Punks in der DDR: Einmal Punk – immer Punk
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05. August 2010, 14:37 Uhr
Keine andere Strömung provozierte die DDR-Staatsmacht mehr als der Punk. Denn im Unterschied zu anderen Jugendgruppen suchten Punks keine Nische, sondern lehnten den Staat generell ab.
1982 schrie die Ostberliner Punkband "The Leistungsleichen" das Lebensgefühl einer extremen Minderheit in der DDR heraus, das Lebensgefühl der Punks:
Ich habe die Geschichte nicht gemacht / Und bin doch abgegrenzt und scharf bewacht / Sie sprechen vom Arbeiter- und Bauernstaat / Und vernichten ihre eigene Saat / (…) / Ich weiß nicht, hätte Marx geweint oder gelacht, / Könnte er sehen, / was ihr mit uns macht / Wir sind neugeboren in Trauer / Wir sind die Fehlgeburt der Mauer.
Auch wenn es offiziell nie mehr als 1.000 Punks in der DDR gegeben haben soll, hatte die Bewegung doch Wirkung. Anders als im Westen, wo Punk durch eine nach Neuigkeitswerten gierende Musik- und Modeindustrie aufgesogen, integriert und domestiziert wurde, war Punk in der DDR immer auch ein Bekenntnis, das mit Stigmatisierung und Kriminalisierung einherging. Schon die ersten Punks um 1980 wurden von den Sicherheitsorganen beobachtet und als "kriminell gefährdet" eingestuft. Dazu qualifizierte sie wohl ihre Staffage mit gefärbten Haaren und abgewetzten, mit provokanten und anarchischistischen Sprüchen bemalten Motorradjacken. Rasierklingen oder Hundeketten als Halsschmuck, alte Arbeitsstiefel als Schuhwerk – Punk fiel auf im Einheitsgrau eines angepassten Volkes.
No Future im Land der historischen Mission
Die Lust am Anderssein drückte sich vor allem in der aufreizenden Musik aus. Und die Texte lieferten den Grund, Punks als "Feinde der Gesellschaft" abzustempeln. Bands wie "Müllstation", "Ich-Funktion", "Schleim-Keim" oder "Die Zucht" machten tatsächlich kein Hehl daraus, dass sie für sich in und mit der DDR keine Zukunft sahen. Die Magdeburger Band "Vitamin-A" sang:
Wir sind die junge Generation / doch was haben wir vom Leben schon / wir warten auf den Untergang ..."
Professor Bernd Lindner, Projektleiter der Ausstellung "Rock! Jugend und Musik in Deutschland" 2005 bis 2006 beim Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig und Autor das Nachschlagewerks "DDR Rock & Pop - Rock- und Popgeschichte der DDR", sagt: "Punk zu sein, war die extremste Möglichkeit jugendkultureller Entäußerung in der DDR. Und so war für die meisten Punks der Einstieg in die Szene zugleich das Ende jeglicher Bildungskarriere in der DDR."
Die Staatsführung, so Lindner, fühlte sich von den Punks stärker provoziert als von allen anderen Jugendkulturen zuvor. Denn es war klar: Den Punks ging es nicht um die Akzeptanz ihrer Musik oder ihres Outfits, sie lehnten die bestehende Staatsform und jegliche staatliche Autorität ab. Nicht umsonst dominierten schwarz-rot als Symbolfarben der Punker, ihre Nähe zur wilden Anarchie drückte sich im Pogo-Tanz genauso wie in Saufgelagen und einem nonkonformen Lebensstil aus. Für Stasi-Chef Erich Mielke konnte da nur Härte helfen – 1983 erging die entsprechende Order, die Jugendbewegung zu zerschlagen. Von den 17 Ostberliner Punkbands wurden sechs aufgelöst und die Musiker verhaftet. Bis 1984 gelang es der Staatsmacht, die erste Generation Punks zu "zersetzen" beziehungsweise in den Westen abzuschieben.
Punks never die
Doch das Phänomen lebte weiter – und wurde stärker. Schüler, Lehrlinge, Facharbeiter tanzten den Pogo und lebten den Punk - überwiegend Jugendliche, die zur Verwunderung der Stasi "in geordneten und gesicherten Verhältnissen aufgewachsen sind." Man stand der Randgruppe ratlos gegenüber – und erklärte es sich wie gehabt als Inszenierung des Klassenfeindes, der eine Kluft zwischen Jugend und Staatsführung provozieren wolle.
An einigen Stellen waren es kirchliche Sozialarbeiter, die den Punks eine Heimstatt gaben. In Halle fand im April 1983 in der Christus-Kirche ein erstes Punk-Festival statt. 250 Leute aus der ganzen Republik kamen zu diesem offiziell als "evangelischen Jugendabend" titulierten Ereignis. In Berlin wurde die Friedrichshainer Pfingstkirche zu einem geschützten Raum für Punks, die dort Konzerte machen konnten. 1986 zählt ein Stasi-Dokument bereits 16 kirchliche Einrichtungen auf, in denen illegale Punk-Gruppen auftraten.
"Die anderen Bands" –Zwischen Vereinnahmung und Radikalisierung
In puncto Punk lernte die DDR nicht von der Sowjetunion, sondern vom Westen: Integration hieß in den späten 80er-Jahren die Zauberformel. Durch staatliche Förderinstanzen sollten die Bands vereinnahmt werden. Der Staat wollte nicht länger hinnehmen, dass ihm die Jugend abhanden kommt. Und so wurden ab 1986 im Jugendradio "DT 64" einige der sogenannten "anderen Bands" gespielt. Ab 1988 gab es erste Plattenaufnahmen in den Rundfunkstudios. In der Folge spaltete sich der musikalische Untergrund der DDR. Der harte Kern der Punk-Bewegung radikalisierte sich. Jetzt ging es nicht mehr so sehr ums Anderssein, jetzt ging es um den Knall, wie die Ostberliner Band "Ich-Funktion" textet:
Es geht nicht um den Sieg, sondern um den Knall. Wir sind uns darüber klar, dass das sinnlos ist. Zieh den Wolf am Schwanz, wenn Du kannst!