Publikumsliebling auf Zeit Die Pandabärin "Chi-Chi"
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04. November 2010, 10:06 Uhr
1958 war es Heinrich Dathe gelungen, eine Pandabärin für seinen Tierpark zu bekommen. Sie blieb nur drei Wochen, zog in dieser Zeit aber mehr als 400.000 Besucher an.
Am 2. August 1958 erfüllte sich für Heinrich Dathe ein Traum: Sein Tierpark bekam eine Pandabärin. Die Ankunft des Tieres war eine kleine Sensation, denn der letzte Panda war Ende der 1930er-Jahre in einem deutschen Zoo zu sehen gewesen. Die Bärin, die nun aus dem fernen Peking kam und auf den Namen "Chi-Chi" hörte, war allerdings nur eine Art Leihgabe. Sie war gewissermaßen in Europa zwischengelandet.
Keine Einreisegenehmigung für die USA
Der österreichische Tierhändler Heini Demmer hatte einige Wochen zuvor im Tausch gegen afrikanische Antilopen in Peking die Pandabärin "Chi-Chi" erstanden. Es war das erste Mal seit 1939, dass die chinesischen Behörden der Ausfuhr eines Bambusbären zugestimmt hatten, denn die Bären standen unter strengem Naturschutz. Demmer wollte das Pandaweibchen an den New Yorker Zoo verkaufen. Doch wegen eines Handelsembargos der USA für chinesische Waren musste "Chi-Chi" in Europa ihre Reise unterbrechen. Demmer machte aus der Not eine Tugend: Er verlieh seine Bärin an Zoos in Kopenhagen, Frankfurt und Ost-Berlin.
"Chi-Chi" lockt 400.000 Besucher an
Über die Ankunft des fast mythischen Tieres aus dem "Reich der Mitte" hatten die Medien in großer Aufmachung berichtet. Und dementsprechend war das Interesse. In Scharen strömten die Berliner, die in ihrer großen Mehrheit noch nie einen Pandabären gesehen hatten, in Dathes Tierpark, um die in einem Rundkäfig untergebrachte "Chi-Chi" zu sehen. Während ihres gut dreiwöchigen Aufenthaltes wurden mehr als 400.000 Besucher gezählt. Nie wieder erregte ein Tier eine derartige Aufmerksamkeit im Berliner Tierpark.
Der "letzte Wunsch" einer todkranken Berlinerin
Überliefert ist eine anrührende Begebenheit aus dieser Zeit. Eine todkranke Berlinerin wandte sich an den Tierparkdirektor Dathe mit der Bitte, ihr einen "letzten Wunsch" zu erfüllen: Sie möchte "Chi-Chi" sehen. In den Tierpark könne sie selbst aber nicht mehr kommen. Heinrich Dathe ließ daraufhin "Chi-Chi" in einer Kiste vier Treppen hoch in die Wohnung der erst 30-jährigen Frau tragen. "Wir ließen die Pandabärin in ihrem Krankenzimmer frei", erinnerte sich Dathe später. "Über das Gesicht der vom Tode gezeichneten, aber geistig noch regen Frau huschte ein glückliches Lächeln. Und wir legten ihre Hand auf das Fell des Tieres."
Chi-Chi verlässt Berlin
Am 26. August 1958 war das Berliner Gastspiel der Pandabärin "Chi-Chi" beendet. Tierhändler Demmer hatte sie für die damals stolze Summe von 12.000 Pfund an den Londoner Zoo verkaufen können. Für den ostdeutschen Tierparkdirektor Dathe ein astronomischer Betrag, den er nie und nimmer hätte bezahlen können. Die Abreise Chi-Chis aus dem Tierpark Berlin-Friedrichsfelde verfolgten viele Schaulustige und auch das DDR-Fernsehen berichtete ausführlich.
Tod in London
In London fand "Chi-Chi" ihre endgültige Bleibe und war dort ebenfalls eine Attraktion. In den sechziger Jahren wurde die Bärin ein paar Mal in den Moskauer Zoo transportiert in der Hoffnung, dass sie sich mit einem dort lebenden Pandabären paaren würde. Doch "Chi-Chi", die nur noch den Umgang mit Menschen gewöhnt war, wusste mit ihrem Artgenossen nichts anzufangen. Sie starb 1972 in London.