Von Rock'n'Roll und "sozialistischer Tanzmusik" Rockmusik in der DDR

29. Mai 2009, 11:33 Uhr

Das "Yeah, yeah, yeah" der Rockmusik in den 1960er-Jahren klingt gefährlich in den Ohren der DDR-Obrigkeit. Mit Jugendtanzmusik, "Lipsi" und Verboten will sie gegensteuern.

Rockmusik, so lehrte es der Musikunterricht in der DDR der 70er-/80er-Jahre, habe seine Ursprünge in der progressiven Musikentwicklung: Unter anderem im Blues der unterdrückten schwarzen Sklaven Amerikas und in den Protestsongs gegen Ausbeutung und Unterdrückung. Und doch tat sich die offizielle Kulturpolitik sehr lange schwer damit, das Wilde, Unbändige des "Rock 'n' Roll" zu akzeptieren. In den 50er-Jahren herrschte klare Ablehnung. So schrieb etwa das Zentralorgan der FDJ "Junge Welt" über Elvis Presley: "Sein 'Gesang' glich seinem Gesicht: dümmlich, stumpfsinnig und brutal. Der Bursche war völlig unmusikalisch (...) und röhrte wie ein angeschossener Hirsch, nur nicht so melodisch."

Mit "Lipsi" gegen "westliche Dekadenz"

Auf der Bitterfelder Konferenz 1959 verkündete Walter Ulbricht: "Es genügt nicht, die kapitalistische Dekadenz in Worten zu verurteilen, gegen Schundliteratur und spießbürgerliche Gewohnheiten zu Felde zu ziehen, gegen die 'Hotmusik' und die ekstatischen 'Gesänge' eines Presley zu sprechen. Wir müssen etwas Besseres bieten." Der in diesem Sinne erfundene Tanz "Lipsi" sollte den Rock 'n' Roll aus den Tanzlokalen verdrängen – einer von vielen hilflosen Versuchen, das Phänomen Rock zu reglementieren und zu kontrollieren.

Neue Töne im Tauwetter

Anfang der 60er-Jahre hatten die Beatles mit ihren Songs die Welt erobert, auch in der DDR waren eine LP und zwei Singles von den "Pilzköpfen" erschienen – ideologisch begleitet von Texten in der DDR-Presse. Sie bescheinigte den "Arbeiterjungs aus Liverpool", dass sie mit ihrer Musik gegen den Kapitalismus kämpften. "Welchen Takt die Jugend wählt, ist ihr überlassen: Hauptsache sie bleibt taktvoll" – ein Bonmot von Walter Ulbricht 1963. Beim Deutschlandtreffen der FDJ zu Pfingsten 1964 spielte der eigens gegründete Sender DT 64 Beatmusik und etliche Beatgruppen treten auf, unter anderem die "Butlers" aus Leipzig. In den Tanzschuppen der Republik wird gerockt, die Songs der Beatles und Rolling Stones sind populär und natürlich auch eigene Songs der Bands.

Mit Knüppeln gegen Beatfans

Im Oktober 1965 verfügt ein Erlass des Politbüros, dass Beatmusik in den Medien verboten und den Beatgruppen in der DDR die Lizenz entzogen wird. Walter Ulbricht sah in der Beat-Musik den "Versuch westimperialistischer Drahtzieher, die akustische Kriegsvorbereitung in die DDR zu tragen". So werden englische Namen für Bands untersagt, fortan müssen sich alle Gruppen "Combos" nennen. Die Kulturhäuser und FDJ-Klubs werden wieder auf ihre ideologische Ausrichtung hin überprüft.

Allein in Leipzig erhalten die "Butlers" und vier weitere Gruppen ein unbefristetes Auftrittsverbot – doch am 31. Oktober 1965 versammeln sich einige Tausend Schüler, Lehrlinge und Studenten im Zentrum von Leipzig. Die Volkspolizei geht mit Hunden, Wasserwerfern und Schlagstöcken gegen die Jugendlichen vor. 279 Personen werden festgenommen, 144 von ihnen strafrechtlich verfolgt. Viele müssen für einige Wochen im Braunkohletagebau schuften. In der Presse beginnt eine Kampagne gegen Langhaarige, Beatfans, junge Christen und politisch Andersdenkende. Erst mit dem Machtantritt Honeckers 1971 entschärfte sich das Verhältnis des Staates zur Rockmusik.

Sondieren, lenken, fördern

In den 70er-Jahren richtete die SED-Regierung auf Bezirks- und Kreisebene ein weit verzweigtes Netz lokaler Arbeitsgruppen ein, dem gleich mehrere zentrale Stellen zugeordnet waren. Zur "Koordination all dieser Koordinierungen" - so die Formulierung in den Arbeitsrichtlinien - wurde 1973 das Komitee für Unterhaltungskunst beim Ministerium für Kultur gegründet. Dessen Aufgabe war es, die Musikszene der DDR zu organisieren, zu reglementieren und zu kontrollieren. Dazu dienten Festivals und Wettbewerbe, Talentsuche und Nachwuchsförderung, aber vor allem auch die Begutachtungspraxis für Kapellen und ihre Produkte. In der Sektion Rock waren am Ende der DDR 570 Mitglieder registriert – Musiker, Texter, Manager und Wissenschaftler.

Zu den Merkmalen der ineffektiven und sich im Kompetenzgerangel verschleißenden Behörde gehörte auch, dass sie den Mangel verwaltete – zum Beispiel von Studiokapazitäten, die offiziell nur beim VEB Deutsche Schallplatte und beim Rundfunk der DDR existierten. Daneben allerdings entwickelte sich in der DDR ein informeller Sektor: Netzwerke von Fans glichen die mangelnde Publizität aus, über das ganze Land verstreut gab es private Veranstalter, und jede der zuletzt 110 professionellen und 2000 Amateurbands tummelte sich in - streng genommen quasikriminellen - Grauzonen. Illegale Veröffentlichungen aus Privatstudios höhlten das Monopol des Staates aus, die Instrumenten-beschaffung aus dem Westen war mit Schwarzmarktgeschäften und Verstößen gegen das Devisengesetz verbunden.

It’s only Rock 'n' Roll

Rockmusik galt in der DDR vielen als ein Symbol der "Freiheit", des "Andersseins", ja sogar des "Widerstands". Mit ihren oftmals freizügigen, emotionsbetonten Haltungen zu Sexualität, Moral, Genuss und Individualität produzierte Rockmusik Konfliktstoff und gab den Grundkonflikten Jugendlicher in einer reglementierten Gesellschaft einen Ausdruck und eine Sprache. Den Herrschenden war Rock suspekt: Er drohte die Entwicklung der Jugendlichen außerhalb von Schule, Ausbildung und Beruf zu beeinflussen, insbesondere weil mit Rockmusik vor allem westliche Bands und Trends in Verbindung gebracht wurden.

Staat setzt auf "sozialistische Jugendtanzmusik"

Der Staat wollte dem eine "sozialistische Jugendtanzmusik" entgegensetzen. DDR-Bands sollten einen eigenen, einen optimistischen Stil finden, der das positive Lebensgefühl der "Arbeiterklasse der DDR" ausdrückte. Dieses Ziel sollte durch Verbote einerseits und Förderungen andererseits erreicht werden. In der Praxis aber war die Dominanz der an englischen und amerikanischen Entwicklungen orientierten Musik nicht zu bekämpfen: Die Hits und Trends tönten unaufhörlich über den Äther in die DDR hinein und überwanden spielend die Mauer.

Rockmusik in der DDR

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Von der Gitarre bis zum Verstärker – Profi-Musiker in der DDR brauchten Westinstrumente - und kauften sie zu horrenden Preisen über Schieber oder Westverwandte.

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