Umfrage zur Digitalisierung Das Museum als digitale Baustelle
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16. November 2020, 04:00 Uhr
Nicht wenige Museen schickten während des ersten Corona-Lockdowns "Hoffnungszeichen", erlaubten Blicke ins Depot ihrer Schätze, die selten bis nie zu sehen sind. Die Türen online offen zu halten, das kam gut an und befeuerte die Diskussion um die Chancen der Digitalisierung. Der Prozess läuft seit rund zehn Jahren auf mehr oder weniger vollen Touren. Kaum eines der rund 900 Museen in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen startete gleich Augmented-Reality-Projekte in Kooperation mit Google Arts & Culture. Wie gerade kleinere Häuser die Aufgabe angehen können, welche Projekte es bereits gibt und welche Probleme – dazu haben wir bei Museen, Museumsverbänden und politischen Verantwortungsträgern nachgefragt.
"Hoffnungszeichen" schickte das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig während des ersten Corona-Lockdowns. Zwischen März und Mai 2020 wurde täglich ein Objekt aus der Sammlung auf der Website und in den Sozialen Netzwerken vorgestellt. Schließlich lagert im Depot so einiges, was davon zeugt, wie Seuchen mit Würde und Selbstbehauptungswillen überlebt wurden. Die Nutzer wurden aufgefordert, mit ihren Hoffnungszeichen zu antworten. So entstand die erste Online-Ausstellung des Hauses.
Live-Führungen boten die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Das Keramikmuseum in der Töpferstadt Bürgel oder die Städtischen Museen Mühlhausen öffneten online, führten per Video auf Youtube oder Facebook ins Depot und stießen auf unerwartet große Resonanz. Unter dem Hashtag #closedbutopen meldete sich das Kunstmuseum Moritzburg Halle und setzte die Aktion dann #openbutsafe fort.
Die Idee: Wissen teilen!
Das Bild vom Museum als Elfenbeinturm stimmt schon längst nicht mehr, kommentiert Susanne Kopp-Sievers, Geschäftsführerin des Museumsverbands von Sachsen-Anhalt. Nach wie vor beginne die Arbeit beim einzelnen Objekt, doch mit dessen Digitalisierung verändere sich über kurz oder lang der ganze Arbeitsauflauf vom Depot bis zur Publikation oder virtuellen Ausstellung.
Dass es sich lohnt, die Digitalisierung der Bestände anzugehen, zeigt sich in Zeiten der Pandemie. Doch schon seit ungefähr zehn Jahren steht sie als große und komplexe Aufgabe auf der kulturpolitischen Agenda. Auch in Mitteldeutschland. Noch mindestens zehn Jahre älter ist die Idee der EU-Kommission, auf die sie zurückgeht: die vielen verborgenen Schätze der Museen, Bibliotheken und Archive auf einer Plattform namens Europeana sichtbar zu machen und das Wissen weltweit zu teilen.
Sachsen-Anhalt: "Wir sind eine Selbsthilfegruppe"
Was so großartigt klingt, zielte nicht nur auf die überragenden Leuchttürme, sondern auch darauf, die Möglichkeiten für kleinere, nicht so finanzkräftige Museen auszuloten, erinnert sich Kopp-Sievers. Doch um bei diesem Startup-Projekt dabei zu sein, musste eine Plattform entwickelt werden für die zu digitalisierenden Objekte. Der Museumsverband Sachsen-Anhalt wurde zum Piloten: "Unser Motto war: 'Wir fangen einfach an. Der Weg ist das Ziel!'"
Zur Entwicklung gründete sich im Kreismuseum Bitterfeld die AG Digitalisierung, Unterstützung gab es vom Berliner Institut für Museumsforschung. So entstand mit museum.digital eine Plattform, aber auch ein einfach zu bedienendes und kostengünstiges Werkzeug zur Selbsthilfe: "Mit sechs Museen und 30 Objekten sind wir 2009 gestartet. Inzwischen sind 88 Museen aus Sachsen-Anhalt und insgesamt 671 Häuser fast bundesweit dabei, mit 506.000 Objekten", freut sich Kopp-Sievers über die Entwicklung.
Beim Kunstmuseum Moritzburg Halle scannten anfangs vor allem Praktikantinnen und Praktikanten, um die 250.000 Objekte der sechs Sammlungen zu erfassen. Was 2012 als befristetes Pilotprojekt startete, wurde inzwischen zur fortwährenden Aufgabe und innerhalb der gesamten Kulturstiftung Sachsen-Anhalt etabliert, zu der die Moritzburg gehört: Digitalisierung meint hier nicht nur die Erfassung der Bestände für die Arbeit der Experten, sondern auch Vermittlung. Ein kleines Digitalisierungs-Referat mit einer Kunsthistorikern an der Spitze entstand in der Moritzburg, das als großes, vom Land gefördertes Museum freilich anders agieren.
235 ganz unterschiedlich aufgestellte Häuser vertritt der Museumsverband Sachsen-Anhalt. Anders als in Thüringen oder Sachsen kann der Verband kein Personal entsenden, um vor Ort zu helfen. Die Digitalisierung bleibt ein "Low-Budget-Unternehmen", wie Kopp-Sievers formuliert: "Wir sind im Großen und Ganzen eine Selbsthilfegruppe." So organisiert der Verband Workshops und Weiterbildungen. Auch wenn die Hilfe eines Fotografen und Historikers beim Erfassen schon wünschenswert wäre.
Neues E-Culture-Projekt für die Basis
Mit einem Kernbestand von Objekten auf der Plattform museum.digital vertreten zu sein, das könne ein erstes Ziel für ein Museum sein ebenso wie eine funktionierende Website, sagt Kopp-Sievers. All das sei aber noch keine digitale Strategie. Eine zu entwickeln und umzusetzen, dabei solle kleineren Häusern in Kürze ein vom Land gefördertes, neues Projekt helfen: "E-Culture - Digitale Strategien in Sachsen-Anhalts Museen implementieren und umsetzen" heißt es und meint, dass eine zunächst auf fünf Jahre angelegte Stelle beim Verband angesiedelt wird, um ausgewählte Museen konkret zu unterstützen; wie sie einen virtuellen Rundgang, ein Social Media-Angebot oder zunächst vielleicht eine optimierte Website kreieren, die beispielsweise die digitalisierten Schätze des Hauses auf museum.digital auch auf der eigenen Homepage spiegelt.
Es geht uns um die Häuser, die starten wollen, aber aufgrund von Personal- und Finanzmangel benachteiligt sind, die sich nicht verzetteln dürfen, aber eine digitale Strategie entwickeln müssen, damit sie überhaupt Fördermittel akquirieren können.
Die neuen "Piloten" sollten dann ihr Wissen weitergeben an andere Häuser in der Region. Vernetzung sei wichtig, vielfältige Kooperationen nötig: "Man schafft es heute nicht mehr allein", sagt Susanne Kopp-Sievers und verweist auf das vom Saalekreis getragene Kulturhistorische Museum Schloss Merseburg, das gerade in Zusammenarbeit mit der vor Ort ansässigen Hochschule das einstige Spiegelkabinett virtuell in den noch vorhandenen Raum des Schlosses zurückholen wolle. Ein Augmented-Reality-Projekt, das sei State of the Art, aber die Ausnahme, schätzt sie ein.
Die Zeit des Corona-Lockdowns hätten viele kleinere Häuser für die Basisarbeit genutzt, das Prignitz-Museum Havelberg für das Erfassen im Depot, der Förderverein des Museums Schloss Moritzburg Zeitz für eine optimierte Website. Inventarisieren und erfassen heiße auch, die Herkunft eines Objektes zu prüfen und zu recherchieren, es zu vermessen und zu beschreiben, es zu fotografieren und mit Metadaten zu versehen. Das alles, um es dann in die Datenbank zu bringen und wenn es die ebenfalls zu klärenden Urheber- und Verwertungsrechte erlauben, auf museum.digital oder sogar der Deutschen Digitalen Bibliothek und der Europeana weiter zu veröffentlichen. All das brauche viel Zeit, die im normalen Museumsalltag oft fehle, sei aber die Voraussetzung dafür, ein Objekt aus der Versenkung des Depots zu holen.
Thüringen: Die Datenbanker
Dass es nicht mehr allein um die "Retro-Digitalisierung" von Objekten geht, sondern um eine Transformation der Museen, betont auch Elke Harjes-Ecker von der Thüringer Staatskanzlei, die gemeinsam mit dem Verband die rund 220 Museen des Freistaates voranbringen will. Derzeit liege der Großteil der Arbeit immer noch in der Erfassung, was auch die Klärung der Herkunft und des Besitzes meint, wie sie betont. Für das Land und den Verband sei die Provenienzforschung ein Schwerpunkt, die Digitalisierung könne dabei erheblich helfen.
Harjes-Ecker zufolge haben zwei Drittel der Häuser mit der Aufgabe begonnen, mehr als ein Viertel digitalisierte zwischen 25 und 100 Prozent der Bestände. Zu sehen sind sie nicht nur auf museum.digital, wo aktuell 45 Thüringer Museen vertreten sind. Mit Hilfe des digiCULT-Verbundes wurden seit 2010 weitere Plattformen aufgebaut und bespielt, dank der "offenen Architektur der Software" mit vielfältigen Möglichkeiten zur Vernetzung, heißt es online. Die Vision für die Thüringer Museen lautet demnach: Von der Karteikarte und dem Objekt im Depot hin zur vernetzten Kulturlandschaft, die man natürlich nicht nur virtuell bereisen soll. Das kuratierte Verbands-Portal "Museen in Thüringen", an dem sich 214 Häuser beteiligen, versucht schon jetzt, über die reine Ansicht der Bestände hinauszugehen und etwa Service-Infos und aktuelle Veranstaltungen mit den Objekt-Einträgen zu verbinden. Auch das Digitale Landesmuseum Thüringen, das in nur acht Monaten "Bauzeit" vom Verband und mit digiCULT-Hilfe gestemmt wurde, um zum 100. Freistaat-Gründungsjubiläum 100 Objekte und deren staunenswerte Geschichten zu vereinen, sieht Harjes-Ecker als Versuch, "den digitalen Wandel besucherorientiert anzugehen". Die Ambitionen sind groß, manche sind – wie das Digitale Landesmuseum – erst in der Beta-Version realisiert, was den virtuellen Besucher unter Umständen schon am Eingang scheitern lässt.
Wir haben 2009 mit der Retro-Digitalisierung begonnen, also Bilder von Objekten und deren Metadaten zu erfassen. Digitaler Wandel bedeutet aber viel mehr, nämlich das Ganze besucherorientiert anzugehen: Was erwartet der 'Kunde'? Das spielt jetzt in der Corona-Zeit natürlich eine große Rolle.
In der analogen Welt des Freistaates gibt es keine reinen Landesmuseen, dafür aber aufgrund der einst ausgeprägten Kleinstaaterei viele lokale Verpflichtungen, was Harjes-Ecker zufolge bedeutet: "Wir fördern in der Fläche." Während große Organisationen wie die Klassik Stiftung Weimar auch vom Bund oder der Deutschen Forschungsgemeinschaft aufgelegte Programme zur Digitalisierung nutzen können, fehlt es kleineren Häusern dafür an Mitteln und Know How. Viele Träger seien sowieso schon an ihrer Leistungsgrenze, zugleich stehe ein Generationenwechsel in vielen Häusern an, heißt es dazu im Diskussionspapier des Landes "Museumsperspektive 2025".
Vernetzen und sichtbar machen, aber was alles und für wen?
Deswegen gibt es bereits seit 2009 ein Digitalisierungs-Team mit drei Experten. Ausgestattet mit Scanner, hochwertiger Kamera, Stativ, Lichtzelt und sogar kleinem Gerüst sind sie im Land unterwegs. Sie helfen, die digiCULT-Software zu implementieren, aber auch zu sondieren, wie die digitale Strategie für das jeweilige Haus überhaupt aussehen könnte.
Angebunden sein wird das Team, das bisher Projektstatus hatte, allerdings künftig nicht mehr beim Verband, sondern an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek in Jena (ThULB), wie Harjes-Ecker betont. Schließlich würden dort die digitalisierten Bibliotheks- und Archivbestände mit denen der Museen zusammengeführt und publiziert auch im Digitalen Wissens- und Kulturportal Thüringens "Kulthura" mit bereits etwa einer Million Datensätze und Digitalisaten in 2D und 3D von über 100 Thüringer Einrichtungen. Die Museen könnten so profitieren von dem dortigen Know How zur Vernetzung, begründet sie.
Thomas T. Müller, Präsident des Thüringer Museumsverbandes, wünscht sich, dass das Digi-Team auch künftig und verstärkt kleinere und kleinste Museen vor Ort unterstützt, dort, wo Alleinkämpfer ein Haus am Laufen hielten. Schon damit sie feststellten, dass die Digitalisierung von Objekten kein Hexenwerk sei und den Prozess beginnen. Während des ersten Corona-Lockdowns habe es einen kreativen Schub bei virtuellen Angeboten gegeben, schätzt Müller ein. Auf Basis einer bereits im Februar gestarteten Umfrage unter den Thüringer Museen werde der Verband im nächsten Jahr an seiner digitalen Strategie arbeiten, das hieße auch zu überdenken, mit welchen Angeboten bzw. auf welchen Plattformen man die Besucherinnen und Besucher am besten erreiche.
Im Moment scheint es doch so, als würden eher Expertinnen und Experten auf "Kulthura" bestandsübergreifende Recherchen starten. Elke Harjes-Ecker blickt in die Zukunft und erklärt, potenzielle Museums-Besucher sollten dort künftig auch touristische Hinweise finden, eingespeist werden könnten sie aus dem Portal der Thüringer Tourismus GmbH. Sogar virtuelle Ausstellungen seien auf "Kulthura" denkbar, wobei die Daten auch für den Webauftritt des lokalen Museums bereitstehen sollten.
Was nach einer zentralisierten Großunternehmung klingt, beschreibt Elke Harjes-Ecker lieber als Sichtbar-Machen. Und sie gibt zu bedenken, das einzelne, kleinere Museum könne gar nicht alles im Blick haben, was an der Digitalisierung hänge. So wisse man zwar, dass ein Mikrofilm rund 500 Jahre halte, wenn er gut eingelagert sei, so wie die kulturellen Schätze von nationaler Bedeutung in einem Stollen im Schwarzwald. Hingegen sei noch nicht ganz klar, was Langzeitarchivierung heiße. Es werde noch erforscht, wie lang digital erfasste Daten hielten. Fest stehe, dass sie fortwährend "gehostet" werden müssten. Auch das ließe sich durch die neue Anbindung an der ThULB besser gewährleisten.
Sachsen: "Geld allein hilft nicht"
Geld allein hilft nicht viel, wenn es um die fundierte Erfassung von Sammlungen geht, sagt Katja Mieth als Direktorin der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen. Neben der finanziellen Unterstützung durch Projektmittel – je 250.000 Euro standen dafür im vergangenen und diesem Jahr zur Verfügung – braucht es Mieth zufolge in mittleren und kleineren Häusern die persönliche Beratung. Technische Voraussetzungen und rechtliche Rahmenbedingungen veränderten sich ständig. Deswegen helfe ein vierköpfiges Projektteam Digitales Sammlungsmanagement der Landesstelle seit September 2019 vor Ort, "einen guten Überblick über die aktuellen digitalen Möglichkeiten zu gewinnen und gemeinsam individuelle Lösungen zu entwickeln." Das Spektrum der Häuser reiche schließlich vom Mehrspartenhaus in den urbanen Zentren bis hin zum ehrenamtlich geführten Museum im ländlichen Raum:
Wir verstehen unsere Angebote als Hilfe zur Selbsthilfe. Gerade in den vielen kleineren Häusern im ländlichen Raum, wo es oft nur einen Alleinkämpfer gibt, droht das Wissen um die Objekte sonst verloren zu gehen. Alle Museen sind Partner und können weltweit sichtbar werden.
Verstanden als dauerhafte Querschnittsaufgabe, erweitere die Digitalisierung den Wirkungsraum der Museen, führt Mieth weiter aus. Allerdings gebe es nur etwa an der Hälfte der sächsischen Museen eine Person, die erklärtermaßen für das digitale Sammlungsmanagement zuständig sei. Dabei sei die Erschließung der Bestände eine Kernaufgabe, auch weil neue Ansätze der Vermittlung daraus entstünden, sei es nun der virtuelle Rundgang am PC oder der "Touch-Tisch" für ein Quiz vor Ort im Museum. In Zeiten von Corona zeige sich, wie digitale Angebote helfen, als Museum präsent zu bleiben. Durch interessante 360-Grad-Präsentationen wie in den Städtischen Museen Zittau oder im kleinen ehrenamtlich geführten Museum für Handwerk und Gewerbe in Sagar.
Wichtig seien digitale Angebote aber außerdem für mehr Teilhabe. Zur Vor- und Nachbereitung eines Besuchs seien Angebote in leichter Sprache oder zum Vorlesenlassen sinnvoll. Mobilitätseingeschränkte Menschen könnten nicht-barrierefreie Bereiche einer Ausstellung über QR-Code-Anwendungen "erreichen". Nicht jedes kleinere Museum könne einen Fahrstuhl finanzieren, in manchem Denkmal sei auch kein Umbau möglich.
Was alles zur digitalen Strategie gehört
Über eine ausgefeilte digitale Strategie verfügten derzeit nur wenige Museen in Deutschland, schätzt Mieth ein. Gespannt sei sie auf die Ergebnisse der Umfrage, die die Landesstelle zum Thema unter den rund 450 sächischen Museen startete. Bis Ende Oktober beteiligten sich 105 Häuser. Ausgewertet werden sollen die Ergebnisse bis zum Ende des Jahres. Mieth zufolge zeichnet sich bereits ein Trend ab: Die Museen wissen zu wenig über ihre virtuellen Besucherinnen und Besucher. Nur etwa zehn Prozent erheben, wer ihre Angebote nutze oder wie sie ankommen.
Außerdem zeige sich, wie wichtig die eigene Website für die erfolgreiche Arbeit eines Museums sei. Nicht selten fehle immer noch der direkte Zugriff, etwa weil ein Städtisches Museum in den Auftritt der Kommune integriert sei. Das sei meist zur personellen Entlastung gedacht, könne sich aber gerade jetzt als Boomerang erweisen, weil kommunale Presseämter in Krisenzeiten verständlicherweise andere Prioritäten setzten. "Wir sehen das als Aufgabe", erklärt Mieth. Das von der Landesstelle unterhaltene Portal "Sachsens Museen entdecken" helfe nur mittelbar, ein eigenes Redaktionssystem zu ersetzen.
Als weitere Baustelle sieht – nicht anders als in Thüringen und Sachsen-Anhalt – den mangelhaften Breitband-Ausbau. So sei es beispielsweise dem Zweckverband Sächsisches Industriemuseum, den die Landesstelle berate, derzeit nicht möglich von den einzelnen Standorten auf einen gemeinsamen Server zuzugreifen.
Zusätzliche Mittel für Projekte könnten auch über das an der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB) angedockte das Landesdigitalisierungprogramm Wissenschaft und Kultur eingeworben werden. 2,5 Millionen Euro stehen darüber jährlich bereit. Allerdings sei das Programm zu sehr zugeschnitten auf die Bedarfe der Bibliotheken, die Hürden vor allem für kleinere Museen seien zu hoch, bedauert Mieth. So bleibt die Digitalisierung ein hürdenreicher Weg.
Als Partner der Plattform museum.digital erlaubt Sachsen erste Einblicke in die Depots von rund 80 Museen und 130 Sammlungen mit 14.000 Objekten. Neu dazu kamen im letzten Jahr kleinere, auch durch viel ehrenamtliches Engagement getragene Häuser wie in Hohburg, Großschönau oder Adorf mit Teilen ihrer Sammlungen, außerdem das Grassi-Museum für Angewandte Kunst Leipzig oder die Städtischen Museen und das Verkehrsmuseum in Dresden. Unterstützt würden gerade die Chemnitzer Kunstsammlungen in der Ausarbeitung einer digitalen Strategie.
Das Projektteam Digitales Sammlungsmanagement steht erstmal bis 2024 zur Verfügung, ob es mit der "Sonderlinie" für digitale Projekte, also den 250.000 Euro weitergeht, wird im Rahmen des nächsten Haushaltes wieder neu entschieden werden, wie Katja Mieth zum Ausblick erklärt.
"Es fehlt immer noch ein Umdenken"
Die Bereitschaft der Museen, Wissen zu teilen, sei in den letzten Jahren erfreulicherweise stark gewachsen, resümiert Katja Mieth. "Die Angst, dass die Besucher wegblieben, wenn man Objekte online zeige, sei nicht mehr so groß: "Aber es fehlt immer noch ein Umdenken. Die Arbeit bei den meisten Häusern ist immer noch sehr ausstellungsfokussiert, weil der Fokus der Aufmerksamkeit sich hauptsächlich darauf richtet. Auch in der Berichterstattung."
Den Fokus sehr früh verändert, hat das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig. Die Erfassung von inzwischen rund 70 Prozent der rund 600.000 Objekte aus den Sammlungen erleichtert inzwischen sowohl den Leihverkehr als auch die Konzeption von Ausstellungen. Mehr Kommunikation bedeutet sie auch, wie Michael Stephan, Leiter Zentrale Dokumentation erklärt: "Wir haben deutlich mehr Resonanz. 2.000 Anfragen sind es pro Jahr, von Experten und Laien."
Kein lästiger Mehraufwand, sondern Teil der Kernaufgabe eines Museums heute, findet er: "Open Data, Wissen teilen", bringt er sie auf einen Nenner. Denn: "Eigentlich gehört jedes Objekt in unserem Haus jedem Leipziger Bürger." Gerade werden die ersten Objekte der Sammlungen nun mittels eines Fotoroboters hochauflösend abgelichtet, eine Software fügt die Einzelaufnahmen zu einem 3D-Modell zusammen. Für Stephan ein weiterer Schritt hin zum virtuellen Museum, nicht um die bestehende Dauerausstellung nun auch noch im 3D-Rundgang zu präsentieren, sondern um künftig wirklich digital zu kuratieren. Und um das Original zu schützen, wie er betont:. Um das zu sehen, werden Besucherinnen und Besucher immer kommen, wenn man sie neugierig macht.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Spezial "Museumsschätze in Mitteldeutschland" | 17. November 2020 | 18:05 Uhr