Doku-Serie "Jagd auf die Mafia" Wie die 'Ndrangheta nach Thüringen kam
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30. Januar 2025, 05:00 Uhr
Das Netz der italienischen Mafia-Organisation 'Ndrangheta reicht vom süditalienischen Kalabrien bis nach Thüringen. Eine neue ARD-Doku-Serie begibt sich gemeinsam mit Ermittlern aus Deutschland und Italien auf die weitreichenden Spuren der kriminellen Vereinigung.
In den frühen Morgenstunden des 3. Mai 2023 schlagen die Ermittler zu: Kriminalbeamte durchsuchen Wohn- und Geschäftsräume unter anderem in Erfurt, dort wird ein Mann festgenommen. Der Verdächtige ist in Thüringens Hauptstadt seit vielen Jahren als Gastronom tätig. Aber nicht nur als das. Er ist auch Teil der Mafia-Gruppierung 'Ndrangheta.
'Ndrangheta: Drogenhandel, Geldwäsche, Waffengeschäfte
Die dreiteilige und vom MDR coproduzierte Doku-Serie "Jagd auf die Mafia" begibt sich gemeinsam mit Ermittlern in Italien und Deutschland auf die Spuren der 'Ndrangheta. Ihr werden Drogenhandel, Geldwäsche, Waffenhandel und andere Straftaten wie Korruption, Betrug und Steuerhinterziehung vorgeworfen.
Wer oder was ist die 'Ndrangheta? Die 'Ndrangheta ist nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes eine der relevantesten Mafia-Gruppierungen mit einer dominanten Stellung auf dem europäischen Kokainmarkt. Ihre Wurzeln liegen im italienischen Kalabrien, im Ort San Luca, die Mafia ist aber auch in Deutschland aktiv.
"Eureka": groß angelegte Anti-Mafia-Organisation
Die internationale Anti-Mafia-Operation "Eureka", bei der auch der Erfurter Gastronom ins Visier der Ermittler geraten ist, war nach Angaben des LKA eines der größten und bedeutendsten Verfahren gegen die organisierte Kriminalität in Italien der jüngeren Vergangenheit.
Über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren ermittelten deutsche, belgische und italienische Behörden in enger Zusammenarbeit mit den europäischen Behörden Eurojust und Europol gegen die 'Ndrangheta.
Europaweit werden im Mai 2023 Razzien unter anderem in Italien, Portugal, Belgien, Frankreich, Slowenien und Rumänien durchgeführt. Das Netzwerk der Tatverdächtigen soll bis nach Argentinien, Brasilien, Panama und Australien reichen. Ingsgesamt werden weit mehr als 100 Menschen festgenommen.
In Deutschland sind die Ermittler besonders in Nordrhein-Westfalen dem Verdacht eines weit verzweigtes Geldwäsche-System von Restaurants, Pizzerien, Cafés und Eisdielen nachgegangen.
Was wird der 'Ndrangheta vorgeworfen? Mehrere 'Ndrangheta-Clans sollen große Mengen Kokain aus Südamerika nach Europa geschmuggelt haben. Laut den Ermittlungserkenntnissen sollen sie dafür mit dem Primeiro Comando da Capital in Brasilien, mit dem Clan del Golfo in Kolumbien sowie einer albanisch-stämmigen Gruppierung in Ecuador zusammengearbeitet haben. Um die illegalen Einnahmen zu waschen, sollen die Verdächtigen ein weltweites Geldwäsche-Netzwerk aufgebaut haben. Sie sollen demnach große Summen unter anderem in Restaurants, Immobilien und Autowaschanlagen investiert haben, insbesondere in Deutschland, Portugal, Belgien und Argentinien.
Wie kam die 'Ndrangheta nach Deutschland?
Die Verstrickungen der italienischen Mafia nach Deutschland beginnen mit der Anwerbung der damals sogenannten "Gastarbeiter" in den 1950er und 60er Jahren. "In diesem Zug sind natürlich auch schwarze Schafe gekommen, 'Ndrangheta-Mitglieder", sagt der leitende Ermittler des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen, Oliver Huth.
Seitdem ist die Organisation in ganz Deutschland präsent, vor allem aber in den industriellen Zentren: im Ruhrgebiet, im Raum Stuttgart und München. Seit der Wende sind auch Thüringen und Sachsen Mafia-Hochburgen.
Seit wann agiert die italienische Mafia in Thüringen?
Mit dem Fall der Mauer kommt die 'Ndrangheta also auch in die neuen Bundesländer. Das hatte vor allem wirtschaftliche Gründe, sagt Oliver Huth. "Nach der Öffnung der Grenzen hat sich für die 'Ndrangheta ein ganz neuer Wirtschaftsraum erschlossen. Ein Wirtschaftsraum, der unterentwickelt war" und außerdem eine öffentliche Verwaltung, "die mit dem Thema Mafia nichts am Hut hatte", sagt er.
Beste Voraussetzung, die die 'Ndrangheta zum Beispiel in Erfurt findet – einer pittoresken Stadt, mit damals noch viel Gestaltungsspielraum. Und so eröffnet die Organisation mitten in der Innenstadt ein Restaurant.
Bürgermeister zu dieser Zeit war Manfred Ruge. Wer damals in seine Stadt investiert habe, sei ihm egal gewesen: "Hauptsache, es kam ordentliche Gastronomie in die Stadt", für die man sich nicht habe schämen müssen, sagt er. Und weiter: "Alles, was dort gemacht worden war, ist ja ordentlich gemacht worden."
Kronzeuge: "Es ist die Familie, die dich zum 'Ndranghetisten macht"
In der Doku-Serie "Jagd auf die Mafia" kommen nicht nur Ermittlerinnen und Ermittler aus Deutschland und Italien zu Wort, sondern auch, noch stets vermummt vor der Kamera, der Kronzeuge im Verfahren – ein einstiges 'Ndrangheta-Mitglied, das sich aus den Fesseln seiner eigenen Familie zu befreien versucht.
"Es ist die Familie, die dich zum 'Ndranghetisten macht", sagt Luigi Bonaventura, der 1971 geboren ist – in eine 'Ndrangheta-Familie hinein. "Eine alteingesessene Familie, namens Vrenna Bonaventura. Das Oberhaupt war Luigi Vrenna, bekannt als 'U Zirru'. Er war mein Opa. Er war eine Legende", sagt Bonaventura. Um seine Frau und Kinder zu schützen, bricht er mit der kriminellen Familie und arbeitet fortan mit den ermittelnden Behörden zusammen.
Mehr dazu erfahren Sie in der Doku "Jagd auf die Mafia" – jetzt in der ARD-Mediathek.
Dieses Thema im Programm: Das Erste | Jagd auf die Mafia | 03. Februar 2025 | 22:50 Uhr