Lesezeit | 30.09. bis 11.10. 2024 Paula Irmschler: Alles immer wegen damals
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27. September 2024, 04:00 Uhr
"Alles immer wegen damals" – Familienroman über eine Mutter-Tochter-Beziehung
"Familie heißt lügen bis tief in die Nacht", dieser Satz fällt gleich am Anfang des Romans "Alles immer wegen damals". Wegen genau dieser Lügen und dem ganzen Unausgesprochenen ist Karla von Leipzig nach Köln geflohen. Sie hat Ausbildung um Ausbildung angefangen und wieder abgebrochen, igelt sich in einer Wohnung ein, die sie kaum bezahlen kann und versteckt dort halbwegs ihre Zwangsstörungen und Panikattacken.
Die Zeit ist nur noch ein Problem, ein riesiges Knäuel, ein Weg voller echter oder eingebildeter To-dos, etwas, das sich aufgetürmt hat und im Bauch drückt, als müsste Karla dringend aufs Klo.
Abgebrochen hat Karla auch den Kontakt zu ihrer Mutter – in der Familien-WhatsApp-Gruppe bleibt sie stummes Mitglied. Das alles – ist irgendwie – immer wegen damals, wie der Titel von Paula Irmschlers Buch verrät. Dabei will Gerda, Karlas Mutter, gar nicht lügen. Im Gegenteil, sie will ihre Tochter über das Elternsein aufklären. Das ist nämlich gar nicht so romantisch, wie manche behaupten. Gerda weiß, wovon sie spricht: Neben Karla hat sie noch drei weitere Kinder groß gezogen.
Lebensentwürfe ostdeutscher Frauen ohne Ost-Klischees
Und dann türmen sich bei ihrem Wiedersehen auch noch diese ganzen Klischees über Ost-Familien, Ost-Mütter und Ost-Erziehung auf. Hat Gerda ihre Kinder wirklich so anders großgezogen, wie die Eltern im westlichen Teil Deutschlands? Nämlich viel lockerer oder gar kühler, wie eine Nachbarin im Roman Gerda vorwirft. Ganz ohne Besserwisserei oder Ostalgie lässt Irmschler ihre Protagonistinnen darüber nachdenken.
Die Funkstille zwischen Mutter und Tochter muss jedenfalls aufhören. Deshalb schenkt Schwester Mascha den beiden eine gemeinsame Reise nach Hamburg: Karla wird 30 und Gerda 60 Jahre alt. Früher haben sie ihren Geburtstag immer zusammen gefeiert. Funktioniert das jetzt noch zwischen all den Gräben und Fettnäpfchen? Die Reise wird ein Trip, bei dem die beiden sich umkreisen, aneinandergeraten und dann zu reden beginnen. Und siehe da: "Alles ist immer wegen damals". Na gut, vielleicht nicht alles. Zum Glück ist am Ende nicht alles geklärt – der Roman ist schließlich keine Wohlfühlliteratur, auch wenn er guttut.
Sie ist ein unzugänglicher Millenial, obendrauf ist sie noch, wie sie ist, und dann steckt leider auch noch immer ein unaufgeschlossener Ossi in ihr, der skeptisch gegenüber allen ist, die ihr fremd sind, also alle, die sie kürzer als ein Jahr kennt.
Über die Autorin Paula Irmschler
Paula Irmschler wurde 1989 in Dresden geboren und zog 2010 für ihr Studium nach Chemnitz. Später ging sie nach Köln und schrieb u. a. für "Intro", "Jungle World", "Missy Magazine" und "Musikexpress". Sie verfasste feministische Kolumnen für die Tageszeitung "Neues Deutschland" und betrieb mit Linus Volkmann den Podcast "Feminismus und Autotune". Sie war Redakteurin bei "Titanic" und ist Autorin für Jan Böhmermanns "ZDF Magazin Royale". Ihr Roman-Debüt "Superbusen" (2020) war ein Spiegelbestseller und wurde für die Bühne adaptiert.
Familie heißt lügen bis tief in die Nacht.
Über die Schauspielerin Birte Schnöink
Birte Schnöink wurde 1984 in Bremen geboren. Nach dem Studium an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" Berlin wurde sie festes Ensemblemitglied am Hamburger Thalia Theater. 2014 erhielt sie den Boy-Gobert-Preis für Nachwuchsschauspieler an den Hamburger Bühnen.
Für ihre erste Film-Hauptrolle in "Amour Fou" von Jessica Hausner wurde sie für den österreichischen Filmpreis nominiert (2015). Darin spielt sie die Henriette Vogel: Sie ging gemeinsam mit Heinrich von Kleist in den Tod, Kleist wird von Christian Friedel verkörpert. 2016 erhielt sie den Deutschen Hörspielpreis der ARD – für die beste schauspielerische Leistung im Hörspiel "Draußen unter freiem Himmel – Manifest 49" von FALKNER (WDR). 2022 war sie gemeinsam mit Corinna Harfouch zu sehen in "Das Mädchen mit den goldenen Händen", ein Film von Katharina Marie Schubert. Für den MDR war Birte Schnöink zuletzt 2021 in dem Hörspiel "Teresa Dopler: Unsere blauen Augen" zu hören sowie in 2023 in der Hörspielserie "Die Woche" nach dem Roman von Heike Geißler.
Angaben zur Sendung
MDR KULTUR Lesezeit
30.09. - 11.10. 2024
Alles immer wegen damals
Von Paula Irmschler
Es liest: Birte Schnöink
Einrichtung und Regie: Judith Ruyters
(10 Folgen)
Produktion: MDR/HR 2024
Sendung im Radio: 30.09. - 11.10. 2024 | Montag bis Freitag 9:05 Uhr und in der Wiederholung: Montag bis Freitag 19:05 Uhr
Die Lesung steht hier bis zum 13. März 2025 zum Hören bereit.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR Lesezeit | 30. September 2024 | 09:05 Uhr