Langlebigkeit garantiert DDR-Haushaltsgeräte: Per Gesetz unkaputtbar
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24. November 2021, 11:53 Uhr
Kennen Sie das? Kurz nach Ablauf der Garantie ist das Elektrogerät plötzlich kaputt. Das war doch früher nicht so! DDR-Kühlschränke oder Waschmaschinen funktionieren zum Teil bis heute. Warum eigentlich? Eine Spurensuche.
Elektrogeräte aus der DDR funktionieren teilweise noch heute tadellos. So wie der alte Gefrierschrank von Dietmar Götzmann. Sein neuer Gefrierschrank ist dagegen gerade mal ein halbes Jahr alt und bereits kaputt. Das Gerät kühlt nicht richtig. Wasser tritt aus. Fünf Grad plus misst das Thermometer. Tauwetter im Tiefkühler. Zum Glück hat Götzmann noch seinen alten Kühlschrank, gekauft 1982 per Ehekredit. Das ist Qualitätsware aus der Mangelwirtschaft.
Kühlschrank nach DDR-Vorschrift
Doch warum hält der alte DDR-Kühlschrank mehr als 30 Jahre länger als der moderne? Zufall? Waren die Geräte früher besser konstruiert? Die Antwort auf die Frage findet sich in der Bibliothek der Bauhaus-Universität Weimar. Hier sind die DDR-Vorschriften für technische Geräte archiviert.
In einem Datenblatt geht es um Zuverlässigkeit von Elektrogeräten. Eine wichtige Maßgabe in der DDR-Produktion, erklärt Prof. Markus Krajewski. Er hat zum Thema Langlebigkeit von Konsumgütern geforscht. Der Professor hält das Schreiben in der Hand und erklärt:
Wir haben hier eine ganze Menge von Parametern aufgelistet, die bestimmen sollen, wie ein Gerät eingestuft werden kann. Also, wie man berechnen kann, wie lange es hält.
Diese Berechnung der Haltbarkeit war Teil der Technischen Normen, Gütevorschriften und Lieferbedingungen der DDR, kurz TGL. Im Unterschied zu den heutigen DIN-Normen waren diese Vorschriften verbindlich. "Was hier in diesen TGLs steht, hat Gesetzeskraft. Das heißt, der Staat schreibt vor, wie lange Geräte zu halten haben. Das ist eine Vorgabe, an der sich die industriellen Produktionsstätten orientieren müssen. Sie müssen also so entwerfen und herstellen, dass sie die vorgeschriebene Lebensdauer von vielleicht zehn Jahren einhalten können", so Krajewski.
Die Umsetzung der Normen und Regulierungen
Wie so vieles wurde eben auch die Lebensdauer von Kühlschränken vom Staat reguliert. Doch wie wurden die staatlichen Vorgaben umgesetzt? Die Suche führt nach Scharfenstein im Erzgebirge. Dort, wo auch der alte Kühlschrank von Herrn Götzmann konstruiert wurde.
Heute haben die ehemaligen Arbeiter vom VEB DKK Scharfenstein hier ein Museum für Kältetechnik ins Leben gerufen. Dieter Rochhausen ist einer der damaligen Ingenieure für Kältetechnik und war für die Zuverlässigkeit und Lebensdauer von Kühlgeräten zuständig. Er erklärt, wie die staatlichen Vorgaben umgesetzt wurden:
Für sogenannte hochwertige Konsumgüter musste eine entsprechende Lebensdauer nachgewiesen werden. Und die war für Haushaltskühlgeräte und Kompressoren zehn Jahre und wurde dann weiter verschärft auf zwölf Jahre. Und die Ausfallquote wurde auch definiert. Die durfte maximal ein Prozent betragen.
Langlebigkeit verordnet per Gesetz wird zum Problem
Tatsächlich waren die Scharfensteiner Kühlschränke europaweit für ihre Zuverlässigkeit bekannt. Eines dieser Produkte, auf das Rochhausen und seine Kollegen besonders stolz sind, ist der Kristall 140: "Das ist ein Gerät von 1964 und der läuft auch heute noch. Ein sehr gutes Produkt mit einer sehr hohen Lebensdauer, was auch viel exportiert wurde. Unter anderem zu Quelle." Der Kühlschrank wurde also auch im Westen verkauft. Doch schon damals sah man dort in der Langlebigkeit ein wirtschaftliches Manko.
Dann hat man allerdings festgestellt, dass der Kühlschrank mit 12 bis 15 Jahren zu langlebig und im Grunde genommen deshalb uninteressant ist, wenn man viele verkaufen möchte. Und der lief dann nicht mehr über Quelle.
Quelle kündigte den Vertrag bereits nach kurzer Laufzeit. Die Kunden sollten lieber neu kaufen. Immer bessere Geräte, die weniger Strom verbrauchen, auch wenn so mehr Ressourcen und so letztendlich mehr Energie für die Herstellung notwendig sind - ein ökologischer Teufelskreis. Ökonomisch aber äußerst lohnend.
Im Überfluss ist es klar, dass die Lebensdauer der Geräte, der technischen Produkte knapp gehalten werden muss, damit der Kreislauf der ständigen Ersetzung in Gang bleibt. Wenn man aber aus dem Mangel heraus operiert, das heißt, man hat möglicherweise keine unendliche Fülle an Rohstoffen zur Verfügung, dann muss das Produkt selber schon so organisiert sein, so konstruiert sein, dass Austauschbarkeit gegeben ist, das heißt Reparaturen müssen zu jedem Zeitpunkt gegeben sein und das Gerät muss lange funktionieren können.
So, wie der DDR-Kühlschrank von Dietmar Götzmann, der nun die Lebensmittel aus dem neuen, bereits kaputten Tiefkühler retten muss. Nach einer Lebenszeit von einem halben Jahr wird der wohl bald auf der Müllhalde landen.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Zeitreise | 07. Februar 2021 | 22:20 Uhr