Greif zur Feder, Kumpel! "Rummelplatz" - Werner Bräunigs großer Wismut-Roman
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26. Januar 2022, 12:29 Uhr
Werner Bräunig (1934-1976) erfand den Aufruf "Greif zur Feder, Kumpel". Doch mit seinem "Wismut"-Roman "Rummelplatz" fiel er in der DDR in Ungnade. 2007, mehr als 30 Jahre nach seinem Tod, sorgte sein Werk für Furore.
Im April 1959 veranstaltet der "Mitteldeutsche Verlag" im "Chemiekombinat Bitterfeld" eine Autorenkonferenz. Auf Geheiß von SED-Chef Walter Ulbricht werden die Schriftsteller aufgefordert, in ihren Büchern den Arbeitsalltag in den Fabriken zu beschreiben. Doch auch die Arbeiter selbst sollten "schöpferisch tätig" werden und die "Höhen der Kultur" stürmen. Es ist die Geburtsstunde des "Bitterfelder Weges". Den Aufruf verfasste der Schriftsteller Werner Bräunig.
"Im sozialistischen Staat werden die schöpferischen Kräfte des Volkes, die unter den Bedingungen der kapitalistischen Ausbeutung verkümmern mussten, gepflegt und gefördert", schrieb Bräunig.
Greif zur Feder, Kumpel! Und lass Dich's nicht verdrießen, wenn sich das lebendige Wort dir nicht sofort fügen will.
Vorzeigekünstler
Werner Bräunig, der am 12. Mai 1934 in Chemnitz geboren wurde, ist selbst ein schreibender Arbeiter gewesen. Als er Anfang der fünfziger Jahre in Schneeberg bei der "Wismut" als Bergmann arbeitete, begann er zu schreiben – Gedichte und Erzählungen, die in Tageszeitungen und Literaturzeitschriften erschienen. Später ist er von seinem Betrieb ans Leipziger "Literaturinstitut" delegiert worden und der Mitteldeutsche Verlag in Halle veröffentlichte seine Erzählungen. Nach der "Bitterfelder Konferenz" wurde er zu einem Vorzeige-Schriftsteller der SED: Er trat im Fernsehen auf und das "Neue Deutschland" berichtete über ihn.
"Rummelplatz" - in der DDR verboten
1961 beginnt Bräunig mit der Arbeit an einem groß angelegten Roman: "Rummelplatz". Er ist in der "Wismut" angesiedelt, wo unter sowjetischer Aufsicht Uranerz abgebaut wird. Bräunig hat sich zum Ziel gesetzt, ungeschminkt und realistisch vom Alltag der Bergleute zu berichten. Vier Jahre später ist der Roman fertig. Sein Umfang: knapp 700 Seiten. Bräunig betrachtet ihn als sein Lebenswerk. Wenig später druckt die "Neue deutsche Literatur" ein Kapitel aus "Rummelplatz".
Honecker erkennt in "Rummelplatz" "schädliche Tendenzen"
Sofort bricht ein Sturm der Entrüstung los: Bräunig habe die Arbeiterklasse und die sowjetischen Genossen verunglimpft, heißt es. Und auf dem 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965 prangert Erich Honecker "schädliche Tendenzen und Auffassungen" unter den Künstlern an. Namentlich nennt er Stefan Heym, Heiner Müller, Wolf Biermann und Werner Bräunig.
Verbot und Resignation
Bräunig versucht verzweifelt, seinen Roman zu retten – er schreibt um und streicht ganze Passagen. Doch es nützt alles nichts: "Rummelplatz" darf nicht erscheinen. Das Verbot seines Romans kann Bräunig nicht verwinden, zunehmend verfällt er dem Alkohol. Er stirbt am 14. August 1976, 42-jährig.
2007, mehr als vierzig Jahre nach seiner Fertigstellung, veröffentlicht der "Aufbau Verlag" Werner Bräunigs "Rummelplatz". Der Erfolg ist überwältigend. Monatelang hält sich der Roman auf der Bestsellerliste des "SPIEGEL" und die Kritiker feiern ihn als "literarische Sensation".