Peter Fechter Bekanntestes Opfer der Berliner Mauer
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24. Juni 2021, 12:55 Uhr
Der am 14. Januar 1944 geborene Peter Fechter ist das wohl bekannteste Maueropfer überhaupt. Er war erst 18 Jahre alt, als er am 17. August 1962 beim Versuch, die Berliner Mauer zu überwinden, von Grenzsoldaten der DDR erschossen wurde. Sein stundenlanger Todeskampf, bei dem ihm lange niemand half, erschütterte die Welt. Vielleicht wurde er deshalb zum Symbol, weil er den Maueropfern ein Gesicht gab.
Wer war Peter Fechter?
Peter Fechter wohnt im Jahr 1962 mit seinen Eltern, seiner Schwester Ruth und seiner kleinen Nichte Jutta in einer Drei-Zimmer-Wohnung im Berliner Stadtteil Weißensee. Er gilt als netter Jugendlicher, ruhig, bescheiden. Mit 14 Jahren hat er die Schule beendet und arbeitet seitdem auf der Baustelle als Maurer. Die Brigade ist zufrieden mit seiner Arbeit. Auf dem Bau hat er einen Kumpel namens Helmut. Mit ihm heckt er den Plan aus, in den Westen zu fliehen. Peters ältere Schwester wohnt im West-Berlin. Vielleicht will er dorthin? Seiner Familie erzählt er nichts von den Plänen.
Flucht über die Berliner Mauer
Am verhängnisvollen 17. August ist es soweit. Peter Fechter und sein Freund Helmut sitzen in der Arbeitspause in einem kleinen Lokal unweit der Mauer. Sie trinken sich etwas Mut an, dann schleichen sie in ein gesperrtes Haus an der Zimmerstraße und verstecken sich. Durch eine Luke können sie die Berliner Mauer sehen. Es sind vielleicht 25 Meter bis in den Westen. Sie hören Geräusche. Sind es DDR-Grenzsoldaten? Sofort stürmen sie los - Peter Fechter vorneweg. Zu dieser Zeit geht der West-Berliner Kameramann Herbert Ernst in ein nahegelegenes Fotogeschäft. Seit dem Bau der Berliner Mauer hat Ernst viel zu tun. Für deutsche und internationale Sender dreht er Filme über die Geschehnisse im geteilten Berlin. Er will gerade neues Filmmaterial kaufen, als er Schüsse aus Richtung Mauer hört. Mit der Kamera in der Hand begibt er sich sofort dorthin.
Peter Fechter verblutet im Todesstreifen - niemand hilft!
An diesem Abschnitt der Berliner Mauer herrscht zu diesem Zeitpunkt eine grauenvolle Atmosphäre. Peters Kumpel Helmut hat es in den Westen geschafft und wird von der Polizei fortgeführt. Peter Fechter jedoch liegt schwerverletzt im Todesstreifen. Vier Grenzsoldaten haben auf ihn geschossen. Auch hinter der Mauer, im Westen, ist sein Schreien um Hilfe zu hören. Doch niemand kommt. Peter Fechter bekommt keine Hilfe. Eine Dreiviertelstunde liegt er mit einer offenen Bauchwunde langsam sterbend am Boden.
Als Herbert Ernst endlich an der Mauer ankommt, muss er sich zunächst orientieren. Von West-Berliner Seite kann er kaum sehen, was hinter der Mauer geschieht. Er fragt herumstehende Polizisten, doch auch sie scheinen von den Geschehnissen überrascht und hilflos. Ernst erkennt seinen befreundeten Fotografen Wolfgang Bera von der "Bild"-Zeitung, der sich direkt auf die Mauer wagt und Bilder macht. So wagt sich auch Ernst heran. Er springt auf ein kleines Podest, stößt den darauf stehenden Polizisten zur Seite und beginnt zu filmen.
Der Tod an der Mauer, auf Zelluloid gebannt
Kurz darauf tragen DDR-Grenzer den sterbenden Peter Fechter aus dem Todesstreifen. Für Gefühle ist jetzt keine Zeit. Herbert Ernst dreht und dreht. Die Kamera fängt ein, wie Peter Fechter von aufgeregten Soldaten in eine Ost-Berliner Nebenstraße getragen wird, um kurz darauf zu sterben. Später wird Herbert Ernst immer wieder an dieses Bild denken. "Wie einen nassen Sack – schrecklich, schrecklich". Ernst filmt die herumstehenden Menschen, in Ost und West, die die Szenerie verfolgen. Er filmt auch US-amerikanische Soldaten, die vom wenige Meter entfernt liegenden Checkpoint Charlie herübergeeilt sind. Auch sie stehen hilflos herum.
Straßenkrawalle in West-Berlin
Kurz darauf begibt sich Herbert Ernst mit dem hochbrisanten Filmmaterial zu seinem Auftraggeber. Er erhält sein Tageshonorar - wenige Mark. Im Nachhinein wird ihm bewusst, was er an diesem Tag gefilmt hat: Zum ersten Mal ist es einem Kameramann gelungen, den Tod an der Mauer zu filmen. Die Bilder gehen um die Welt. Die Öffentlichkeit kann nun sehen, was zwischen den beiden deutschen Staaten Realität geworden ist: Ein Mensch stirbt vor aller Augen und niemand greift ein. Auch nicht die alliierten Schutzmächte. In den Tagen darauf folgen wütende Straßenkrawalle in West-Berlin - gegen die DDR und ihr Mauerregime und auch gegen die Alliierten.
Ernst und Bera sind nicht die einzigen, die das Sterben von Peter Fechter auf Zelluloid bannten: Der Ost-Berliner Dieter Breitenborn arbeitet als Fotograf in einem Verlagshaus an der Zimmerstraße. Er kommt gerade von einem Auftrag zurück, als der Pförtner des Verlagshauses ihn rasch von der Straße ziehen will. Es werde geschossen, er solle sich in Sicherheit bringen. Breitenborn beginnt sofort, zu fotografieren. Sein Blick zum am Boden liegenden Peter Fechter ist unverstellt. Dann rennt er hoch und macht aus seinem Zimmer heraus weitere Aufnahmen. Die Bilder zeigen den Abtransport von Fechter, kreisende Hubschrauber, Nebeldickicht über dem Todesstreifen.
Stasi beschlagnahmt Fotos von der Ostseite der Mauer
Breitenborn begibt sich, so erzählt er es heute, sofort in die Dunkelkammer, um sein Material zu entwickeln. Doch es vergehen nur ein paar Minuten, dann klopft es an der Tür. Breitenborn muss das gesamte Material aushändigen. Die Staatssicherheit beschlagnahmt die Bilder. Sie sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Erst nach dem Fall der Mauer werden die MfS-Akten zugänglich und damit auch die Bilder, die Peter Fechters Tod von der DDR-Seite aus zeigen.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Charité - Geschichten von Leben und Tod | 19. Januar 2021 | 22:10 Uhr