich. Bildrechte: Lucie Jansch

Er reichert das Ganze an. Mit Zitaten aus dem Briefwechsel zwischen Oscar Wilde seinem Liebhaber Alfred Douglas. Und solchen aus den Akten des Prozesses wegen grober Unzucht, der Oscar Wilde zum Verhängnis wurde. Auch der Maler Francis Bacon kommt ins Spiel. Der, wie Wilde, eine homosexuelle Beziehung zu einem jungen Mann geführt hat. Ein Einbrecher in sein Atelier. Der, wie das Leben manchmal spielt, zum Modell und Liebhaber des Malers wurde.

Schönheit ist oberflächlich, aber nicht so seicht wie das Denken.

Passage aus "Dorian" am Staatsschauspiel Dresden

Pinckney hat das alles zu einem im Prinzip handlungslosen, äußerst assoziativen Text zusammengefügt. In dem es um Liebe, Schönheit, Vergänglichkeit, Macht, Ohnmacht, um Schuld geht. Ein Text, den wohl keiner im Saal in Gänze verstehen wird. Und garantiert jeder und jede ein bisschen anders, als der oder die neben ihm sitzende. Aber trotzdem sind alle in den Bann gezogen von dem, was da, und vor allem wie das auf der Bühne geschieht. "Schönheit ist oberflächig, aber nicht so seicht wie das Denken" – heißt es einmal. Vielleicht das Geheimnis des Abends.  

Christian Friedel brilliert in seiner Rolle als Dorian

Wilson sorgt für den Rahmen. Entführt zunächst in ein Maleratelier, das von dem fast zugemüllten Francis Bacons abgekupfert zu sein scheint. In diffuses Schwarz-Weiß getaucht. Ein Röhrenradio leuchtet golden auf. Aus dem die Stimme Darryl Pinckneys den englischen Originaltext spricht. Wie aus weiter Ferne übersetzt. Von Christian Friedel, noch im Dunkel versteckt, aus dem er sich als puppenhafter Beau schält - Dorian.

Ein Mann in schwarzem Anzug und Hut sitzt auf einer Bank und hält eine zerknüllte Zeitung vom Boden in der Hand.
Christian Friedel überzeugt als Dorian. Bildrechte: Lucie Jansch

Unser Begleiter durch den Abend. Der eine, der gleichzeitig zwei sein kann. Dank seiner Kunst, in Sekundenbruchteilen von einer Person in eine andre zu wechseln, brilliert Friedel. Er spricht, kichert, tanzt und singt sich durch den Abend, der zu seiner Show wird. Der Soundtrack stammt von seiner Band "Woods of Birnam", die nicht live dabei ist. Und man weiß auch nicht immer, ob bei den Gesangsnummern oder dem grandios gesteppten Finale alles live und mit rechten Dingen zugeht.

Dank eines überragenden Christian Friedel wird dieses Gesamtkunstwerk aus der Werkstatt Robert Wilsons zu einem Fest.

Wolfgang Schilling, Theaterkritiker

Aber selbst wenn der steppende Showmaster das Finale nur zum Playback-Geklapper geben sollte, macht er das so perfekt, dass das entzückte Publikum nach 90 Minuten nicht anders kann und will, als frenetischen Applaus zu spenden. Dank eines überragenden Christian Friedel wird dieses Gesamtkunstwerk aus der Werkstatt Robert Wilsons zu einem Fest. Schön, dass es nun auch in Dresden gefeiert werden kann.

Weitere Informationen: "Dorian" im Staatsschauspiel Dresden von Darryl Pinckney (Text) und Robert Wilson (Visual Book) nach Motiven von Oscar Wilde.

Konzept, Regie, Bühne, Licht: Robert Wilson

Besetzung:
Dorian: Christian Friedel
Dorians Schatten: Robin Baumgärtel/Kasimir Pretzschner
Stimme im Radio: Darryl Pinckney

Aufführungen:
1. Oktober, 19:30 Uhr
2. Oktober, 19:30 Uhr
31. Oktober, 19:30 Uhr
1. November, 19:30 Uhr

Redaktionelle Bearbeitung: Lilly Günthner

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 09. Januar 2023 | 08:40 Uhr