Film: "Gundermann Revier" Grit Lemke über Gundermann und die "übersprungene Generation" des Ostens
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16. Juni 2023, 17:31 Uhr
Weltpremiere bei DOK Leipzig: "Gundermann Revier" ist ein Film über den singenden Baggerfahrer unter Regie von Grit Lemke. Warum dieser Film für sie sehr persönlich geworden ist und weshalb die Filmförderung ihrer Meinung nach zu sehr das Thema Stasi im Fokus hat, hat Grit Lemke im Interview erklärt.
MDR KULTUR: Warum jetzt nochmal einen Film über Gundermann?
Grit Lemke: Es ist ja nicht nur einfach ein Film über Gundermann. Er heißt eben nicht umsonst "Gundermann Revier" – und das war wirklich auch wichtig, dass beide Begriffe in der gleichen Schrift, in der gleichen Größe auf dem Plakat stehen. Weil, die Frage ist natürlich: Was ist denn das Revier von Gundermann? Was bleibt uns denn von Gundermann? Worum geht's denn bei Gundermann?
Und das war auch eine Frage, die uns durch den ganzen Prozess des Filmens begleitet hat. Und das Gundermann-Revier ist natürlich Hoyerswerda, die Lausitz. Es ist auch die DDR, es ist der Osten. Und am Ende ist es eigentlich so ein utopischer Ort. Und mir war es wichtig, einen Film zu machen über diese Utopie, die hinter Gundermann steht. Also, es ging nicht darum, nochmal das Leben zu erzählen – obwohl wir das auch machen – aber eigentlich geht es um die Brüche, die durch uns alle durchgehen.
Warum nun dieser sehr persönliche Ansatz? Denn Gundermann, das machen Sie von Anfang an klar, ist nicht irgendein Objekt des Erzählens, sondern jemand, den Sie kannten, verehrten, mit dem Sie sich auf eine sehr persönliche Weise auseinandersetzen?
Ich konnte den Film nur so persönlich machen. Ich bin auch tatsächlich auf Umwegen dazu gekommen. Ich habe angefangen als Dramaturgin bei dem Film, dann war ich auf einmal die Autorin und jetzt ist es mein Film geworden. Ich konnte die Geschichte nur so erzählen.
Ich war mit Gundi befreundet und das war einer der Menschen, die mich wahrscheinlich mit am meisten beeinflusst haben. Und mir war es eben wichtig: es ist irgendwie auch die Geschichte meiner Generation. Es gibt diesen Begriff, den Gundi in dem Film auch nennt, die "übersprungene Generation". Und das ist so ein Grundgefühl, was ich mit mir rumtrage und was ich auch in den Liedern von Gundi finde. Also, was auch wir als eine bestimmte Generation im Osten haben, die, wie Gundermann sagt, nie an die Schalthebel der Macht gekommen sind. Und deshalb musste ich diesen Film so subjektiv und so persönlich erzählen.
Es werden auch bestimmte Aspekte einer Generationserfahrung beleuchtet, die in der offiziellen Betrachtung unter den Tisch fallen. Bei all den Jubelfeiern, die wir jetzt noch sehen werden, fehlt so eine Erfahrung und ich denke, das war ihm besonders wichtig. Warum war es wichtig, die mit aufzunehmen?
Ich würde gar nicht sagen, dass diese Leute, die so waren wie Gundi, eine Randerscheinung waren. Das waren Leute, die angetreten sind mit dem Anspruch, so einem utopischen Anspruch, einer besseren Gesellschaft (die die DDR für sie auch nicht per se war) einem anderen Sozialismus. Gundi sagt, wir wollen einen Sozialismus, der das Gegenteil ist von Egoismus. Um diese Gesellschaft ging es.
Und die große Enttäuschung mit dem Ende der DDR war nicht, dass diese DDR weg ist. Der hat, glaube ich, niemand wirklich hinterhergeheult. Sondern die Chance, eine andere Gesellschaft aufzubauen. Und dann gab es kurz diese Chance 1989 mit der Wende – und die war dann sehr schnell wieder vorbei.
Der Gundi hat ja auch dann für die Vereinigte Linke kandidiert. Das heißt, der wollte sich auch einbringen, der hat sich reingeworfen und Stück für Stück ist sozusagen, glaube ich, für ihn und auch für uns alle, sind die Möglichkeiten immer weniger geworden, sich in diesem neuen Land einzubringen. Und daher kommt diese Fremdheit. Also, vielleicht kann man es als eine fremde Generation auch bezeichnen.
Das Thema Stasi nimmt eine sehr wichtige Rolle in dem Film ein, auch die Verarbeitung. Warum?
Man kann natürlich, wenn man über Gundermann reden will, das nicht ausklammern. Es war mir wichtig, dass es nicht das zentrale Element im Film ist. Aber es gehört auch zu den Widersprüchen, die sich durch seine ganze Figur ziehen. Und da geht es auch wieder um diesen Utopieverlust: Ich glaube an was und ich werfe mich rein. Ich mache alles, wovon ich denke, das dient dieser Sache. Und dann mache ich vielleicht auch was falsch. Und dann fliege ich auf die Fresse und dann stehe ich wieder auf. Und deshalb muss man das auch erzählen. Es gehört auch zu unserer Geschichte dazu.
Ich finde es eben nur schade, dass generell bei Filmen über die DDR, da gibt es eine Untersuchung dazu: in den letzten 15 oder 20 Jahren gab es überhaupt keine Filme über die DDR, in denen nicht das Thema Stasi im Vordergrund stand. Und das liegt ja nicht an dem einzelnen Regisseur oder Autor, sondern das liegt am System der Förderung und an dem, was man erzählen darf und was nicht. Aber deshalb bin ich froh, dass wir jetzt so einen Film machen konnten, der viel breiter ist.
Das Interview führte Moderator Knut Elstermann für MDR KULTUR und fand im Rahmen einer Gesprächsrunde zur Weltpremiere von "Gundermann Revier" beim DOK Leipzig statt. Daran nahmen auch Kameramann Uwe Mann, Musikexperte Ronald Galenza und Gundermanns Ehefrau Conny Gundermann teil.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 21. Juni 2023 | 06:40 Uhr