Ab 1992 vor Gericht Die Nachwende-Prozesse
Hauptinhalt
25. Oktober 2018, 16:26 Uhr
Insgesamt gab es damals 30.000 Ermittlungsverfahren gegen ehemalige MfS-Mitarbeiter oder hochrangige Parteikader, von denen jedoch nur 20 in einem Prozess gipfelten. Die drei spektakulärsten und bekanntesten haben wir noch mal zusammengefasst.
12. November 1992 - 12. Januar 1993: Der Prozess gegen Erich Honecker
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wird gegen den ehemaligen DDR-Staatschef Erich Honecker am 30. November 1990 ein Haftbefehl ausgestellt. Es besteht der dringende Tatverdacht des gemeinschaftlichen Totschlags. Am 12. November 1992 kommt es zum Prozess in der 27. Strafkammer des Landgerichts Berlin. Den Vorsitz übernimmt der Richter Hansgeorg Bräutigam. Im Laufe des Prozesses wird dem Richter Bräutigam Voreingenommenheit vorgeworfen, worauf er im Januar 1993 von Hans Boß ersetzt wird.
Erich Honecker beauftragt gleich drei Anwälte für seine Verteidigung: Nicolas Becker, Wolfgang Ziegler und Friedrich Wolff. Die Staatsanwaltschaft besteht aus einem Arbeitskreis von 70 Juristen, bekannt unter dem Namen "Arbeitsgruppe Regierungskriminalität", unter der Leitung von Christoph Schaefgen. In der Anklageschrift wird Honecker die Verantwortung und Mitschuld am Schießbefehls, sowie Totschlag und versuchter Totschlag in 68 Fällen vorgeworfen.
Am 3. Dezember 1992 fordert die Verteidigung wegen eines fortgeschrittenen Lebertumors die Einstellung des Prozesses. Am 12. Januar 1993, nach 2 Monaten Prozessdauer, wird das Verfahren gegen den Angeklagten eingestellt. Schon ein Tag später, am 13. Januar 1993, fliegt Erich Honecker zu seiner Ehefrau Margot nach Chile und verstirbt ein Jahr später am 29. Mai 1994.
10. Februar 1992 - 26. Oktober 1993: Der Prozess gegen Erich Mielke
Am 7. Dezember 1989 kommt der ehemalige Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, in Untersuchungshaft. Die DDR-Justiz wirft ihm die Schädigung der Volkswirtschaft vor. Am 9. März 1990 wird Erich Mielke aus gesundheitlichen Gründen entlassen. Es gibt zahlreiche weitere Ermittlungsverfahren gegen Erich Mielke wegen seiner Tätigkeit als Minister für Staatssicherheit. Doch die Beweise reichen für einen Prozess nicht aus.
Vor Gericht kommt Erich Mielke aber dennoch: Er muss sich wegen eines Mordes aus dem Jahre 1931 verantworten. Der Prozess beginnt am 10. Februar 1992 vor der 23. Großen Strafkammer im Landesgericht Berlin-Moabit. In der Anklageschrift wird Erich Mielke der Mord an zwei Polizisten am Bülower Platz 1931 vorgeworfen. Eine Akte aus der Zeit des Nationalsozialismus, die in Mielkes persönlichen Panzerschrank gefunden wird, überführt den ehemaligen Minister der Staatssicherheit: Nach einem eineinhalb Jahren andauernden Prozess wird am 26. Oktober 1993 das Urteil verkündet. Das Gericht verurteilt Erich Mielke wegen gemeinschaftlichen Mordes in zwei Fällen und eines versuchten Mordes zu sechs Jahren Haft. Doch schon 1995 wird er aus gesundheitlichen Gründen entlassen. In einem medizinischen Gutachten wird Mielke als gebrochener, depressiver und willenloser Mann beschrieben, er wird für verfahrens- und haftunfähig erklärt.
1998 werden alle noch laufenden Verfahren gegen Erich Mielke eingestellt. Im Dezember 1998 spricht das Berliner Kammergericht Erich Mielke umgerechnet 1.000 Euro zu, da er 1991 für drei Monate ohne Ergebnis in Untersuchungshaft saß. Am 21. Mai 2000 verstirbt Erich Mielke, in einem Berliner Altersheim.
Frühjahr 1993 - 15. Mai 1995: Prozess gegen Werner Großmann
Markus Wolfs ehemaliger Stellvertreter Werner Großmann rückt 1986 an die Spitze der HV A. Nach der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit wird Werner Großmann aus dem Dienst entlassen. Dennoch spielte Großmann eine entscheidende Rolle bei der Vernichtung zahlreicher Akten, Statistiken und Berichte über Agenten oder noch laufende Operationen der HV A.
Am 3. Oktober 1990 wird Werner Großmann verhaftet. Im Frühjahr 1993 kommt es zu einer Anklage wegen Agententätigkeiten und Landesverrat, die jedoch am 15. Mai 1995 vom Generalbundesanwalt fallen gelassen wird. Noch während des Großmann-Prozesses entscheidet das Bundesverfassungsgericht, dass es gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstößt, wenn sich ostdeutsche Agenten vor Gericht verantworten müssten, Agenten der BRD aber nicht.
Über dieses Thema berichtete der MDR im TV auch in: "Erich Mielke - Meister der Angst" | 24.10.2017 | 22:05 Uhr