"Afrika war für die DDR-Außenpolitik wichtig"

Hans-Joachim Döring im Interview

09. Januar 2018, 10:40 Uhr

Hans-Joachim Döring schrieb zum Thema DDR-Engagement in Mosambik und Angola eine Vorstudie für die Enquete-Kommission "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland". Lesen Sie hier ein Interview.

Welche Rolle spielte Afrika für das Bemühen der DDR um internationale Anerkennung?

Man muss zwei Phasen unterscheiden. In den 1950er- und 1960er-Jahren dominierte der Versuch, die sogenannte 'Hallstein-Doktrin' Bonns zu unterlaufen. Grob gesagt, funktionierte die folgendermaßen: Wollte ein Land, das diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik unterhielt, auch welche zur DDR aufbauen, kündigte Bonn seine Beziehungen und entzog jede Form von Hilfe. Das war ein starker Knüppel gegen die afrikanischen Staaten, die dringend auf finanzielle Unterstützung angewiesen waren. Das war aus meiner Sicht eigentlich eine unzulässige Vermischung zweier Ziele, nämlich der Unterstützung armer Staaten und des Versuchs, das völkerrechtliche Verhältnis beider deutscher Staaten zu klären. Die DDR konterte diese Politik Bonns mit kleinen Schritten. Zum Beispiel durch den kostenlosen Einsatz wissenschaftlicher oder landwirtschaftlicher Experten in Afrika, wie etwa in Mali, Ghana oder dem Senegal. Mit dem Ende der 'Hallstein-Doktrin' unter der Regierung Brandt/Scheel und der internationalen Anerkennung der DDR nach 1973 begann dann eine neue aktive Phase der Afrikapolitik Berlins. Innerhalb kürzester Zeit nahmen die meisten afrikanischen Staaten volle diplomatische Beziehungen zur DDR auf. Insgesamt war die Rolle Afrikas für die Außenpolitik der DDR also wichtig, aber nicht entscheidend.

Die DDR hat auch in Afrika sogenannte "FDJ-Freundschaftsbrigaden" eingesetzt. Welche Funktion spielten diese für die DDR?

Große Gruppe von Männern mit FDJ-Banner
FDJ-Freundschaftsbrigade Ende der 1970er in Angola Bildrechte: Karsten Heinze

Im Grunde war das Konzept der Freundschaftsbrigaden hochmodern, auch innerhalb des Ostblocks. Kennedy hatte es mit der Einrichtung des "Peace corps" in den USA ja ähnlich gemacht: den Einsatz von Freiwilligen in der Entwicklungsarbeit als Instrument der Außenpolitik zu nutzen. Die DDR wollte sich durch die Arbeit der Freundschaftsbrigaden vor allem als solidarischer Staat zeigen, der sich an die Seite der Armen stellt. Zum Zweiten war die FDJ ja eine unterstaatliche Organisation. Und damit konnte die DDR gelegentlich mit ihrer Hilfe insbesondere in den 1960er-Jahren die Hallstein-Doktrin unterlaufen. In der ersten Phase ab 1964 hatten die Freundschaftsbrigaden einen deutlichen Bildungsauftrag. In den 1970er-Jahren waren sie dann viel deutlicher ökonomisch ausgerichtet. So wurden sie in Angola und Mosambik teilweise sogar als Stoßtrupps bei den ökonomischen Kampagnen der DDR eingesetzt. Zum Beispiel ab 1976 bei der Absicherung des Kaffeeimports aus Angola. Oder als Trupps für die Reparaturwerkstätten zur Absicherung der massiven Exporte von Lkw in diese Länder. Meist waren die FDJ-Helfer jedenfalls sehr gut ausgebildete Fachkräfte. Allerdings stand eines fest: Jeder war auch wegen seiner Linientreue ausgewählt. Und viele fachlich hervorragende Leute wurden deshalb für den Einsatz nicht berücksichtigt. Ein weiteres Problem: Irgendwie haben die Brigaden die Mauer mit sich getragen. Fast alle haben in ihren Einrichtungen oder Camps gelebt und waren nur zum geringsten Teil mit der internationalen Community im Land verbunden.

Erich Honecker besuchte im Rahmen seiner großen Afrikareise 1979 auch Angola und Mosambik. Was veränderte sich durch seinen Besuch?

Angola und Mosambik spielten eine wichtige Rolle für die DDR, seit sich die anderen Länder in West- und Ostafrika, auf die man ursprünglich gesetzt hatte, anders orientierten, also Richtung Westen. Außerdem kam es zu einer Verknüpfung der Afrikapolitik mit der ersten großen wirtschaftlichen Krise der DDR im Frühjahr 1977 und damit einhergehenden Devisensorgen. Die SED entwickelte daraufhin eine geheime Afrika-Initiative. Um Devisen zu sparen, sollten Steinkohle aus Mosambik und Kaffee aus Angola und Äthiopien unter Sonderbedingungen, also ohne den Einsatz von Devisen, importiert werden. Dieser Prozess sollte durch den Honecker-Besuch gestärkt werden. Zum Teil wurden aber auch neue Großprojekte begonnen, etwa die Einrichtung landwirtschaftlicher Großfarmen in Mosambik mit bis zu 120.000 Hektar Agrarfläche. Dort sollten Produkte für den Export in die DDR angebaut werden, um die Kredite abzuzahlen, die Berlin dem afrikanischen Land eingeräumt hatte. Es gab also sicher eine starke Ökonomisierung der Afrikapolitik. Aber daneben sollte nicht vergessen werden, dass die DDR Mosambik und Angola auch besonders helfen wollte, weil diese beiden Staaten erst spät dekolonisiert worden waren und als Frontstaaten besonders unter dem Apartheidregime Südafrika litten.

Was führte dazu, dass die DDR ihr Afrika-Engagement gegen Ende der 1980er-Jahre immer stärker zurückfuhr?

Eine Gruppe von Männern steht vor 6 Autos
Made in GDR: Lkw vom Typ W50 waren gefragt. Bildrechte: Karsten Heinze

Das war von Land zu Land unterschiedlich. Beispiel: Äthiopien. Bis 1979 brauchte das Land wegen des Ogaden-Krieges Waffen. Die konnte die DDR liefern und dafür hochwertigen Kaffee fordern. Als der Konflikt beigelegt war, fehlte diese Basis und die Äthiopier verlangten auf einmal Devisen statt Material. In Mosambik hingegen gab es wegen der Transportprobleme im Land einen großen Bedarf an Lkw, den die DDR mit ihren IFA W-50 bedienen konnte. Aber die DDR hatte durch ihre Hilfe erwartet, dass das Land einen großen Entwicklungsschub machen würde, was für Großprojekte notwendig ist. Aber der blieb aus. Auch wegen des etwa 1980 einsetzenden Bürgerkrieges, der 1984 schließlich bei einem Terroranschlag auch Opfer unter den DDR-Helfern forderte. Das führte zwar zum Abzug der etwa 1.200 Helfer. Aber der Zenit der Unterstützung durch die DDR war schon früher überschritten. Insofern wurde dieser Rückzug nur beschleunigt. Denn es war auch die Zeit, in der Mosambik in einer politischen Kehrtwende versuchte, sich wieder Südafrika anzunähern.

Zur Person Der Religionspädagoge Hans-Joachim Döring war einer der Mitinitiatoren der Leipziger Friedensgebete in der Nikolaikirche, engagierte sich schon zu DDR-Zeiten für Themen der Entwicklungsländer. Vom Juni bis Oktober 1990 arbeitete er als Berater im Außenministerium der DDR. Zum Thema DDR-Engagement in Mosambik und Angola schrieb er eine Vorstudie für die Enquete-Kommission "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland", woraus dann das Buch: "Es geht um unsere Existenz" entstand.

Buchtipp Hans-Joachim Döring: "Es geht um unsere Existenz" Broschiert: 352 Seiten; Verlag: Links (1999); ISBN-10: 3861531852

Stichwort: Die "Hallstein-Doktrin" Politische Richtlinie in der Außenpolitik der Bundesregierung, benannt nach dem damaligen Staatsekretär im Auswärtigen Amt, Walter Hallstein. Die Bundesrepublik beharrte auf ihrem "Alleinvertretungsanspruch" als rechtmäßiger Nachfolger des Deutschen Reiches. Sie betrachte es als einen "unfreundlichen Akt", wenn dritte Staaten die DDR völkerrechtlich anerkennen, mit ihr diplomatische Beziehungen aufnehmen oder aufrechterhalten. Einzige Ausnahme bildete die Sowjetunion. Dort akzeptierte auch Bonn zwei deutsche Botschafter. Die Doktrin war ein zentrales Element der Außenpolitik von 1955 – 1969.

Erst die Regierungserklärung von Bundeskanzler Brandt am 20. Oktober 1969, in der er von "zwei Staaten einer Nation in Deutschland" sprach, beendete politisch den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik.

(Zuerst veröffentlicht am 14.01.2011)


Über dieses Thema berichtete der MDR auch in der TV-Doku: "Die Außenhändler", am: 14.05.2013 | 22:05 Uhr