Die Gedenkstätte in Auschwitz mit Toraufschrift ARBEIT MACHT FREI
Bildrechte: MDR/Alicja Malinowski

Polen veröffentlicht umstrittenen YouTube-Spot zu "Holocaust-Gesetz"

17. Januar 2019, 15:54 Uhr

Die polnische Regierung hat im Februar 2018 einen hollywoodreifen Werbespot veröffentlicht: Unter #Germandeathcamps wird die Verantwortung für den Holocaust unmissverständlich geklärt - und gleichzeitig ein Klick-Gigant geschaffen.

Diese Resonanz auf ein neues Gesetz würde sich wohl mancher Politiker wünschen: Anfang März 2018 trat in Polen ein umstittenes Gesetz in Kraft, das jedem verbietet, von einer Mitschuld des Landes am Holocaust zu sprechen. Die polnische Regierung warb auf sozialen Netzwerken massiv dafür und veröffentlichte einen Werbespot über die Verbrechen Nazi-Deutschlands. Der Clip war ein Riesenerfolg.

 #GermanDeathCamps

Unter dem Hashtag #GermanDeathCamps hat die nationalkonservative Regierung PiS eine große Social-Media-Kampagne für ihr umstrittenes "Holocaust-Gesetz" gestartet. Der Twitter- und Youtube-Kanal des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki hat am 8. Februar einen englischsprachigen Werbespot mit etwas sperrigem Titel veröffentlicht:

Today, we are still on the side of truth

Das 30-sekündige Video wurde in kürzester Zeit millionenfach geklickt, auf Youtube verzeichnete der Clip in den ersten 14 Tagen schon fast 13 Millionen Abrufe. Und lässt damit praktisch alle anderen Veröffentlichungen des Kanals, die oft bei ein paar hundert Clicks dümpeln, um Lichtjahre hinter sich.

Der Werbespot erinnert an einen Trailer für ein Computerspiel oder ein Geschichtsepos aus Hollywood: Dramatische Musik mit Gänsehaut-Effekt, dunkle Bilder von Flammenwerfern, eine Erschießung - und der Toreinfahrt zum Konzentrationslager Auschwitz, mit der bekannten Aufschrift "Arbeit macht frei".

Klare Botschaft

Die Botschaft ist kurz aber tief durchdacht: "Juden und Polen haben gemeinsam gelitten. Wir Polen haben viel getan, um Juden zu retten. Als Staat. Als Bürger. Als Freunde." Und zum Schluss erscheint der letzte Satz vor schwarzem Hintergrund: "Today, we are still on the side of the truth" (Heute stehen wir immer noch auf der Seite der Wahrheit). Umschnitt. #GermanDeathCamps (deutsche Todeslager).

Der Spot ist Teil einer großen Kampagne für ein umstrittenes Gesetz der polnischen Regierung. Das Gesetz stellt unter Strafe, falsche Zusammenhänge wie die Bezeichnung "polnische Konzentrationslager" herzustellen. Und unterstreicht so: Die ehemaligen Vernichtungslager mögen im heutigen Polen liegen - doch sie waren unzweifelhaft deutsche Einrichtungen, in denen deutsche Täter deutsche Verbrechen begingen. Das Gesetz verbietet gleichzeitig aber auch, das polnische Volk oder den polnischen Staat mit Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs in Zusammenhang zu bringen. Dagegen gibt es internationalen Protest, unter anderem von jüdischen Organisationen.

Massive Werbekampagne

Doch politischer Streit hin oder her - mit dem Spot ist der Regierung ein Coup gelungen - wie gesagt, auf dem Youtube-Kanal "Kancelaria Premiera" des polnischen Ministerpräsidenten mit gerade mal 10.000 Abonnenten. Zur Erinnerung: Knapp 13 Millionen Klicks in 14 Tagen. Wie viel Geld man dafür in die Hand genommen hat, wurde zumindest offiziell nicht mitgeteilt.

Ein Youtube-Experte sagte dem Online Portal "Motherboard", "dass so viele Klicks bei einem Kanal dieser Größe sehr ungewöhnlich sind..." und wahrscheinlich nur durch massives Sponsoring erreicht worden seien - um den Spot über die sozialen Netzwerke als gesponserten Content auf Google, Facebook und Twitter zu streuen.

Das Holocaust-Gesetz sieht Haft vor

Beobachter sind sich jedenfalls einig: Die polnische Regierung meint es ernst.

Das Gesetz sieht als Strafmaß eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor, wenn jemand "öffentlich und entgegen den Fakten" dem polnischen Volk oder Staat die Verantwortung oder Mitverantwortung für von Nazi-Deutschland begangene Verbrechen zuschreibt. Kritiker befürchten, das Gesetz könnte missbraucht werden, um Polens Verantwortung bei Verbrechen an Juden zu leugnen.

Politiker der polnischen Regierungspartei PiS sind der Ansicht, das Gesetz sei notwendig, um Polens guten Ruf in der Welt zu schützen. In Polen ist die Vorstellung weit verbreitet, dass Deutschland die Geschichte des Zweiten Weltkrieges verfälschen und die Schuld am Holocaust auf Polen schieben wolle.

(ama/dpa)

Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im: TV | 01.02.2018 | 21:45 Uhr