Von einem Konzert, das nie stattfand Die "Rolling Stones" zum Republikgeburtstag
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04. Januar 2016, 18:04 Uhr
Im September 1969 kündigte der RIAS eine vermeintliche Sensation an: Zum 20. Geburtstag der DDR sollten die Rolling Stones in West-Berlin ein Konzert geben. Die Fans waren elektrisiert, die Stasi auch.
Ende September 1969 kündigte der "Rundfunk im Amerikanischen Sektor", kurz RIAS, eine vermeintliche Sensation an. In der Nachmittagssendung "Treffpunkt", die bei den Jugendlichen in Ost-Berlin wegen ihres Beatmusikangebots sehr beliebt war, sagte der Moderator Kai Blömer, dass am 7. Oktober, anlässlich des 20. Jahrestags der DDR, die Rolling Stones in Westberlin ein Konzert geben werden. Um 20 Uhr auf dem Dach des "Springer"-Hochhauses. Extra für die Stones-Fans im Osten.
Die Nachricht klang für viele Stones-Fans im Osten durchaus glaubwürdig. Denn das "Springer"-Verlagshaus schien tatsächlich wie geschaffen für ein solches Konzert. Es stand direkt an der Mauer in Kreuzberg, unweit des Checkpoint Charlie. Auf der anderen Seite, in Ost-Berlin, befand sich seit dem Zweiten Weltkrieg eine große Brache, auf der Zehntausende Fans mühelos hätten Platz finden können. Und dass Verleger Axel Springer jede Möglichkeit nutzen würde, um in den Osten hineinzuwirken, glaubten viele Ostdeutsche.
Ein Gag mit Folgen
Die sensationelle Nachricht verbreitete sich jedenfalls wie ein Lauffeuer, zunächst im Ostteil der Stadt, schließlich gelangte sie auch bis in den hintersten Winkel der DDR. Es kursierten sogar Flugblätter, die das Konzert ankündigten: "Am 7. Oktober vor dem Springer-Hochhaus. Es spielen die Rolling Stones." Für die Fans der britischen Rockband, die in der DDR als die Inkarnation des Bösen galt und deren Musik seit 1965 nicht mehr öffentlich gespielt werden durfte, gab es jetzt nur noch eines: Auf zum "Springer"-Hochhaus!
Dabei: Es war alles nur ein Jux des RIAS-Moderators Kai Blömer gewesen. Was er damit in der DDR anrichtete, hatte er sich freilich nicht ausmalen können ...
Stones-Fans in Ost-Berlin
Denn nicht nur die Stones-Fans in der DDR waren wie elektrisiert, auch die Stasi nahm die Ankündigung des Konzerts sehr ernst. Das Gebiet um das Springer-Hochhaus sollte am 7. Oktober weiträumig abgesperrt und verhindert werden, dass Stones-Fans aus den Bezirken nach Berlin reisen. Jugendliche mit "dekadentem" Aussehen sollten bereits in den Wochen vor dem Republikgeburtstag überwacht werden.
Auch als die Staatssicherheit schließlich herausfand, dass über "ein Auftreten der Rolling Stones in Westberlin im Oktober nichts bekannt ist" und "Beobachtungen in der Umgebung des Springer-Hochhauses keinerlei Anzeichen auf Vorbereitungen für den Aufbau einer Bühne" ergaben, blieben die Sicherheitsorgane doch in Alarmbereitschaft. Stellten doch bereits die zu erwartenden Beatfans eine ernste Bedrohung der offiziellen Feierlichkeiten zum Republikgeburtstag dar.
Dennoch konnte die Staatssicherheit nicht verhindern, dass trotz Überwachungen und eines großen Polizeiaufgebots auf den Ostberliner Bahnhöfen Tausende Stones-Fans aus Berlin und allen Teilen der Republik am Nachmittag des 7. Oktober 1969 ins Zentrum der Hauptstadt der DDR strömten, um ihre Idole live zu erleben. Sie bewegten sich in kleinen Gruppen Richtung Mauer und waren leicht auszumachen: Sie trugen Jeans und - gemessen am damaligen Standard – lange Haare.