Expertentipps Unmusikalisch? So kann jeder singen lernen
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29. Mai 2022, 13:38 Uhr
Viele Leute glauben, sie seien unmusikalisch und könnten nicht singen. Dabei lohnt es sich, es einfach zu tun. Mit leichten Übungen gelingt jedem der Einstieg. Es muss nicht immer gleich Gesangsunterricht sein – man kann auch einfach so in einen Chor eintreten. Doch wie findet man den passenden? Und woran erkennt man, ob man auch Potenzial für mehr hat? Experten geben Tipps zum Singenlernen.
Jeder hat schon mal gesungen, zumindest als Kind. Doch später machen viele Menschen negative Erfahrungen. Wenn ihnen jemand sagt: "Du kannst nicht singen", kann das den Spaß für immer verderben.
Dabei gibt es praktisch keine gesanglich völlig unbegabten Kinder, sagt Uta Lesch, Dozentin für Gesang an der Universität Halle: "Jeder wird mit einem intakten Kehlorgan geboren, und bis auf ganz wenige Ausnahmen kann eigentlich jeder das Singen lernen."
Am besten schon als Kind singen lernen
Bei Kindern geht das manchmal fast von selbst, hat der hallesche Musiklehrer Guido Mattausch festgestellt: "Mir ist bei meinen eigenen Kindern aufgefallen: Wenn die spielen, mit Autos oder was weiß ich, und die sind glücklich dabei und entspannt, dann singen die vor sich hin." Das sei der Schlüssel, um Kinder ans Singen als etwas Schönes zu gewöhnen: es mit dem Spielen zu verknüpfen.
Wenn sie dann noch vorgesungen bekommen, lernen sie "automatisch ungefähr im Vorschulalter die richtigen Töne zu treffen, eine Tonvorstellung zu entwickeln, und auch ein Rhythmusgefühl stellt sich dann ein", erklärt Lesch, die an der Uni auch Vorlesungen zur Entwicklung der Kinderstimme hält.
Singen als Spiel
Um die Freude am Singen zu fördern, sind Kinderchöre ideal. Guido Mattausch ist nicht nur Musiklehrer am Hans-Dietrich-Genscher-Gymnasium in Halle, wo er einen Chorklassenzweig aufgebaut hat. Er leitet auch den Nachwuchschor am Gewandhaus Leipzig, der sich an Grundschulkinder richtet. Dort setzt Mattausch viel auf Stimmspiele – im Prinzip sei die ganze Chorprobe ein Spiel: "Die merken gar nicht, dass das Stimmbildung ist, was wir da machen", erzählt er.
Dass Kindern das Singenlernen meist Spaß macht, merkt er auch bei den Chorproben in der Schule: "Die Kinder kommen aus Mathe oder von sonst wo und sind eigentlich völlig neutral bis negativ eingestellt. Und dann hatten sie eine schöne Stunde mit Singen und Musik und gehen singend und pfeifend aus dem Unterricht."
Fachkundige Lehrer sind wichtig
Aus seiner Sicht wird vor allem in Grundschulen zu wenig gesungen. Dabei gehe es gar nicht um Leistung, sondern um Freude an der Sache. Würden mehr Grundschullehrer das Potenzial des Singens erkennen, "dann würden die vielleicht vieles anderes einfach weglassen und stattdessen mehr singen in der knappen Zeit, die zur Verfügung steht", glaubt Mattausch.
Allerdings müssten die Lehrer dann auch wissen, wie man richtig singt – "also eher hoch als zu tief, dass man wirklich die Singstimme im Kopfstimmbereich entdecken lässt, statt so sprechstimmenmäßig rumzubrummen". Würde das in Grundschulen mehr praktiziert, wüssten auch viel mehr ältere Kinder, "dass sich das gut anfühlt, wenn man singt, und dass man hinterher vielleicht besser gelaunt ist als vorher", glaubt Mattausch.
Einzel-Gesangsunterricht erst als Teenager nötig
Wer tatsächlich Profi-Sängerin werden möchte, sollte etwa ab dem 12. oder 13. Lebensjahr Gesangsunterricht nehmen – früher sei das nicht nötig, meint Lesch: "Wichtig ist, dass man als Kind schon sehr viel gesungen hat. Das A und O ist ein gutes Gehör und eine gute Tonvorstellung." Und die entwickele sich nur durch Praxis, "indem man das immer wieder probiert und macht." Um das wahre Potenzial seiner Stimme herauszufinden, kommt man um professionellen Unterricht aber kaum herum.
Es hat nicht jeder das Zeug zum Wagner-Sänger.
Beginnt man erst mit Anfang oder Mitte 20 eine Gesangsausbildung, ist es für eine Profi-Karriere fast zu spät. Außerdem braucht man dafür bestimmte körperliche Voraussetzungen: "Es hat nicht jeder das Zeug zum Wagner-Sänger", erklärt Lesch. Ob etwa die Länge der Stimmlippen passt und die Schleimhäute gut genug sind, um hohen Belastungen standzuhalten, könne nur ein Phoniater beurteilen, also ein Facharzt für die Stimme.
Doch die wenigsten Menschen wollen ja als Sänger Geld verdienen. Einfach nur gut singen lernen als Hobby – "das kann man wirklich auch noch bis ins Alter hinein", meint Lesch.
Hobby-Sänger kann man auch noch im Alter werden
Und wie lernt man das als Erwachsener? Ihr erster Tipp: "Man muss eigentlich so viel wie möglich singen, summen, unter der Dusche, zu Hause, im Wald." Oder man singt seine Lieblingslieder zur CD mit. "Und was auch wichtig ist: ruhig mal innerlich singen", wie bei einem Ohrwurm, erklärt Lesch weiter. Denn dadurch trainiere man seine Tonvorstellung.
Sie empfiehlt zum Üben auch einfache Lückenlieder wie "Jetzt fahrn wir übern See", bei denen man bestimmte Töne weglassen und anschließend trotzdem richtig weitersingen muss – so etwas sei "unglaublich hilfreich, um singen zu lernen".
Den passenden Chor finden
Und was, wenn man oft schief singt oder Angst vor großen Tonsprüngen hat? "Da ist es einfach mal gut, wenn man beim Singen mal in den Spiegel schaut: Mache ich eigentlich den Mund richtig beim Singen auf?" Denn dann sei man gleich viel entspannter.
Wer sich nicht sofort in einen Chor traut, kann zum Beispiel einfach in der Kirche mitsingen. Oder er geht zu speziellen Angeboten wie dem "Herzlicht Singkreis" in Halle, den Uta Lesch leitet: "Wir nehmen praktisch jeden auf, der singen möchte, und der kann auch erst mal total schief singen."
Wer sich schon sicherer fühlt, sucht sich einen passenden Chor in der Nähe – zum Beispiel mit Hilfe der MDR KULTUR-Chorkarte. Viele Laienchöre setzen keine formale Gesangsausbildung voraus, und auch Kirchenchöre sind für den Einstieg gut.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 26. Mai 2022 | 06:30 Uhr