Meister der Angst Mielkes Karriere: Am Anfang stand Mord
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10. Februar 2021, 12:45 Uhr
Für die Nachwelt ist er der Inbegriff des unmenschlichen Stasi-Terrors: Erich Mielke, Minister für Staatssicherheit von November 1957 bis zum Herbst 1989. Am 10. Februar 1992 begann der Prozess gegen ihn. Verurteilt wurde er am 26. Oktober 1993 jedoch nicht wegen der Gewalt und Willkür der Stasi, sondern wegen der Ermordung zweier Polizisten im Jahr 1931. Warum? Und wer war der Mann, der den totalitären Stasi-Apparat anführte?
Erich Mielke wurde am 28. Dezember 1907 in Berlin geboren. Er wuchs in einfachen Verhältnissen im Arbeiterviertel Wedding auf. Der Vater arbeitete als Stellmacher und beide Eltern gehörten zu den Gründungsmitgliedern der Kommunistischen Partei Deutschlands. In den unruhigen Jahren der jungen Weimarer Republik war Mielke mittendrin im gern auch handgreiflichen Straßenkampf Links gegen Rechts. Zwar lernte er nach seiner Schulzeit Speditionskaufmann und arbeitete auch kurz für den Siemens-Konzern – aber vor allem engagierte er sich in der KPD. 1931 wurde Mielke arbeitslos, von nun an hielt er sich mit Aufträgen für die Partei über Wasser.
Treuer Parteisoldat
Die Polizei stand bei Demos und Straßenschlachten meist auf der Gegenseite und griff hart gegen die Kommunisten durch. Erich Mielke gehörte zum Parteiselbstschutz der KPD. Seine Aufgabe war es, die Genossen zu verteidigen. Er galt als treuer Parteisoldat, als äußerst gewaltbereit und er beging im August 1931 im Parteiauftrag sogar einen Mord. Am damaligen Bülowplatz erschossen er und ein Komplize zwei Polizisten hinterrücks und verletzten einen dritten schwer. Nach dem Mord wurden Mielke und sein Mittäter ins Ausland in Sicherheit gebracht. Das Ziel ihrer Flucht: die Sowjetunion. Mielke brüstete sich zu dieser Zeit gern mit der "Bülowplatzsache" – das dürfte seiner weiteren Karriere durchaus genützt haben. Die Ermittlungen in Deutschland verliefen im Sand, die Justiz hatte zwar einen Haftbefehl, konnte Mielke aber nicht festsetzen.
Von Moskau aus ging Mielke 1936 nach Spanien und kämpfte im Bürgerkrieg gegen das faschistische Regime von General Franco. Er diente bei den kommunistischen Internationalen Brigaden. Laut Augenzeugen-Aussagen war er auch an sogenannten "Säuberungen" beteiligt und sorgte dafür, dass unliebsame Abweichler aus den eigenen Reihen für immer verschwanden. Während des Zweiten Weltkriegs war Erich Mielke in Belgien und Frankreich im kommunistischen Untergrund aktiv. Nach Kriegsende zog er zurück nach Berlin, genauer gesagt nach Ost-Berlin.
"Mann für's Grobe"
In Ost-Berlin empfing man den linientreuen Genossen Mielke mit offenen Armen. Als "Mann für’s Grobe" ging Mielke zunächst zur Polizei und baute dort die neuen Strukturen mit auf. 1950 wurde das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gegründet, auch hier war Mielke maßgeblich beteiligt. Chef der neuen Geheimpolizei wurde zunächst Wilhelm Zaisser – Mielke bekam einen der Stellvertreterposten. Doch schon nach wenigen Jahren wurde er selbst Chef des MfS. Und er blieb es bis zum Herbst 1989. Außerdem war er Mitglied des Zentralkomitees der Staatspartei SED und Abgeordneter der Volkskammer.
Mielke gehörte also schon bald zur Elite des noch jungen Arbeiter- und Bauernstaats. Die Stasi wurde unter seiner Führung als "Schild und Schwert der Partei" massiv ausgebaut, sie war bis zum Ende der DDR das wichtigste Machtinstrument der SED. Zehntausende hauptamtliche und inoffizielle Mitarbeiter sorgten dafür, dass die gesamte Gesellschaft von der Staatssicherheit durchdrungen wurde.
Spitzel-Terror gegen eigene Bevölkerung
Der Spitzel-Terror gegen die eigene Bevölkerung und auch das gezielte Spionieren im westlichen Ausland ging von der MfS-Zentrale in der Ost-Berliner Normannenstraße aus. Und dort lief alles über Erich Mielkes Schreibtisch. Er galt als cholerischer und unerbittlicher Chef, der auch die eigenen Leute in Angst und damit in der Spur hielt. Pedantisch kontrollierte er alle wichtigen Vorgänge. Auch seine politischen Chefs konnten sich bei ihm nie sicher sein: Als Erich Honecker 1971 seinen Vorgänger entmachtete, unterstützte ihn Mielke und wendete sich damit gegen seinen einstigen Förderer Walter Ulbricht. 18 Jahre später brachte Mielke dann auch Honecker mit zu Fall, gegen den er reichlich brisantes Material gesammelt hatte. Doch auch für ihn selbst kam nun das Aus.
Zur Witzfigur verkommen
Nach dem Mauerfall und stürmischen Wochen in der ganzen DDR trat Mielke am 7. November 1989 zusammen mit der Regierung von Willi Stoph zurück. Der Druck der Straße war zu groß geworden, im ganzen Land wurden die Stasi-Zentralen gestürmt. Damit verlor Mielke auch sein Abgeordnetenmandat in der Volkskammer. Bei seiner ersten und einzigen Rede vor dem Parlament kurz nach dem Rücktritt am 13. November 1989 erntete er höhnisches Gelächter.
Ich liebe doch ... ich liebe doch alle ... alle Menschen!
Aus dem "Meister der Angst" war eine Witzfigur geworden. Noch vor dem Jahreswechsel 1989/1990 wurde Mielke aus der SED ausgeschlossen und kam in Untersuchungshaft. Die juristische Aufarbeitung seiner jahrzehntelangen Schreckensherrschaft begann, noch bevor die DDR aufgehört hatte, zu existieren.
Dutzende Verfahren
In den nächsten Jahren liefen Dutzende Verfahren gegen den mittlerweile greisen Mielke, dem sein Machtverlust sichtlich zusetzte. Es ging unter anderem um den Vorwurf der Rechtsbeugung und um Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Verurteilt wurde Mielke aber letztlich nicht wegen seiner Taten als MfS-Chef, sondern tatsächlich wegen der Polizistenmorde am Bülowplatz im Jahr 1931 – mehr als sechs Jahrzehnte nach der Tat. Obwohl es keine Augenzeugen mehr gab, die ihn belasten konnten, und obwohl er selbst die Tat abstritt, sah das Berliner Landgericht seine Beteiligung an den Morden als erwiesen an.
Lebensabend im Plattenbau
Es rächte sich, dass Mielke früher mit der Aktion geprahlt hatte – und dass man die Ermittlungsakten aus den 1930er-Jahren im Panzerschrank seines Büros fand. 1993 wurde er wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Aus gesundheitlichen Gründen entließ man ihn allerdings schon 1995 vorzeitig aus der Haft und stellte ihn nie wieder vor ein Gericht. Wegen der Tötung von Flüchtlingen an der Berliner Mauer oder seiner Verbrechen, die er als Stasi-Chef zu verantworten hatte, wurde er nie verurteilt.
Seine letzten Lebensjahre verbrachte Mielke in einer Plattenbauwohnung in Berlin-Hohenschönhausen. Als er im Jahr 2000 starb, hinterließ er seine Ehefrau Gertrud, die mehr als fünf Jahrzehnte lang an seiner Seite stand, einen Sohn und eine Adoptivtochter.
Über dieses Thema berichtete die MDR ZEITREISE auch im: TV | 11.08.2019 | 22:00 Uhr