Spionage und Sabotage Angst bei der Wismut
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26. Januar 2022, 11:39 Uhr
Sie war das wichtigste Bergbauunternehmen für Uran - nicht nur in der DDR, sondern im gesamten Ostblock: Die Wismut AG. Kurz nach dem Krieg machte die UdSSR ein großes Geheimnis um das Uranvorkommen im Erzgebirge.
Sie war das wichtigste Bergbauunternehmen für Uran - nicht nur in der DDR, sondern im gesamten Ostblock: Die Wismut AG. Am Anfang hatte die Sowjetunion die alleinige Kontrolle über die Aktiengesellschaft. Erst ab dem 1. Januar 1954 gab es eine sowjetisch-deutsche Partnerschaft. Das Sagen aber hatte nach wie vor die Sowjetunion. Denn immerhin war das Uran aus dem Erzgebirge entscheidend, um das Wettrüsten gegen die USA im Kalten Krieg zu gewinnen.
Uran aus dem Erzgebirge
Gerade kurz nach dem Krieg machte die UdSSR ein großes Geheimnis um die Uranquelle aus dem Erzgebirge. In Freital und Umgebung arbeiten Anfang der 50er-Jahre Hunderte an der Herstellung des gefährlichen Endprodukts für den Atomwaffenbau: Angestellte, Arbeiter und Ingenieure aus der ganzen DDR.
Wismut: Tummelplatz der Spione
Spionage, Schmuggel, Sabotage: Die Sowjets witterten aufgrund der großen Bedeutung des Urans für den Bau der Atombombe schnell Verrat – und ahndeten ihn gnadenlos. Dabei waren es gerade die Bergleute aus der DDR, die schnell verdächtigt wurden. Der Besitz einer Zeitschrift aus dem Westen konnte schon ausreichen, jemanden in Misskredit zu bringen.
Auf der anderen Seite war es für manchen Beschäftigten der Wismut durchaus verlockend, geschmuggeltes Uran in Westberlin an ausländische Geheimdienste zu verkaufen. Der Westen hatte nämlich tatsächlich ein gesteigertes Interesse an allem, was bei der Wismut vor sich ging. Und nicht zu vergessen - der Westen zahlte gut. Wer tatsächlich das Risiko einging und meist über West-Berlin den Kontakt zu westlichen Geheimdiensten suchte, konnte in der von Not geprägten Nachkriegszeit gute Geschäfte machen.
Harte Strafen im sowjetischen Untersuchungsgefängnis
Doch wer erst einmal im Verdacht stand, Verräter zu sein, dem drohten drakonische Strafen – bis hin zur Todesstrafe.
Dabei war es oft egal, ob die Vorwürfe zutrafen oder nicht. Oft kamen Beschuldigte in die sowjetischen Untersuchungsgefängnisse in Chemnitz-Kassberg oder Potsdam-Leistikowstraße. Allein in Potsdam waren bis Mitte der 50er-Jahre, so schätzt man, weit mehr als eintausend Männer, Frauen und Jugendliche inhaftiert. Heute befindet sich dort eine Gedenkstätte. Bei ihren Recherchen hat die Leiterin der Gedenkstätte, Ines Reich, unterschiedlichste Erfahrungen gemacht:
Also, man muss mal überlegen, dass man für eine Uranprobe in West-Berlin 1000 DM, also West-Mark bekommen hat. Und das in einer Zeit, in der es in der DDR eine hohe Arbeitslosigkeit gab und die Kriegsfolgen noch da waren. Es herrschte einfach Not, und natürlich spielten auch die westalliierten Geheimdienste mit dieser Not und honorierten (gut). [Wir haben] aufgrund der langjährigen Erfahrung eben sowohl als auch in alle Richtungen unterschiedliche Schicksalswege nachgezeichnet.
Unterschiedliche Schicksalswege – anders formuliert: längst nicht jeder, dem Sabotage oder Spionage vorgeworfen wurde, hatte sich auch etwas zuschulden kommen lassen. Für die Sowjets waren nicht nur Uranschmuggel oder Sprengstoffdiebstahl ein Fall von Sabotage – auch ein normaler Kabelbrand konnte als Sabotage ausgelegt werden. Oft ging es schlicht darum, politische Gegner auszuschalten. Aber auch Alltagsdelikte wie kleinere Diebstähle durch Wismut-Kumpel konnten schlimme Folgen haben: So waren erpresste Spionagegeständnisse keine Seltenheit. Historiker gehen davon aus, dass die meisten der Beschuldigten den Kontakt zu ausländischen Geheimdiensten nur erfunden oder ihn unter Druck "gestanden" haben.
Ein Klima der Angst: Die Sowjetischen Militärtribunale
Das harte Regiment der Sowjets und das daraus resultierende Klima der Angst dienten auch der Abschreckung. Man wusste: Wer erst einmal unter Spionageverdacht stand, der musste sich vor einem Militärtribunal verantworten.
Diese Tribunale waren in der Sowjetischen Besatzungszone ursprünglich eingerichtet worden, um über Kriegsverbrecher und führende Mitglieder der nationalsozialistischen Bewegung zu richten. Bis 1948 hatten die Sowjets einen Großteil dieser Prozesse abgeschlossen, doch die Militärtribunale blieben bestehen. Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit waren nun Fälle nach dem § 58 des sowjetischen Strafgesetzbuches. Er ahndete "anti-sowjetische Tätigkeiten" und Hochverrat. Ein Gummi-Paragraph, mit dessen Hilfe politische Gegner verfolgt werden konnten – auch bei der Wismut.
Kurzer Prozess – hartes Urteil
Ein Prozess vor einem Militärtribunal ist nicht mit einem Prozess in einem Rechtsstaat zu vergleichen. Ein dreiviertel Jahr saßen die Angeklagten in Untersuchungshaft, oft ohne zu wissen, was um sie herum geschah. Am Ende wurde der Prozess selbst in einem Schnellverfahren in zwei Tagen verhandelt.
Entlastungszeugen waren nicht zugelassen und in den seltensten Fällen war ein Verteidiger anwesend. Meistens stand das Urteil schon vor der Verhandlung fest. Sabotage galt als schweres Delikt, das hart bestraft wurde: Als Strafe drohten zwischen 20 und 25 Jahre Freiheitsentzug oder Arbeitslager. Auch Todesurteile wurde verhängt und vollstreckt: Alleine im Zusammenhang mit der Wismut wurden mehr als 80 Deutsche in Moskau erschossen. Ihre Familienangehörigen wussten nichts von dem Schicksal ihres Sohnes oder ihrer Tochter.
70.000 Urteile von sowjetischen Militärtribunalen
Die Historiker Andreas Hilger und Mike Schmeitzner gehen davon aus, dass zwischen 1941 und 1955 insgesamt rund 70.000 Deutsche von sowjetischen Militärtribunalen verurteilt wurden: wegen Kriegsverbrechen, aber auch aus politischen Gründen. Diese Urteile seien meist im Zusammenhang mit dem Aufbau des kommunistischen Besatzungsregimes zu sehen. Sie gehen davon aus, dass rund Hälfte der Verurteilungen zwischen Kriegsende und 1955 aus politischen Gründen stattfanden – also nicht wegen Kriegs- und Gewaltverbrechen. Die anderen 30.000 bis 35.000 Verurteilungen betrafen laut Andreas Hilger und Mike Schmeitzner im weiteren Sinne deutsche Kriegsgefangene. Von den verurteilten Zivilisten lassen sich bislang 25.292 Fälle (72,3 %) konkret dokumentieren.
Weiterführende Literatur:
"Sowjetische Militärtribunale. Band 2: Die Verurteilung deutscher Zivilisten 1945-1955/57"
Hrsg. v. Hilger, Andreas; Schmidt, Ute; Schmeitzner, Mike, Böhlau Verlag Köln, Köln, 2003
Erschossen in Moskau ...
Die deutschen Opfer des Stalinismus auf dem Moskauer Friedhof Donskoje 1950-1953
hrsg. v. Arsenij Roginskij, Frank Drauschke und Anna Kaminsky 3. vollständig überarbeitete Auflage Metropol Verlag, Berlin 2008 ISBN 978-3-938690-14-7