Die letzte Volkskammer "Wir waren ein verdammt gutes Laienspiel"
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15. Juni 2011, 17:07 Uhr
Lothar de Maizière, Reinhard Höppner, Johannes Nitsch und Stanislaw Tillich - sie alle hatten wichtige Positionen in der letzen Volkskammer der DDR inne. In Patricia Kliemes Film "Mandat zur Auflösung" erinnern sie sich an die Arbeit in den letzten 200 Tagen vor der Auflösung des Parlaments. Wichtigster Punkt waren die Verhandlungen über die Deutsche Einheit.
Lothar de Maizière
Lothar de Maizière trat der Ost-CDU bereits 1956 bei, blieb allerdings bis zum Herbst 1989 einfaches Mitglied. Neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt engagierte er sich seit 1985 in der Synode des Bundes der Evangelischen Kirche der DDR.
Im November 1989 wurde er nach dem Rücktritt der gesamten Parteispitze der Ost-CDU zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt, trat als Minister für Kirchenfragen in das Kabinett des neuen Ministerpräsidenten Hans Modrow ein. Seine Partei führte er auf strikten Westkurs und machte die schnelle Einheit zum Wahlziel für die Volkskammerwahl. Nach dem überragenden Sieg der "Allianz für Deutschland" mit der CDU an der Spitze wurde er letzter DDR-Ministerpräsident. Seine zentrale Aufgabe sah er darin, den Beitritt zur Bundesrepublik für die DDR Bürger möglichst würdevoll zu gestalten.
Demokratie ist den Westdeutschen von den Alliierten übergeholfen worden. Wir haben sie uns erarbeitet.
Reinhard Höppner
Reinhard Höppner war seit 1971 Fachgebietsleiter für Mathematikliteratur beim Akademie-Verlag in Berlin. Seit 1980 war er überdies Präses der Synode der Evangelischen Kirche in der Kirchenprovinz Sachsen. Gerade durch diese Tätigkeit hatte er große Erfahrung in der Leitung von nach demokratischen Regeln durchgeführten Sitzungen.
Im Dezember 1989 trat er der neu gebildeten Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP) bei. In der 10. Volkskammer wurde er Stellvertretender Präsident. Wegen seines großen Verhandlungsgeschicks wurde er immer dann eingesetzt, wenn es besonders brenzlig wurde, so auch bei den Beratungen über den Beitritt zur Bundesrepublik am 22./23.8.1990.
Im Grunde genommen wusste jeder, es gibt keine Alternative zu dieser deutschen Einheit. Das ist eine schlechte Verhandlungsbasis.
Johannes Nitsch
Der gelernte Diplomingenieur arbeitete bis 1989 beim VEB Energiebau in Dresden.
Er trat erst 1989 in die Ost-CDU ein. Mithin galt er bei seiner Wahl in die Volkskammer im März 1990 als unbelastet durch die Geschichte der Blockpartei. Sein Fachwissen war in der neuen Fraktion gefragt. So wurde er wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion und stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Schwerpunkt seiner Arbeit war neben der Vorbereitung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion die Energiepolitik. Er betont immer wieder den enormen Zeitdruck, unter dem die Volkskammer arbeitete.
Die Menschen hier, das Volk, die haben uns das Tempo vorgegeben. Wir wurden getrieben und ich finde, Tempo hat auch was Gutes.
Stanislaw Tillich
Stanislaw Tillich, als Sorbe Angehöriger einer Minderheit in der DDR, war seit 1987 Mitglied der Ost-CDU. Der gelernte Diplomingenieur für Konstruktion und Getriebetechnik arbeitete seit 1987 bei der Kreisverwaltung Kamenz.
Nach seiner Wahl in die Volkskammer wurde Tillich Mitglied im Innenausschuss und setzte sich vor allem für ethnische Minderheiten und ehemalige politische Häftlinge, z.B. aus dem Stasigefängnis Bautzen, das in seinem Wahlkreis lag, ein. Bei seiner Wahl zum Abgeordneten ging er noch davon aus, lediglich zwei bis dreimal im Monat in Berlin sein zu müssen.
Es war eine Schule der Demokratie. Auch das Menschliche, der Umgang miteinander in politischen Fragen. Erstens: man war am Ziel orientiert. Zweitens: man misstraute sich nicht von vorneherein. Drittens: es gewannen nicht die Bedenkenträger, sondern die, die was verändern wollten.