Weltrecyclingtag SERO: Mülltrennung in der DDR
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18. März 2021, 10:53 Uhr
Altstoffe sammeln gehört in der DDR vor allem für Kinder zum Alltag. Für sie bringt es zusätzliches Taschengeld, der Staat spart Devisen für Rohstoffe. Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit.
Altstoffesammeln! Vor allem für Kinder gehört das in der DDR zum Alltag. Nicht, weil sie kleine Öko-Löwen sind, sondern weil sich mit Altpapier, Flaschen, Gläsern, Lumpen, Plaste und Schrott das Taschengeld aufbessern lässt. Und auch für Solidaritätsspende und Klassenkasse kommt so das nötige Geld zusammen. Das Kinderfernsehen wirkt sanft unterstützend und zeigt mit verspieltem Puppentrick, welchen Weg der Müll nimmt, was daraus gemacht wird und wie viel Geld das Land auf diese Weise spart.
Rohstoffwiedergewinnung für ein armes Land
Geht es um Altstoffe, spricht man in der DDR nicht von Müll, sondern von Sekundärrohstoffen. Eine durchaus kluge Wortschöpfung, drückt sich in ihr doch sehr präzise aus, welchen Wert vieles von dem hat, was anderswo in den Mülltonnen landet.
Das Kombinat für Sekundärrohstofferfassung, kurz SERO, überzieht die DDR mit einem flächendeckenden Netz von Annahmestellen. Rohstoffe und Devisen sind knapp, Wiederverwertung eine Überlebensstrategie für die Volkswirtschaft. Und das Sammeln lohnt sich. Bis zu 14 Prozent der Rohstoffe, die man teuer im Ausland kaufen muss, werden durch die intensive Wiederverwertung gespart. Ein kluges Konzept, das aufgeht und nebenher, wenn auch ganz ungewollt, Ressourcen und damit die Umwelt schont.
Ein System für ganz Deutschland?
Dass das Recyclingsystem in der DDR perfekt läuft, bleibt nach der Wende auch den politischen Entscheidungsträgern im Westen nicht verborgen. Man ist auf der Suche nach einer Lösung für das wachsende Müllproblem. Recycling-Expertin Prof. Susanne Hartard bekommt im Sommer 1990 von der Bundesregierung den Auftrag, das SERO-System zu untersuchen. Noch ist nicht ausgeschlossen, dass die gesamtdeutsche Lösung SERO heißt und aus dem Osten kommt. SERO erweist sich als ausgesprochen effizient. Fast die Hälfte des Hausmülls wird in den 17.000 Annahmestellen erfasst. Und dass er dort von Hand bereits vorsortiert wird, lässt sich durch keine Technik ersetzen.
Spekulationsobjekt SERO
Auch der damalige Umweltminister Klaus Töpfer bekennt offen seine Sympathien für SERO. Das System bricht jedoch langsam zusammen. Die Lager sind überfüllt. Die Recyclingbetriebe werden inzwischen viel billiger aus dem Westen beliefert und nehmen nichts mehr ab. Immer mehr Annahmestellen müssen schließen. SERO wird von der Treuhand privatisiert und geht sogar an die Börse. Die Erfolgsstory der westdeutschen Manager beruht jedoch auf einem Kreditbetrug in dreistelliger Millionenhöhe und endet 1998 mit Anklage und Verhaftung der Geschäftsführung. Wer jedoch glaubt, SERO sei damit Geschichte, der irrt.
Auferstanden aus Ruinen …
2007 kauft der damals 30-jährige Jens Fiedler gemeinsam mit seinem Vater das SERO-Logo und alle Rechte an der Firma. Er könnte tausende Annahmestellen eröffnen, Sortieranlagen und Recycling-Betriebe betreiben. Doch noch begnügt er sich mit ein paar Hundert Quadratmetern und einem Bauwagen: seiner SERO-Annahmestelle in Oranienburg. Die Leute seien dankbar, dass es so etwas gibt, sagt Fiedler. Die bräuchten das alte Zeug nicht wegzuschmeißen und bekämen auch noch Geld bei ihm. Zwischen zwei und vier Tonnen Schrott und Papier bekommt der neue Chef von SERO jeden Tag auf seinen Platz geliefert. Und natürlich würde Jens Fiedler gern expandieren. Sein Traum ist es, das ganze alte SERO-System wieder aufleben zu lassen.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Zeitreise | 07. Februar 2021 | 22:20 Uhr