Feuerstein
Toupierte lange Haare, Leopardenklamotten und viel Schminke – das waren die 80er-Jahre, auch im Heavy Metal Bildrechte: Feuerstein, Tommy Silbersack

Heavy Metal in der DDR Feuerstein – Metal aus Halle mit Wurzeln im Punk der Ramones und Sex Pistols

13. Januar 2025, 04:00 Uhr

Feuerstein aus Halle war eine der angesagten Heavy-Metal-Bands der DDR. Dass Schlagzeuger Tommy Silbersack und Gitarrist Christian Sorge damals zum Metal-Sound kamen, war nicht selbstverständlich – denn beide waren schwer vom Punk beeindruckt. Doch ihr Freundeskreis bestand aus Heavy-Metal-Fans. Welche Vorbilder sie hatten, welche unerwarteten Probleme es zu DDR-Zeiten mit den Texten gab und wie sie heute zu Heavy Metal stehen, haben sie im Interview mit MDR KULTUR verraten.

MDR KULTUR: Wie habt ihr die Heavy-Szene im Osten erlebt?

Christian Sorge: Wie jede Musikerszene: man wichst übereinander [lästert, d. Red], man säuft zusammen, man respektiert sich und man verachtet sich. Es gab alles, die ganze Bandbreite. Wenn wir beispielsweise in der Langhansstraße in Berlin gespielt haben – das war unser Heavy-Club – da kamen dann auch die Musiker, die gerade keine Mugge hatten. Und hinterher haben wir im Büro gefeiert.

Wir haben ja manchmal auf Minifestivals zusammen gespielt, mit Pharao oder mit Cobra oder MCB. Und mit Babylon – die haben wir aber nicht respektiert. Die waren älter und das waren so brave Hardrocker.

Tommy Silbersack: Formel 1 haben mir auch nie gefallen, der Schlagersänger mit Ketten, alles unerträglich.

CS: Ich hab den Klampfer mal kennengelernt, der war nett.

TS: Na klar sind das nette Typen. Aber damals waren das für uns Opas.

CS: Die waren Opas, die waren schon über 30! [beide lachen]

Zwei Männer, links Tommy Silbersack, rechts Christian Sorge
Die ehemaligen Feuerstein-Musiker Tommy Silbersack (l) und Christian Sorge heute Bildrechte: MDR/Olaf Parusel

Iron East - Hier gehts zum Podcast:

Podcast: Iron East – Heavy Metal in der DDR

Podcast „IRON EAST – Heavy Metal in der DDR“
Bildrechte: MDR/ Privatarchiv Mirko Stockmann
Podcastcover "Iron East – Heavy Metal in der DDR", Episode 2
Bandmitglieder der Heavy Metal Band M.A.D. Bildrechte: MDR/Christian Ludwig /MAD
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Gab es einen Ostmetal-Sound?!

CS: Nein! Der war eigentlich international angepasst, der war so wie überall. Und mit unterschiedlicher Qualität natürlich.

Welche Metal-Bands haben euch damals inspiriert? Waren das westdeutsche Bands? Bands aus dem Osten? US-Bands?

TS: Ausschließlich aus dem Westen, also USA.

CS: Und Gruppe Keks!

TS: Ja, na gut, von hier waren natürlich auch ein paar cool. Keks – so wie Sebastian Bauer, heute Knorkator.

CS: Bis heute mein DDR-Idol!

TS: Na selbstverständlich! Das ist wieder das Typische, egal, welche Musikrichtung, wenn dahinter ein cooler Typ ist – ich sage immer "ne Hackfresse" – dann funktioniert das. Da ist vollkommen egal, was die machen.

CS: Egal, ob das Basti Bauer oder Lemmy von Motörhead ist!

TS: Ja, das ist immer das Wichtigste, dass es nicht so glatt ist. Und dass die Leute was damit bezwecken und versuchen anzuecken und Verhältnisse in Frage zu stellen.

Feuerstein
Feuerstein wurde 1984 in Halle gegründet. Bildrechte: Feuerstein, Tommy Silbersack

Hattet ihr eine musikalische Erweckungsmusik?

TS: Meine musikalische Erweckung war ganz eindeutig "Nevermind the Bollocks" von den Sex Pistols. Für ein Lehrlingsmonatsgehalt – schwarz natürlich – gekauft. Das hab ich heute noch. Ich habe zu dieser Zeit alles Mögliche gehört: Deep Purple, Led Zeppelin, das war alles nett. Und auf einmal hatte ich diese Pistols-Platte gekauft, legte die drauf und dachte, ich sterbe. Da fing ich an, mich für Musik zu interessieren. Das war der Hammer!

Ein Mann
Tommy Silbersack in seinem Musikgeschäft, in dem er auch E-Gitarren im Heavy-Metal-Look verkauft. Bildrechte: MDR/Olaf Parusel

CS: Bei mir waren es zum Beispiel nicht die Pistols als erstes, sondern die Ramones. Das war bei mir wie eine Explosion im Kopf. Ramones, Motörhead – Musik, die aggressiv und schnell war. Das war mir wichtig. Nicht die politische Haltung. Ich mochte Politik noch nie.

Bildergalerie Heavy Metal in der DDR – Bands, Fans und Konzerte

Ein Gitarrist auf einer Bühne
Gitarren wie diese in typischer Heavy-Metal-Form waren eindrucksvoll für die Fans. Bildrechte: Mirko Stockmann
Ein Gitarrist auf einer Bühne
Gitarren wie diese in typischer Heavy-Metal-Form waren eindrucksvoll für die Fans. Bildrechte: Mirko Stockmann
Heavy-Metal-Fans tanzen vor einer Bühne
Die Lautsprechtürme waren gigantisch und sorgten für die entsprechende mitreißende Soundkulisse. Bildrechte: Mirko Stockmann
Ein mit Schreibmaschine beschriebenes Dokument
Information über das Spielverbot der Band Prinzz im Kreis Worbis, datiert auf den 22. Februar 1989. Bildrechte: Kerstin Radtke
Eine Band bei einem Auftritt, alle haben lange Haare
Asathor bei einem Auftritt 1989 in ihrer Heimatstadt Magdeburg. Bildrechte: Mirko Stockmann
Fünf Männer mit Gitarre und Bass
Feuerstein aus Halle hatten einen Trumpf mit ihrem Sänger, der ähnelte optisch und stimmlich Lemmy Kilmister, dem Sänger und Bassisten der britischen Kultband Motörhead. Bildrechte: Feuerstein, Tommy Silbersack
Blick von der Bühne auf das Publikum
Die Band Stellung 43 bei ihrem Auftritt am 1. Mai 1990 am Weißen Haus, Magdeburg. Auf dem T-Shirt steht der Name der westdeutschen Metal-Band Accept und darunter von Hand geschrieben "Commercial Shit". Bildrechte: Mirko Stockmann
Ein selbstbemaltes Stofftransparent
Das Weiße Haus in Magdeburg war der Jugendclub der Bauarbeiter und bewarb so das Heavy-Metal-Open-Air vom 10. September 1989. Bildrechte: Mirko Stockmann
Ein Bassspieler
Bassist Behle von der Band Stellung 43 im Jahr 1990. Die Band ist aus Asathor entstanden. Bildrechte: Mirko Stockmann
Ein Gitarrist
Gitarrist Poldi von Stellung 43 Bildrechte: Mirko Stockmann
Ein Schlagzeuger
Schlagzeuger Daniel Szwillus von Stellung 43 Bildrechte: Mirko Stockmann
Viele Mensche stehen herum
Das Publikum erschien zahlreich beim Heavy-Metal-Open-Air am 1. Mai 1990 am Weißen Haus, dem Magdeburger Jugendclub der Bauarbeiter. Bildrechte: Mirko Stockmann
Ein alter Mann steht fröhlich mit jungen Musikern auf der Bühne
Heavy Metal kann auch Generationen verbinden. (Auftritt 10. September 1989 am Weißen Haus, Magdeburg) Bildrechte: Mirko Stockmann
Blick von der Bühne auf das Publikum
Die Bühne am Weißen Haus war nicht sehr groß, der Kontakt zu den Fans sehr nah. Bildrechte: Mirko Stockmann
Ein Bassspieler, hinter ihm Kinder
Bei den Open Airs am Weißen Haus Magdeburg saßen immer viele faszinierte Kinder sehr dicht an der Bühne. Bildrechte: Mirko Stockmann
Ein erfreuter junger Mann mit einer Flasche in der Hand
Sonne, Bier und Heavy Metal Bildrechte: Mirko Stockmann
Ein Schlagzeuger
Drummer Sven Leuffert von Asathor Bildrechte: Mirko Stockmann
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Und warum seid ihr nicht Punks geworden?

TS: Weil meine Umgebung kein Punk war. Meine Umgebung war Lemmy [Spitzname des Sängers von Feuerstein] und wir haben eben früher die typischen Sachen gehört: Lindenberg, Deep Purple, Led Zeppelin. Und richtig los mit Metal ging es dann mit Accept "Fast as a Shark".

CS: Ich war auch ein ganz großer Motörhead-Fan, immer schon, vom ersten Moment an. Und die haben auch die beiden Szenen zusammen gehabt. Als die 76/77 herum angefangen haben, war ein Teil ihres Publikums Punks. Und Punks waren ja auch 76/77 herum andere, als zehn Jahre später. Das hatte ja einen anderen Hintergrund. Ich sag mal so: Punk hatte nachher, moralisch gesehen, einen asozialen Ansatz. Das war das, was mir beim Punk immer ein bisschen ambitionsfrei war. Ich kannte doch auch die, die auf dem Markt gesessen haben und Bier getrunken haben. Das war mir zu ambitionslos. Ich mochte am Punk einfach nur das Neue, das Energetische und nicht das Streberhafte.

Ein Mann
Gitarrist Christian "Sorje" Sorge hat sein Leben bis heute ganz der Musik verschrieben. Bildrechte: MDR/Olaf Parusel

Welche Erfahrungen habt ihr in der DDR mit euren Texten gehabt?

CS: Schweinische Sachen bekam man immer durch. Saufen und ficken war okay. Bei der "Teufelsbraut" ging es beispielsweise darum, dass man in der Gaststätte eine Person kennenlernt, mit der auch gleich relativ intim wird – und am nächsten Morgen ist sie weg und hat dich auch noch beklaut.

TS: Und so was ging problemlos durch.

Und mit welchen Texten gab es Probleme?

CS: Probleme gab es, wenn es in irgendeiner Weise gesellschaftskritisch war. Ich hatte mal eine Zeile, wo eine Stelle drin war "Leben kannst du nur einmal, es gibt kein Zurück. Denn jeder Tag kann schon der letzte sein." Und dann ungefähr so weiter wie "Lass es uns machen!"

"Das klinge aber negativ", sagte Luise Mirsch [Feuersteins damalige Musikproduzentin]. Ich sage "Na überhaupt nicht! Das ist eine Aufforderung, es jetzt zu tun. Man kann ja morgen aus Versehen unter den Bus kommen – und mehr habe ich mir doch dabei gar nicht gedacht." Sie fing dann an, das wäre "pessimistisch" und "lebensverneinend". Über so eine Scheiße musste man sich damals …

TS: Genau, die ostdeutsche Jugend, die war ja grundsätzlich optimistisch.

CS: Ja, die war optimistisch und "Kampfreserve der Partei" … (beide lachen)

TS: … und da kann man nicht denken, dass morgen vielleicht der letzte Tag ist!

Vier Menschen stehen nebeneinander
Die Band Feuerstein in den 80ern: Tommy Silbersack, Kai Büttner, Sven Büttner und Christian Sorge (vlnr.) Bildrechte: Feuerstein, Tommy Silbersack

Welchen Bezug habt ihr heute zu Heavy Metal?

CS: Wenn ich ehrlich bin, mich interessiert das eigentlich kaum. Diese neue Musik, gerade die Skandinavier legen da eine ganz hohe Latte. Das ist musikalisch ziemlich stark, ziemlich vielschichtig, mit klassischen Einflüssen, mit Gothic-Einflüssen und mit Folk-Einflüssen. Mit Opernsängerinnen vorneweg und was auch immer alles. Das ist nicht meine Musik. Ich bewundere es zum Teil.

Wenn ich harten Heavy Metal höre, dann lege ich mir Slayer auf. Wenn ich Spaß haben will, höre ich Kiss oder sowas.

TS: Sprich, da sind wir eigentlich wieder bei unseren Jugendheroes. Und bei aktuellen Produktionen, da habe ich auch überhaupt keinen Zugang. Sprich: Wir sind Oldschool!

CS: Ja, wir sind wirklich von vorgestern! Und das sind wir auch gerne!

Das Gespräch hat Olaf Parusel im Jahr 2022 für MDR KULTUR geführt.

Die Band Feuerstein 1984 in Halle gegründet, machte sich die Band gleich erfolgreich einen Namen in der Hard'n'Heavy-Szene der DDR. Sie nahmen mehrere Songs für den DDR-Rundfunk auf und erhielte so auch mediale Präsenz. Vor allem ihr Titel "Teufelsbraut" sorgte für Aufmerksamkeit. Sänger Sven Büttner hatte unter anderem durch seinen markanten Bart eine auffällige optische Ähnlichkeit mit der Heavy-Ikone Lemmy Kilmister von Motörhead und auch stimmlich überzeugte er die Fans mit seiner rauen Stimme. 1989 löste sich die Band auf.

Der ehemalige Gitarrist, Christian Sorge, ist auch heute noch als Musiker aktiv, aktuell u.a. in der Rolling-Stones-Coverband Starfucker mit Mike Kilian (Ex-Rockhaus). Schlagzeuger Tommy Silbersack betreibt in Halle ein Geschäft für Musikinstrumente.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 30. Dezember 2024 | 08:00 Uhr