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Wissenswertes zur Kulturhauptstadt Stadt der Moderne: Neun Fakten über Chemnitz als Industriemetropole
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10. Februar 2025, 11:41 Uhr
Chemnitz ist heute Kulturhauptstadt mit rund 250.000 Einwohnern. Einst war sie eine kleine Handwerkerstadt, entwickelte sich durch Textilindustrie, Maschinen- und Fahrzeugbau aber zu industriellen Hochburg und damit zu einer reichen und modernen Stadt. Hier sind wissenswerte Fakten, die dazu geführt haben, dass Chemnitz eine Industriestadt wurde und erklären, warum die Stadt auch heute noch eine Stadt der Moderne ist.
Inhalt des Artikels:
- 1) "Geburtsurkunde" der Chemnitzer Textilherstellung
- 2) Mazedonische Baumwollhändler in Chemnitz
- 3) Erste Fabrik Sachsens
- 4) Maschinenbau-Pionier Richard Hartmann
- 5) Chemnitz: das "sächsische Manchester"
- 6) Stadt des Automobils
- 7) Großstadt und reichste Stadt Deutschlands
- 8) Starker Erfindergeist
- 9) Architektur der Moderne
1) "Geburtsurkunde" der Chemnitzer Textilherstellung
Chemnitz ist schon früh mit der Textilherstellung verbunden. Grundstein legte dafür Markgraf Friedrich III. von Meißen, der 1357 das sogenannte Bleichprivileg ausstellte. Dieses erteilte vier Bürgern das Recht zum Anlegen einer Landesbleiche, die sie auf einem drei bis vier Hektar großen Grundstück an den Ufern des Chemnitzflusses nördlich vor der Stadt errichteten und auf dem die Leinentücher geblichen wurden. Sämtliche Textilien des Umkreises durften fotan nur in Chemnitz gebleicht werden. Das machte die Stadt bereits im Spätmittelalter zum Handels- und Umschlagschwerpunkt der Region und gilt als einer der Grundsteine, dass sich die Textilindustrie in Chemnitz entwickeln konnte.
2) Mazedonische Baumwollhändler in Chemnitz
Die Textilindustrie war im 19. Jahrhundert auch Motor der Industrialisierung in Chemnitz und war vor allem mit der Verarbeitung von Baumwolle verbunden. Bereits im 18. Jahrhundert bildeten die Baumwollweberei und Kattundruckerei die Säulen der hiesigen Wirtschaft. Die rund 5.000 Einwohner lebten vorrangig von der Produktion von Kanevas und Barchent.
Das dieser nicht heimische Rohstoff Baumwolle überhaupt nach Chemnitz gelangte, dafür waren Kaufleuten aus dem damals noch zum Osmanischen Reich gehörigen südlichen Balkan verantwortlich. Ab 1764 und über einen Zeitraum von etwa fünf Jahrzehnten waren in Chemnitz mehr als 30 Baumwollhändler aktiv. Die Niederlassungen dieser Kaufleute waren Voraussetzung dafür, dass Chemnitz sich zum Baumwollverarbeitungszentrum entwickeln konnte.
3) Erste Fabrik Sachsens
Im heutigen Stadtgebiet von Chemnitz ist die erste sächsische Fabrik Sachsens und die zweite in ganz Deutschland gegründet worden: die Bernhard‘sche Spinnerei. Die 1799/1800 von den Brüdern Carl Friedrich und Ludwig Bernhard im heutigen Stadtteil Harthau errichtete maschinelle Baumwollspinnerei war zudem Vorbild für viele Spinnmühlen, die Anfang des 19. Jahrhunderts in Sachsen entstanden und gilt damit als Beginn der Industriellen Revolution der Chemnitzer Region. Um ihre Maschinen mit Wasserkraft antrieben zu können, siedelten sich von da an zahlreiche Fabriken an den Flussläufen im Erzgebirgsvorland an.
Die Brüder Bernhard hatten bereits ab 1791 eine Textilhandlung im englischen Manchester. Für das technische Know-How ihrer Fabrik in Harthau warben sie dort den Mechaniker Evan Evans ab. Dieser war später für weitere Spinnereien mitverantwortlich, begründete den Sächsischen Textilmaschinenbau und errichtete einige Jahre später im Erzgebirge auch eine eigene Baumwollspinnerei.
Das Fabrikgebäude der Bernhard'schen Spinnerei und das dazugehörige Herrenhaus wurden denkmalgerecht saniert und beherbergen heute eine Seniorenresidenz.
4) Maschinenbau-Pionier Richard Hartmann
Auch Richard Hartmann prägte mit seinem Pioniergeist die Stadt Chemnitz auf ihrem Weg zur Industriemetropole entscheidend mit. 1837 gründete der gebürtige Elsässer in der Stadt eine Reparaturwerkstatt für Spinnmaschinen und baute zwei Jahre später bereits eigene Maschinen. 1848 stellte sein Unternehmen die erste Dampflokomotive her, was ihn später zum "sächsischen Lokomotiv-König" machte.
Die Hartmann-Lokomotiven wurden in die ganze Welt exportiert. 1870 war sein Unternehmen, in dem unter anderem auch Turbinen, Mühleneinrichtungen, Bergwerksmaschinen und Bohrapparate hergestellt wurden, von drei auf 2.700 Angestellte angewachsen. Damit war die "Sächsische Maschinenfabrik vormals Richard Hartmann" die größte Fabrik Sachsens.
In der Weltwirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Fabrik liquidiert. Heute sind von der riesigen Maschinenfabrik nur das Verwaltungsgebäude erhalten und die Sheddachhalle am Fluss Chemnitz. Das ehemalige Verwaltungsgebäude ist heute Hauptsitz der Polizeidirektion Chemnitz. Die Sheddachhalle wurde nach langem Leerstand für das Kulturhauptstadtjahr aufwendig saniert und dient nun unter anderem als Besucher- und Informationszentrum.
Informationen für einen Besuch (zum Ausklappen)
Besucherzentrum in der Hartmann-Fabrik
Fabrikstraße 11
09111 Chemnitz
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag: 10 bis 18 Uhr
Samstag: 10 bis 15 Uhr
Sonntag: geschlossen
Polizeidirektion Chemnitz
Hartmannstraße 24
09113 Chemnitz
5) Chemnitz: das "sächsische Manchester"
Eines der Wahrzeichen von Chemnitz ist die bunte Esse, der Hauptschornstein des Heizkraftwerks Chemnitz Nord, der bereits von Weitem sichtbar und mit fast 302 Metern das höchste Bauwerk Sachsens ist. Als Chemnitz sich im 19. und 20. Jahrhundert zur Industriemetropole mauserte, prägten weit mehr dampfende Schornsteine das Stadtbild. Zwischen 300 und 400 sollen es zur Hochzeit gewesen sein, was Chemnitz auch den Beinamen "sächsisches Manchester" einbrachte. So bezeichnete der Arzt und Schriftsteller Berthold Sigismund die Stadt im Jahr 1859 und fügte hinzu: "... in Chemnitz sowohl als in der Umgegend walten die Fabrikgebäude vor, von denen nur einige der jüngsten das Bestreben offenbaren, neben der Zweckmäßigkeit auch die Schönheit zu berücksichtigen."
6) Stadt des Automobils
Ende des 19. Jahrhunderts baute Chemnitz seine Stellung als führende Industriestadt weiter aus und neben Textilindustrie und Maschinenbau wurde auch der Fahrzeugbau bedeutendes Standbein der Stadt. Unter anderem wurden Betriebe wie Wanderer, DKW und Schüttoff in Chemnitz gegründet, die sich alle im Laufe der Zeit auf Motorrad- oder Automobil-Herstellung spezialisierten. Die Wanderer-Werke etwa, gegründet 1885, stellten zunächst Fahrräder her, entwickelten später Motorräder und widmeten sich dann der Produktion von Autos.
Die sächsischen Fahrzeug-Konzerne Audi, Horsch, DKW und Wanderer schlossen sich 1932 zur Aktiengesellschaft Auto Union AG zusammen. Chemnitz wurde als neuer Firmensitz auserkoren. Die Auto-Union wurde schnell zum zweitgrößten deutschen Autohersteller vor dem Krieg und prägte die Entwicklung des Automobils maßgeblich. Noch heute erinnern die vier ineinander verschlungenen Ringe im Audi-Logo an die vier Gründermarken.
Von der traditionsreichen Geschichte des Fahrzeugbaus erzählt heute das Fahrzeugmuseum – beherbergt in den 1928 errichteten Stern-Garagen, einer der ältesten erhaltenen Hochgaragen in Deutschland. Den Automobilbesitzern der ersten Stunde wurden hier eine Tankstelle auf dem Hof, ein 24-Stunden-Service, verschiedene Reparaturwerkstätten, Waschräume für die Autos und Duschen für die Fahrer sowie ein Ersatzteillager geboten.
Mehr Informationen zum Fahrzeugmuseum (zum Aufklappen)
Museum für sächsische Fahrzeuge
Zwickauer Str. 77
09112 Chemnitz
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag: 10 bis 17 Uhr, letzter Einlass um 16:30 Uhr
Montags geschlossen
Eintritt:
Erwachsene 6 Euro, ermäßigt 4 Euro
Frei für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre
Es werden verschiedene Führungen angeboten.
Barrierefreiheit:
Ebenerdiger Eingang, die Ausstellung ist rollstuhlgerecht, Sitzgelegenheiten sind vorhanden, ebenso eine rollstuhlgerechte Toilette. Führungen für Gruppen, die einen Gebärdensprachdolmetscher mitbringen, Führungen für Menschen mit Demenz sowie Tastführungen für Sehende und Nichtsehende können auf Anfrage organisiert werden.
Mehr Informationen finden Sie auf der Website des Museums.
7) Großstadt und reichste Stadt Deutschlands
Die Stadt mauserte sich im 19. Jahrhundert zur industriellen Hochburg und war Anfang des 20. Jahrhunderts sogar reichste Stadt Deutschlands.Damit einher ging auch ein starkes Bevölkerungswachstum. Um 1882 wurde Chemnitz zur Großstadt, zu Beginn der 1930er-Jahre erreichte die Stadt mit mehr als 361.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ihren historischen Höchstwert. Nach der Wende 1989 gab es einen starken Weggang. Heute wohnen hier rund 250.000 Menschen, damit ist Chemnitz die drittgrößte Stadt Sachsens.
8) Starker Erfindergeist
Pioniergeist, Kreativität und Know-How haben Chemnitz zur Industriestadt und damit zu einer Stadt der Moderne wachsen lassen. Neben den wichtigen industriellen Standbeinen wurden hier aber auch viele weitere Dinge entwickelt, wie beispielsweise das Grundprinzip für die heutige Thermoskanne, als Adolf Ferdinand Weinhold im Jahr 1881 für physikalische Laborversuche ein Thermosgefäß erfand. Auch das erste vollsynthetische Feinwaschmittel (Fewa) der Welt stammt aus Chemnitz. Es wurde 1932 Heinrich Gottlob Bertsch entwickelt. Heute noch allgegenwärtig ist das Geschirrspülmittel "fit", dessen Flasche an die Form des Roten Turmes, eines Wahrzeichens der Stadt, angelehnt ist. Gegründet wurde das Unternehmen vor mehr als 70 Jahren in Chemnitz.
9) Architektur der Moderne
Chemnitz ist nicht nur als Stadt der Moderne aufgrund seiner Industriegeschichte bekannt, sondern auch wegen der Architektur. Das Stadtbild ist heute geprägt von zahlreichen Bauten der Moderne, wie etwa dem Camman-Hochaus, das 1926 für den Textil-Unternehmer Paul Camman als Verwaltungsgebäude seiner Weberei errichtet wurde. Auch das Stadtbad im Bauhausstil aus dem Jahr 1935 gilt als Meisterwerk des Neuen Bauens sowie das 1930 errichtete ehemalige Kaufhaus Schocken, das heute das Staatliche Museum für Archäologie Chemnitz (smac) beherbergt und durch den tortenstückähnlichen Grundriss, die Stahl-Skelettbauweise und die für Bauten der Moderne typische Vorhangfassade beeindruckt. Das Congress Hotel mit angrenzender Stadthalle ist bedeutendes Zeugnis der DDR-Moderne.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Feature | 18. Januar 2025 | 09:00 Uhr