Die Macherin Ingrid Weinhold: "Man hätte vieles sanieren können"

24. Februar 2020, 12:43 Uhr

Ingrid Weinhold will nach der Wiedervereinigung einen Teil ihres ehemaligen Betriebes von der Treuhand kaufen. Sie bekommt ihn auch. Allerdings nicht für die symbolische 1 D-Mark. Sie muss 1,2 Millionen zahlen.

Hier existierte eine Struktur

Ingrid Weinhold ist Anfang 30 als sie erlebt, wie die Wirtschaft in ihrer Heimat krachen geht. Damals arbeitet sie als Ingenieurin im VEB Fotochemisches Kombinat Wolfen. Der Betrieb prägt die Region, ist Arbeitgeber für rund 15.000 Menschen. Mit der Wende ist das vorbei. Wie die meisten, erhält auch Ingrid Weinhold die Kündigung. Zusammen mit ehemaligen Kollegen will sie daraufhin einen Teil des früheren Kombinats von der Treuhand abkaufen, ein eigenes Unternehmen gründen und Präzisionsmaschinen für verschiedene Industriezweige herstellen. "Hier existierte eine Struktur", sagt Ingrid Weinhold. Es sei etwas hergestellt worden. Natürlich habe man modernisieren und sich betriebswirtschaftliche Kenntnisse aneignen müssen. Aber man habe ja lernen wollen.

1,2 Millionen an die Treuhand

Doch während Ingrid Weinhold miterlebt, wie westdeutsche Unternehmen Betriebe von der Treuhand für 1 DM abkaufen und dafür Zuschüsse in Millionenhöhe kassieren, muss sie für den Betriebsteil, den sie aufbauen will, 1,2 Millionen DM an die Treuhand bezahlen. Das schlimmste sei gewesen, dass kein Vertrauen da war, erinnert sich Ingrid Weinhold. Die aus dem Osten, hätten  keine Ahnung, hieß es. Am Anfang sei sogar mal einer aus den alten Ländern gekommen und habe ihr erklärt wie man schweißen müsse. Doch Frau Weinhold gibt trotz hoher Kosten und fehlender Zuschüsse nicht auf. Sie gründet die MABA Spezialmaschinen GmbH. 1992 startet die Firma mit 16 Mitarbeitern, mittlerweile sind es fast 60.

Arbeitsplätze und Gewerbesteuer

Ingrid Weinhold sichert mit ihrer Firma nicht nur Arbeitsplätze in der Region und tätigt Investitionen, sie bezahlt hier auch ihre Gewerbesteuer. Daran mangelt es dem Osten. Denn die zur Wende zusammengebrochene Wirtschaft erholt sich nur langsam. Es gibt zwar einige Werke großer Firmen in den neuen Bundesländern, doch deren Hauptsitz liegt meist in Westdeutschland. Die Gewerbesteuern bleiben damit in Ostdeutschland aus. So wurden fast 90 Prozent des deutschlandweiten Gewerbesteueraufkommens zwischen 1991 und 2015 in Westdeutschland eingenommen. 1991 waren das 287 Euro pro Einwohner. In Ostdeutschland liegt der Wert im selben Jahr bei 15 Euro. Auch heute sind in der Top 5 der Landkreise mit dem geringsten Gewerbesteueraufkommen vier aus Ostdeutschland.

 

Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV: Wer bezahlt den Osten? | 12.02. & 19.02. & 26.02.2019 | 22:05 Uhr