Damals und heute Ronneburg und die Wismut
Hauptinhalt
29. April 2011, 11:54 Uhr
Bis 1990 wurde rund um Ronneburg von der "Wismut" Uran abgebaut. Weithin sichtbares Zeichen waren vier riesige Abraumhalden. 2004 begann man damit, sie in einem Tagebaurestloch verschwinden zu lassen.
Sie waren das Wahrzeichen der Region, der Volksmund nannte sie die "Pyramiden von Ronneburg". Jahrzehntelang bestimmten sie das Landschaftsbild: Vier über einhundert Meter hoch aufragende Spitzkegel. Für die Einwohner Ronneburgs und der umliegenden Gemeinden gehörten sie einfach dazu: "Wenn ich die Kegel gesehen habe, wusste ich, dass ich wieder zuhause bin", sagte eine Frau aus Ronneburg vor einigen Jahren. "Wenn sie mal verschwinden sollten, würde etwas fehlen."
Die "Pyramiden" werden abgetragen
Und die meisten Anwohner hätten sie auch gern weiterhin vor ihrer Haustür gesehen. Doch 1991 wurde beschlossen, die "Pyramiden" abzutragen und in einem fünf Kilometer entfernten Tagebaurestloch zu entsorgen. Denn die Kegel waren keiner Laune der Natur entsprungen, sondern bestanden aus dem Gestein, das bei der Urangewinnung übriggeblieben war: Von 1946 bis 1990 nämlich hatte die sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft "Wismut" in dieser Gegend Uranerz für Kernkraftwerke und Atombomben abgebaut.
Es handelte sich also um kontaminierte Erde, angereichert zudem mit jeder Menge Schwermetallen. Den Experten des thüringischen Umweltministeriums galten die Kegel daher als höchstes Umweltrisiko: Regen könnte die Schwermetalle auswaschen und ins Grundwasser gelangen lassen und Wind gefährliche Staubpartikel in der Gegend verstreuen. Darüber hinaus hatten die Experten ihre Zweifel an der Standfestigkeit der "Pyramiden".
Ein gigantisches Projekt
Im Herbst 2004 wurde das in jeder Beziehung gigantische Projekt schließlich in Angriff genommen. Die "Pyramiden" sollten - gemeinsam mit acht weiteren Abraumhalden aus der Umgebung - im 1,6 Kilometer langen, 900 Meter breiten und 240 Meter tiefen Tagebaurestloch Lichtenberg verschwinden. Die Kosten sollten sich auf insgesamt 6,3 Milliarden Euro belaufen.
Der Einbau der "Pyramiden" erfolgte in Abhängigkeit vom Schadstoffgehalt - das am schwersten belastete Material kam dabei unterhalb des Grundwasserspiegels zur Einlagerung. Die Kosten für dieses weltweit einzigartige Sanierungsprojekt im Bergbau und Umweltschutz beliefen sich nach Schätzungen auf sechs bis acht Milliarden Euro. Tag für Tag war die größte Kipperflotte Europas nun 16 Stunden lang im Einsatz, um die insgesamt etwa 14 Millionen Kubikmeter Gestein der "Pyramiden" abzutransportieren. Jeder Kipper mit einem Reifendurchmesser von 3,50 Metern hatte ein Fassungsvermögen von 136 Tonnen - das entspricht in etwa dem eines Einfamilienhauses. Dementsprechend war auch der Treibstoffverbrauch der Abraumflotte: pro Tag 40.000 Liter Diesel.
Kritiker sprachen sich gegen Abbau aus
Es gab auch zahlreiche Kritiker des Großvorhabens. Sie führten ins Feld, dass sich unter den Kegeln stark abdichtende Lehmmassen befänden, die ein Eindringen von Schwermetallen in das Grundwasser verhinderten und ein Abtragen durch Wind kaum möglich sei. Die Halden seien zudem dicht bewachsen und damit ein einzigartiges Biotop. Sie vermuteten daher, es handele sich lediglich um eine "besondere Arbeitsbeschaffungsmaßnahme".
Blühende Landschaften
Drei Jahre später waren die "Pyramiden von Ronneburg" aus der Landschaft verschwunden. Aus dem einstmals größten Tagebaurestloch Europas in Lichtenberg war eine knapp 70 Meter hohe Hügelkette entstanden, die jetzt an die "Pyramiden" erinnerte. Das gesamte Gelände wurde für die Bundesgartenschau 2007 hergerichtet. Die einstmalige Mondlandschaft hatte sich in eine spektakuläre blühende Landschaft verwandelt mit Mammutbäumen, Kaukasus-Tannen und japanischen Kirschmandelbäumen. Besorgte Besucher der Bundesgartenschau, die fragten, ob sie auf dem Gelände erhöhten Strahlenwerten ausgesetzt sein würden, konnte das Darmstädter Ökoinstitut beruhigen: "Die Strahlung ist dort nicht höher als in weiten Bereichen Deutschlands aufgrund des natürlichen Urangehalts im Boden."
Ronneburger Realitäten
Dem von der "Wismut" in 40 Jahren Uranbergbau geschundenen "grauen Ronneburg", dessen mittelalterlicher Stadtkern nach 1990 liebevoll restauriert wurde, nützen die "blühenden Landschaften" ringsum bisher wenig: "Nur noch 5.800 Einwohner, weit mehr als 20 Prozent Arbeitslose und knapp 35 Prozent Rentner. Das sind heute die Ronneburger Realitäten", fassten zwei Journalisten des Deutschlandradio vor ein paar Jahren mitleidlos zusammen. Und daran hat sich bis heute nicht viel geändert.
(Quellen: Lutz Geisler, Wismut-Sanierung Ronneburg, www.geoberg.de; Ernst-Ludwig von Aster, Anja Schrum, Die Pyramiden von Ronneburg, Deutschlandradio 2004; Ulrike Grein, Uran und blühende Landschaften, Deutschlandradio 2006.)