Das Wandmosaik von Josep Renau "Die Beziehung des Menschen zu Natur und Technik" (1980-1984) ist restariert.
Josep Renaus 200 Quadratmeter großes Wandmosaik "Die Beziehung des Menschen zu Natur und Technik". Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Martin Schutt

Wandmosaik von Josep Renau DDR-Kunst: Mosaik in Erfurt feiert Comeback

29. Juli 2021, 04:00 Uhr

Im Plattenbaugebiet Moskauer Platz im Norden Erfurts schmückte zu DDR-Zeiten ein riesiges Mosaik die Fassade eines Kultur- und Freizeitzentrums: "Die Beziehung des Menschen zu Natur und Technik", aus Glasbausteinen vom spanischen Künstler Josep Renau gefertigt. Als das Gebäude nach der Wende abgerissen wurde, verschwand das Mosaik. 2019 kehrte es nach aufwendiger Restaurierung zurück nach Erfurt. Doch die Debatte um den richtigen Umgang mit baubezogener DDR-Kunst ist damit noch lange nicht vorbei.

Schon von weitem zieht es die Blicke auf sich. Quer über eine Wiese sind die Farben des Mosaiks erkennbar: rot, gelb, grün, blau knallen Betrachterinnen und Betrachtern zwischen mal mehr, mal weniger ansprechend sanierten Plattenbauten entgegen. Ein geöffnetes Händepaar ist zu sehen, das zwei Symbole hält: einen gespaltenen Apfel und einen mehrfarbigen Polyeder. Sie zeugen von einer sozialistischen Utopie der 70er-Jahre – dass die Gesellschaft die Kräfte und Früchte der Natur zum Wohle der Menschheit nutzen würde.

Für Tobias Knoblich ist das Kunstwerk dennoch viel mehr als Propaganda aus DDR-Zeiten. Josep Renau habe hier einfach tolle Kunst geschaffen, sagt der Erfurter Beigeordnete für Kultur: "Er war zwar Kommunist, aber keiner, der so agitatorische Geschichten gemacht hat und eine Bildsprache hatte, die so ganz dem sozialistischen Realismus verhaftet war. Er war vielmehr geprägt von der klassischen Moderne, vom Kubismus und von anderen, in der DDR durchaus inkriminierten Kunstformen."

Die Rückkehr des Mosaiks nach Erfurt grenzt an ein Wunder

Heute ziert das Mosaik die Rückseite eines Supermarks. So wie früher das Kunst- und Kulturzentrum hat das Gebäude eine abgerundete Ecke, an die sich das Mosaik anschmiegt. So ganz passen Kunst und Architektur zwar nicht zusammen – der Supermarkt müsste etwas höher sein, um sich gut anzufügen – aber für Tobias Knoblich ist das verschmerzbar. Denn dass das Mosaik überhaupt wieder an seinen angestammten Platz zurückgekehrt ist, grenzt für ihn fast an ein Wunder.

Als er das Kunstwerk das erste Mal sah, lagerte es zersägt in Dutzende Paneele in Containern eines städtischen Betriebshofs. Eigentümer war eine Baufirma, die sich nicht für den kulturhistorischen Wert interessierte. Ein Umstand, der Knoblichs Ehrgeiz weckte: "Mein Auftrag bestand darin, herauszukriegen, was ist es wert? Was können wir daraus machen? Wer bezahlt es? Und ist es uns überhaupt möglich, das Kunstwerk in städtischen Besitz zu bringen?"

Tobias Knoblich, Kulturdezernent der Stadt Erfurt
Kulturdezernent der Stadt Erfurt, Tobias Knoblich, fordert einen differenzierteren Umgang mit baubezogener DDR-Kunst Bildrechte: imago images/VIADATA

Knoblich überredete die Baufirma, der Stadt das Mosaik zu schenken. Außerdem gelang es ihm, einen finanzstarken Partner mit ins Boot zu holen: die Wüstenrot Stiftung. Mit ihrer Hilfe gelang es tatsächlich, eine Restaurierung anzuschieben. Verantwortlich dafür war unter anderem Peter van Treeck: "Man hat tatsächlich vorab nur die Rückseite der abgenommenen Paneele gesehen, mit unendlich vielen Brüchen. Eine komplett durchgerissene und fragmentierte Fläche. Und dann musste man anfangen, von hinten her die Paneele zu bearbeiten", so van Treeck über die aufwendige Restaurierung.

"Wiederbringen eines Stücks Vergangenheit"

Fünf Restauratorinnen und Restauratoren waren von Februar bis November 2019 mit dem Projekt beschäftigt, sechs Tage die Woche. Sie restaurierten vor allem den Untergrund des Mosaiks, verklebten die fünf mal fünf Zentimeter großen Glasfliesen neu und puzzelten die verschiedenen Paneele ohne Verzerrungen zusammen. Am Ende wurde es wieder an gleicher Stelle angebracht. Für viele Bewohnerinnen und Bewohner Erfurts glich die Rückkehr des altbekannten Wandmosaiks dem "Wiederbringen eines Stücks Vergangenheit", so Knoblich über das Kunstwerk, das das Stadtviertel im Norden Erfurts in DDR-Zeiten geprägt hatte.

Wie umgehen mit DDR-Kunst?

Für die Stadt Erfurt wäre es sicherlich einfacher gewesen, das kaputte Mosaik einfach nach Spanien zu schicken, denn dort kümmert sich eine Stiftung um das Erbe von Josep Renau. Doch Tobias Knoblich hat diese Option nie ernsthaft erwogen. Auch, wenn die Restaurierung des Kunstwerks am Ende rund 800.000 Euro gekostet hat. Knoblich sagt dazu: "Diese Bilderstürmerei, wie es sie insbesonders in den 90er-Jahren noch gab, als Baselitz die ostdeutschen Künstler als Arschlöcher denunzierte, so etwas finde ich unmöglich, denn das ist der falsche Zugang. Und das ist unser Beitrag, mit DDR-Kunst umzugehen: Nicht nur, weil es den Leuten hier gefällt, sondern weil es ein Stück Kulturgeschichte und respektable Kunst ist."

DDR-Kunst ist ein Stück Kulturgeschichte!

Tobias Knoblich, Kulturdezernent der Stadt Erfurt

Ein Verein hat mittlerweile eine kleine Sitzecke vor dem Mosaik einrichten lassen. Die Stadt hat Scheinwerfer angebracht, demnächst soll noch eine Informationstafel folgen. Der Renau leuchtet wieder farbenfroh in seine Umgebung – bei Tag, und bei Nacht.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Spezial "Die Kunst am Bau der DDR wird neu entdeckt" | 30. Juli 2021 | 18:20 Uhr

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