Diese Auswirkungen hatte der "Bitterfelder Weg" für DDR-Kultur
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29. November 2021, 14:00 Uhr
Das Dichten an der Werkbank wurde in der DDR von der Staatspartei SED gefördert und propagiert. Mit den Bitterfelder Konferenzen von 1959 und 1964 versuchte die Partei, Literatur und Produktion einander näher zu bringen. Literatur, Arbeitsprozess und öffentliches Leben sollten sich verbinden.
Unter dem Motto "Greif zur Feder, Kumpel, die sozialistische Nationalkultur braucht dich!" fand am 24. April 1959 im Kulturhaus des Chemiekombinats Bitterfeld die erste von zwei Autorenkonferenzen des Mitteldeutschen Verlages statt. Auf Geheiß von SED-Chef Walter Ulbricht wurden die Schriftsteller aufgefordert, in ihren Büchern den Arbeitsalltag in den Fabriken zu beschreiben. Doch auch die Arbeiter selbst sollten "schöpferisch tätig" werden und die "Höhen der Kultur" stürmen. Es war die Geburtsstunde des sogenannten "Bitterfelder Weges". Den Aufruf dazu verfasste der Schriftsteller Werner Bräunig.
Greif zur Feder, Kumpel! Und lass Dich's nicht verdrießen, wenn sich das lebendige Wort dir nicht sofort fügen will.
Beschlossen wurde, dass Künstler in die Produktion gehen und Arbeiter bei künstlerischen Bemühungen anleiten. Etliche Autorinnen und Autoren folgten dieser Aufforderung begeistert, denn auch sie erhofften sich davon neuen Stoff für ihr literarisches Schaffen. Christa Wolf inspirierte ihre Zeit beim "VEB Waggonbau Ammendorf" zum Roman "Der geteilte Himmel", Franz Fühmann schrieb seinen Reportage-Roman über die Warnow-Werft "Kabelkran und Blauer Peter" und Brigitte Reimann, die im Kombinat Schwarze Pumpe einen "Zirkel schreibender Arbeiter" leitete, verarbeitete ihre Erlebnisse im Roman "Ankunft im Alltag".
Künstlerisches Volksschaffen
Von der "Bitterfelder Konferenz" gingen wichtige Impulse für das "künstlerische Volksschaffen" aus. In den Betrieben, in Stadtteilen und an Schulen bildeten sich Hunderte von Schriftstellerzirkeln, angeleitet von mehr oder weniger namhaften Autoren. Die Regale der Buchhandlungen füllten sich mit zahlreichen Anthologien mit Arbeiter-Literatur.
Doch an die Arbeiterliteratur wurden Aufgaben gestellt, die sie meist nicht zu leisten imstande war. Die Bewegung - von vielen belächelt, von vielen aber auch mit Freude getragen - versandete. Immerhin aber hatten sich auf der zweiten Bitterfelder Konferenz (24./25. April 1964) auch junge Autoren wie Wolf Biermann und Armin Müller dem Publikum präsentieren können.
"Bitterfelder Weg" versandet
1965 wurde der "Bitterfelder Weg" de facto aufgegeben, zumal er noch einen unliebsamen Nebeneffekt hatte, wie Christa Wolf 1990 rückblickend beschrieb: "Und als klar wurde, dass die Verbindung der Künstler mit den Betrieben dazu führte, dass sie realistisch sahen, was dort los war, dass sie Freundschaften mit Arbeitern, mit Betriebsleitern, mit Leuten anderer Berufe knüpften und dass sie Bescheid zu wissen begannen auch über die ökonomische Realität in diesem Land: Da, genau an diesem Punkt, wurde die Bitterfelder Konferenz, wurden die Möglichkeiten, die sie uns eröffnet hatte, ganz rigoros beschnitten. Damit wurde also die Möglichkeit zur Einmischung durch Kunst, die wir vehement ergriffen hatten und die wir gar nicht so schlecht fanden, gekippt".