Die Abwanderer Familie Kuscher: "Ich bin mit meiner Qualifikation hier schlicht falsch"
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11. Februar 2019, 17:08 Uhr
Nach der Wiedervereinigung verlassen tausende gut ausgebildete Menschen die ehemalige DDR und gehen in den Westen. Es gibt kaum noch Arbeit. Auch heute wandern Jahr für Jahr viele Fachkräfte Richtung Westen. Allein Sachsen verlor so im Jahr 2008 720 Mio Euro. Geld, das das Land in die Ausbildung der Abwanderer gesteckt hatte.
Pendler für ein Viertel Jahrhundert
Auf die Euphorie nach der Wiedervereinigung folgt bei vielen Ostdeutschen Ernüchterung. Die Industrie bricht zusammen, die Preise steigen, immer mehr Arbeitnehmer verlieren ihre Jobs. Zu Zehntausenden verlassen vor allem junge und gut ausgebildete Menschen ihre Heimat, um ihr Glück im Westen zu versuchen. Bis 1994 ziehen mehr als 660.000 Ostdeutsche im Alter zwischen 18 bis 40 Jahren in die neuen Bundesländer. Zu ihnen gehört damals auch Günter Kuscher. Der Mathematiker findet in seiner Heimatstadt Magdeburg keine Arbeit. Damals ahnt er noch nicht, dass aus ihm ein Pendler werden wird. 25 Jahre zur Arbeit nach Nordrhein-Westfalen, Hessen, Hamburg, London und Zürich.
Viele Meilen westwärts
Kuschers Söhne gehen heute noch einen Schritt weiter. Sie arbeiten nicht nur im Ausland, sondern leben auch da. Matthias Kuscher hat eine Stelle am Ständigen Schiedsgericht in Den Haag, sein Bruder Alexander ist Product Manager bei Google in San Fransisco. Die beiden sind Anfang bzw. Mitte 30, haben hohe Studienabschlüsse in der Hand und wollen Karriere machen. Ihr Abitur haben sie zwar in Magdeburg abgelegt, doch Ostdeutschland hat nichts von ihrem Wissen und Können. Das haben die Kuscher-Söhne in die USA und die Niederlande mitgenommen. Gerne wären sie in ihrem Heimatort geblieben, aber, meint Matthias Kuscher, er sei mit seiner Qualifikation hier schlicht falsch.
Heimatverbunden und doch glücklich in der Fremde
Die Brüder versuchen dennoch so oft es geht ihre Eltern zu besuchen. Ihre Mutter hat in Magdeburg extra einen Baum für sie gepflanzt, damit sie nicht vergessen, wo ihre Wurzeln liegen. Wenn ihn jemand frage wo seine Heimat sei, sagt Alexander Kuscher, antworte er immer: 'Magdeburg'. Selbst nach sieben Jahren San Francisco. Aber zurückkommen? Magdeburg und der Osten seien ihm zwar näher als Kalifornien. Aber Dinge tun, die Milliarden Menschen berühren, das könne er nur bei Google in Kalifornien, so Alexander. Und so hat Ostdeutschland zwei schlaue Köpfe mehr verloren.
720 Millionen Verlust
Eine Studie des ifo Institutes in Dresden aus dem Jahr 2013 belegt das Phänomen "Brain Drain" in Zahlen. Die Studie untersucht den Zusammenhang von Bildungsinvestitionen und Abwanderung am Beispiel Sachsen für das Jahr 2008. Allein in diesem Jahr habe das Bundesland rund 720 Millionen Euro an die anderen Bundesländer verloren. Pro abgewanderte Person sind das laut Studie 68.040 Euro. Geld, dass das Bundesland in die Ausbildung der Person investiert hat und das es nun verliert. Die größten Profiteure sind Bayern mit 319 Millionen Euro und Baden-Württemberg mit 194 Millionen Euro. Geld, vor allem aber Wissen und Können, das nun in Sachsen fehlt.
Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV: Wer bezahlt den Osten? | 12.02. & 19.02. & 26.02.2019 | 22:05 Uhr