Der Außenhandel der DDR: Zwänge und Zahlungsverpflichtungen
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07. August 2018, 09:01 Uhr
Der Außenhandel der DDR unterlag der strengen staatlichen Kontrolle des Ministeriums für Außenhandel (MAH). Die entsprechenden Handelsbetriebe hatten sich an vorgegebene Warengruppen zu halten. Dem beidseitigen Druck von innen und außen konnte die DDR-Wirtschaft kaum standhalten. Das Ungleichgewicht zwischen subventionierten Exporten und steigendem Importvolumen führte letztendlich zum finanziellen Ruin des Staates.
Der Wirtschaftsraum des DDR-Außenhandels beschränkte sich in den 50er- und 60er-Jahren zu 95 Prozent auf die im "Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe" (RGW) zusammengefassten Länder. Anfang der 60er-Jahre schlossen die RGW-Staaten ein Abkommen über die Einführung des sogenannten Transferrubels als Verrechnungswährung, Im- und Exporte innerhalb des Wirtschaftsraumes des RGW waren fortan ausschließlich in Transferrubel bemessen. Der Kurs war festgelegt: 1 Transferrubel entsprach 4,67 Ost-Mark.
Die Unterscheidung von weichen und harten Waren im Ostblock stand damit auf der Tagesordnung. Harte Waren waren auf dem Weltmark gefragt und konnten damit gegen harte Währung in den Westen exportiert werden. An weicher Ware hatte hingegen auch im Westen niemand Interesse. So erklärt sich, warum Waren mit mäßiger Qualität oft nur für den Handel innerhalb des Ostblocks genügten. Man war zwar in der Lage, qualitativ hochwertig zu produzieren - wenn auch unter hoher Anstrengung, gerade deshalb mussten diese Produkte im Export aber Devisen einbringen.
Devisen-Beschaffung über alles
1964 entstand im Ost-Berliner Ministerium für Außenhandel der Bereich Bereich "Kommerzielle Koordinierung" (KoKo) unter der Leitung von Staatssekretär Alexander Schalk-Golodkowski mit dem obersten Ziel der Devisen-Beschaffung. Die DDR versuchte verzweifelt, der wachsenden Auslandsverschuldung etwas entgegenzusetzen. Die steigende Industrialisierung des Landes erhöhte die Notwendigkeit von Importen drastisch. Um dies zu ermöglichen, war harte Währung unabdingbar. Exporte ins nichtsozialistische Ausland wurden allerdings mit enormem Aufwand subventioniert. Ein Missverhältnis, welches auf lange Sicht ein Problem werden sollte.
"Wie wir heute arbeiten, werden wir morgen leben!", propagierte Regierungschef Walter Ulbricht, was Ende der 60er-Jahre in Anbetracht materieller Nöte zu wachsendem Unverständnis in der Bevölkerung führte. Ein Kurswechsel wurde nötig. Während Ulbricht mit der von ihm propagierten "Neuen Ökonomischen System der Planung und Leitung" allein die Stärkung der Wirtschaft im Blick hatte, richtete Honecker ab 1971 sein Konzept auf die "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" aus. Die Akzeptanz des Sozialismus in der breiten Bevölkerung sollte vor allem mit einer spürbaren Steigerung des Lebensstandards gestärkt werden. Westimporte würden dies ermöglichen, so die nicht eben von ökonomischem Sachverstand getrübte Idee. Denn die durch Importe verursachten Kosten konnten nur zum Teil durch Exporte von eigenen Gütern ausgeglichen werden. Aber Not machte ja in der DDR schon immer erfinderisch. So wurde beispielsweise aus der UdSSR bezogenes Rohöl in heimischen Raffinerien "veredelt" und dann teuer weiterverkauft. Der Fall der Ölpreise bereitet der Goldgräberstimmung in der sozialistischen Republik jedoch ein jähes Ende. Das steigende Importvolumen zwang die DDR weiter dazu, hochwertige Güter fast ausschließlich für den Export zu produzieren, um sie im Westen beinahe zu verschleudern. Im DDR-Staatshandel kostete die Waschmaschine "WA 66" aus dem Volkseigenen Waschgerätewerk Schwarzenberg zum Beispiel 2.600 Mark. Das Versandhaus "Quelle" lieferte sie - als Modell "Privileg" - für 498 D-Mark in die bundesdeutschen Haushalte.
Milliarden-Investitionen in Mikroelektronik
Der allgemeine Anstieg der Weltmarktpreise in den 1970er-Jahren traf die DDR-Wirtschaft empfindlich. Honeckers Konsumprogramm strapazierte die ostdeutsche Planwirtschaft bis zur drohenden internationalen Zahlungsunfähigkeit Anfang der 1980er-Jahre. Der Bereich "Kommerzielle Koordinierung" schien durch seinen zunehmenden Einfluss im Außenhandel, und nicht zuletzt im innerdeutschen Handel, kurzfristig Abhilfe zu schaffen. Die so erwirtschafteten Mittel wurden allerdings nicht in die eigene Industrie und Innovationskraft investiert, sondern weiter für den Import von Konsumgütern verwendet. Die ostdeutsche Volkswirtschaft verlor nach und nach an Substanz. Daran haben auch Fehlinvestitionen einen nicht zu unterschätzenden Anteil. Das sogenannte CoCom-Embargo hatte die Aufgabe, Lieferungen von Kriegsmaterial und Gütern, die militärischen Zwecken hätten dienen können, in die Länder des Ostblocks zu verhindern. Die NATO-Staaten sowie Japan und Australien verhinderten damit unter anderem auch die Entwicklung der Mikroelektronik in der RGW-Zone. Die DDR sah sich so Ende der 1970er-Jahre gezwungen, gewaltige Summen in den Aufbau einer eigenen Mikroelektronikindustrie zu investieren. Geld, welches wiederum an anderer Stelle fehlte. Der Errichtung eines auf dem Weltmarkt konkurrenzfähigen Industriezweiges blieb hingegen ein rührender Traum, da man die Zeichen der Zeit einfach verschlafen hatte. Die DDR hinkte dem Weltmarkt also nicht nur zeitlich hinterher, auch die finanziellen und wissenschaftlichen Kapazitäten im Bereich Mikroelektronik reichten trotz Milliardeninvestitionen nicht annähernd.
Zahlungsunfähigkeit nicht aufzuhalten
In den 80er-Jahren verdoppelte sich durch die gestiegenen Grund- und Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt und durch die fehlenden Investitionen in den eigenen Wirtschaftsstandort der Aufwand für den gesamten Exportbereich der DDR. Für die angestrebte "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" war der Außenhandel zur Tilgung von Schulden und zur Ausschöpfung des eigenen Produktionspotentials aber ein unabdingbarer Bestandteil. Da der Ostblock aber zu keiner wirtschaftlichen Durchschlagskraft fand, stieg die Bedeutung des Handels mit der BRD weiter an. Eine ökonomische Stabilisierung ohne eine tragende Handelsbeziehung zum Westen schien unmöglich. Zwangsläufig zog dies außenpolitische Konsequenzen nach sich, denn ein Einbruch der Westexporte war nicht zu verkraften. In den 1980er-Jahren standen somit außenwirtschaftliche Überlegungen oftmals über den außenpolitischen.
Die Beziehungen zu den "sozialistischen Bruderstaaten", zur Bundesrepublik oder zu den Staaten der "Dritten Welt" waren allem Anschein nach allein dem verzweifelten Systemerhalt untergeordnet. 1983 kam es im Angesicht der Zahlungsunfähigkeit zu Verhandlungen mit der BRD, in deren Folge die Bundesrepublik eine Bürgschaft für insgesamt zwei Kredite über jeweils eine Milliarde D-Mark für die DDR übernahm. Dies sicherte den Status Quo in der DDR jedoch nur kurzfristig, eine Destabilisierung des Systems war auch durch die bevorstehende ökonomische Krise nicht mehr aufzuhalten.
Das Ende des DDR-Handels
Die am 1. Juli 1990 in Kraft tretende Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR stellte die Ost-Betriebe vor eine kaum lösbare Herausforderung. Ihre Schulden waren von einem Tag zum nächsten im Verhältnis 1:2 in West-Mark umgestellt und die kaum konkurrenzfähigen Produkte mussten entsprechend in D-Mark verkauft werden - auch in die einstigen sozialistischen Staaten. Das konnte nicht funktionieren.
(Zuerst veröffentlicht am 08.05.2013)