Nationalsozialismus Die Geschichte des KZ Buchenwald
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17. Januar 2023, 11:09 Uhr
Nur wenige Kilometer trennen Weimar - die Stadt der "Dichter und Denker" - von dem einstigen Konzentrationslager auf dem nahe gelegenen Ettersberg. Es wurde zu einem grausamen Gegenbild der Klassikerstadt und später zum Symbolort der DDR mit ihrer antifaschistischen Gründungsdoktrin.
Am 15. Juli 1937 trafen die ersten Häftlinge auf dem Ettersberg ein. Unter Aufsicht der SS mussten sie den Wald roden und das Konzentrationslager aufbauen. In Buchenwald wurden Regimegegner, Vorbestrafte, Nichtsesshafte, Homosexuelle, Sinti und Roma und schließlich zahlreiche Juden interniert. Die größte Gruppe bildeten die politischen Häftlinge. Mit Beginn des Krieges kamen Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus den besetzten Ländern hinzu.
Der Name des Lagers
Um den Namen des Konzentrationslagers gab es zunächst Streit. Die Bezeichnung Ettersberg lehnte die Weimarer NS-Kulturgemeinde ab, da diese doch zu sehr mit der von den Nazis für sich reklamierten Weimarer Klassik mit Goethe und Schiller verbunden war. Eine Benennung nach einer kleineren Ortschaft in der Gegend lehnte wiederum die SS ab, da sie dann eine geringere Besoldung erhalten hätte.
Schließlich wurde das KZ auf Weisung von SS-Reichsführer Himmler "K.L. Buchenwald/Post Weimar" genannt und unter diesem Namen auch im Telefonbuch eingetragen.
"Des Häftlings letzte Pflicht war der Tod"
Zwischen 1943 und 1945 stieg die Zahl der dauerhaft Inhaftierten in Buchenwald von etwa 11.000 auf rund 110.000 an, da gegen Ende des Krieges auch Häftlinge aus Auschwitz oder Groß Rosen dorthin gebracht wurden. Obwohl das KZ Buchenwald nicht zur Kategorie der Vernichtungslager gehörte, wurden auch dort Häftlinge systematisch ermordet. Nur wenigen glückte die Flucht. Der Schriftsteller Jean Amery schrieb später: "Des Häftlings letzte Pflicht war der Tod." In den Jahren 1937 bis 1945 kamen in Buchenwald wahrscheinlich mehr als 56.000 Menschen ums Leben. Unter den Opfern war auch KPD-Chef Ernst Thälmann, der im August 1944 von SS-Männern in Buchenwald erschossen wurde.
Der Wirtschaftsfaktor Buchenwald
Ausschlaggebend für die Wahl Buchenwalds als KZ-Standort waren unter anderem die Ton- und Steinvorkommen, die die Häftlinge in den ersten Lagerjahren abbauen mussten. Zunehmend wurden sie jedoch auch zur Arbeit in der Rüstungsindustrie gezwungen. So gab es ab 1940 im Lagerbereich eine Produktionsstätte der Deutschen Ausrüstungswerke (DAW) für rund 1.500 Arbeitskräfte. 1943 wurde das Gustloff-Werk II, ein Rüstungsbetrieb mit 4.500 Häftlings-Arbeitern, eröffnet. Zudem wurden Zehntausende Häftlinge in Außenlager geschickt, um dort in Rüstungsbetrieben zu arbeiten.
Der Mythos von der Selbstbefreiung
Als sich am 11. April 1945 die US-Truppen näherten, flohen die meisten SS-Angehörigen und überließen das Lager mit seinen noch etwa 21.000 Häftlingen sich selbst. In den Tagen zuvor hatten sie Tausende auf "Todesmärsche" in andere Konzentrationslager geschickt. Die komplette Evakuierung konnten die Häftlinge verzögern. Mitglieder des Internationalen Lagerkomitees lieferten sich Schusswechsel mit den noch verbliebenen Wachmännern, sie öffneten das Lagertor und besetzten den Lagerturm. So entstand der Mythos der Selbstbefreiung.
Am Abend des 11. April trafen die ersten US-Soldaten in Buchenwald ein und fanden neben den völlig entkräfteten KZ-Insassen auch große Berge von Leichen vor. Schockiert von diesem Anblick zwangen sie am 16. April rund 1.000 Weimarer Bürger, auf den Ettersberg zu laufen, um ihnen das Ausmaß der Gräuel in ihrer direkten Nachbarschaft vor Augen zu führen.
Internierungslager in der Sowjetischen Besatzungszone
Mit dem Ende des Krieges wurde das Lager auf dem Ettersberg nicht aufgelöst. Die sowjetische Militäradministration nutzte - ähnlich wie die amerikanische Besatzungsmacht in in Dachau - das Lager zur Internierung von Nazi-Funktionären. In dem Lager sollen vornehmlich Deutsche inhaftiert werden, die die sowjetischen Sicherheitskräfte für Nationalsozialisten, Mitläufer oder Kriegsverbrecher hielten. Laut der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora handelte es sich zunächst um eine kleine Gruppe von Hauptschuldigen an den NS-Verbrechen, eine größere Anzahl ehemaliger Funktionäre. Viele Personen kamen infolge von Denunziationen, Verwechslungen und Willkür ins Lager. Doch auch Andersdenkende wurden in dem Speziallager interniert. Um das Ansehen der DDR zu schonen, wurde das Lager 1950 in einem propagandistischen Akt aufgelöst. Die Besatzungmacht trat auf den Entlassungspapieren nicht in Erscheinung. Mit der Lagerauflösung wurden etwa 2.400 Inhaftierte der DDR-Justiz übergeben und in den berüchtigten "Waldheimer Prozessen" im Schnellverfahren zu langjährigen Haft- und Todesstrafen verurteilt. Bis 1950 waren laut sowjetischen Angaben insgesamt ca. 28.500 Menschen im Speziallager untergebracht. Mehr als 7.000 Menschen verloren durch Unterernährung und Krankheiten ihr Leben. Sie wurden in Massengräbern beerdigt.
Bis zur Auflösung des Lagers Anfang der 1950er-Jahre wurde seine Existenz in der DDR nicht verschwiegen; später wurde das sowjetische Speziallager dann aber tabuisiert. Erst nach der Wende und der Öffnung sowjetischer Archive gelangten zuverlässige und detaillierte Informationen darüber an die Öffentlichkeit.
Die antifaschistische Mahn- und Gedenkstätte
Nach der Auflösung des sowjetischen Lagers machte die SED-Führung das ehemalige KZ 1958 zu einer Mahn- und Gedenkstätte. Anlass dafür war die herausragende Rolle im KZ inhaftierter Kommunisten bei der Organisation von Widerstandsgruppen und der Häftlings-Selbstverwaltung, die unter anderem noch im Frühjahr 1945 einen bewaffneten Aufstand organisierten.
Zur Legende wurde auch die Rettung des Buchenwald-Kindes, von der Bruno Apitz in seinem Roman "Nackt unter Wölfen" erzählt. Apitz war selbst war acht Jahre lang Häftling im KZ Buchenwald.
Im Mittelpunkt der Gedenkstätte standen und stehen der riesige Glockenturm sowie die berühmte Figurengruppe Fritz Cremers. Seit 1995 informiert in Buchenwald eine neue Ausstellung, die alle Opfergruppen umfasst, über das KZ. Im Sommer 1997 folgte die Einweihung eines separaten Museums über das sowjetische Lager.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Ja, Andrei Iwanowitsch | 27. März 2023 | 00:00 Uhr