Meine Challenge Wie Wissenschaft die Zukunft vorhersagt
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17. Januar 2021, 15:54 Uhr
Nach dem Corona-Jahr 2020 kann das neue nur besser werden, oder? Gerade zu Beginn des neuen Jahres fassen wir gute Vorsätze, schmieden Pläne und fragen uns, was die Zukunft wohl bringen wird. Auch in der Forschung wird versucht, Antworten auf unsere Zukunftsfragen zu finden.
Dass Menschen sich danach sehnen, wenigstens einen kleinen Einblick in diesen unsicheren Raum namens "Zukunft" zu erhaschen, ist nicht neu. Anders lässt sich die Faszination für "Seher" wie beispielsweise Nostradamus im 16. Jahrhundert ebenso wenig erklären wie die große Fan-Gemeinde des Science-Fiction-Genres – egal, ob es sich dabei um Jules Vernes' futuristische Reise-Romane aus dem 19. Jahrhundert handelt, oder um popkulturelle Phänomene der Gegenwart wie etwa die Film-Reihen "Matrix" oder "Zurück in die Zukunft".
Die eine Zukunft gibt es nicht
Der Beginn der modernen Zukunftsforschung wird in den USA der 1920er- und 30er-Jahre verortet. Dort entstand damals die Idee, anhand großer Datenmengen aktuelle Entwicklungen besser beschreiben zu können – und so die Möglichkeit zu gewinnen, Prognosen anzustellen.
In der Zukunftsforschung geht es aber nicht darum, im übertragenen Sinne in eine Glaskugel zu schauen und mit hundertprozentiger Sicherheit zu skizzieren, was uns bevorsteht. Vielmehr entwerfen und analysieren Zukunftsforschende verschiedene Zukunftsbilder und mögliche Szenarien, die sich auf der Grundlage gegenwärtiger Entwicklungsstrukturen erstellen lassen.
Diese Prognosen funktionieren dann aber nicht nur in eine Richtung. Stattdessen sollen sie gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch diskutiert werden, Impulse liefern und können sich so wiederum auf die Gegenwart auswirken, auf deren Grundlage sie entstanden sind. Eine Art Kreislauf also.
Dabei ist die moderne Zukunftsforschung von der sogenannten Trendforschung abzugrenzen: Die Trendforschung fokussiert sich auf einen Prognose-Zeitraum von fünf bis zehn Jahren und einzelne Aspekte der Lebensgestaltung, etwa Mode oder Freizeit. Die Zukunftsforschung hingegen nimmt Zeiträume von zehn bis 25 Jahren ins Visier und versucht, ganzheitliche Modelle über die Welt, die Gesellschaft und Lebensstile aufzustellen.
Wie leben wir im Jahr 2030?
Ein Beispiel dafür, wie konkret solche Perspektiven aussehen können, liefert der Leipziger Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky mit seinem Think Tank 2b AHEAD, der unter anderem Unternehmen, politische Entscheidungsträger und auch Privatpersonen in Sachen Zukunftsgestaltung berät. In seinem Buch "2030 - Wie viel Mensch verträgt die Zukunft?" beschreibt er sehr alltagsnah, wie unser Leben im Jahr 2030 aussehen könnte: mit Essen aus dem 3D-Drucker, das über die Echtzeitdaten unserer Smartphones perfekt an unsere Nährstoff-Bedürfnisse angepasst wird; einer optimierten DNA, die Zivilisationskrankheiten zusehends verschwinden lässt und künstlichen Intelligenzen, die uns das Gefühl geben, mit Menschen sprechen zu können, die längst nicht mehr leben.
Auch die Zukunftsforschung hat ihre Grenzen
Was teilweise wie einem Science-Fiction-Roman entnommen klingt, hat wissenschaftlich durchaus Hand und Fuß, erklärt Jánszky: "Man befragt Menschen, deren heutige Entscheidungen mehr über Zukunft bestimmen als die Entscheidung von anderen Menschen. Technologie-Entwickler, Strategie-Chefs von Unternehmen, Politiker. Und dann gibt es Kausalketten: Wenn heute etwas entschieden wird, dann passiert dadurch das, daraus entwickelt sich jenes und so weiter."
Vor allem im Bereich der Technologie- und Wirtschafts-Entwicklung funktioniere diese Methode besonders gut, aber ebenso bei der Frage, wie neue Erfindungen und Entwicklungen das Verhalten, Leben und Arbeiten von Menschen beeinflussen würden. Doch Zukunftsforschung hat auch ihre Grenzen.
Wo Zukunftsforschung nicht funktioniert, nie funktioniert hat und auch nie funktionieren wird, sind Entwicklungen, die irrational sind oder auf der Psyche vieler Menschen beruhen. Deshalb kann Zukunftsforschung auch nicht vorhersagen, wie die nächste Bundestagswahl ausgehen wird.
Die Szenarien in Jánszkys Büchern basieren also auf Gesprächen mit Experten und Entscheidungsträgern. Deren Prognosen wiederum werden verdichtet und in Feedback-Schleifen erneut abgefragt, sodass sich am Ende wahrscheinliche Szenarien entwerfen lassen. "Delphi-Methode" nennt die Zukunftsforschung dieses Vorgehen, in Anlehnung an das berühmte Orakel der griechischen Antike.
Wie die Zukunftsforschung immer besser wird
Neben solchen Methoden profitiert die moderne Zukunftsforschung immens von technischen Entwicklungen wie Algorithmen und Big Data, sagt Gerhard de Haan. Er leitet das Institut Futur an der Freien Universität Berlin, an dem ein ganzer Studiengang zur Zukunftsforschung angeboten wird: "Da gibt es das sogenannte Agent-Based-Modelling. Das ist der Versuch, mit Big Data zu arbeiten und zu schauen: Was wird kommuniziert? Und worüber wird wie gesprochen? Daraus lassen sich Algorithmen gewinnen, wie Menschen sich verhalten werden."
De Haan illustriert die Ergebnisse dieses Agent-Based Modelling am Beispiel E-Mobilität und dem früheren Plan der Bundesregierung, dass bis 2020 eine Million Elektro-Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen unterwegs sein sollten. Ein Vorhaben, das nicht wahr wurde. "Uns hat damals interessiert, wie die Verhaltensmuster der Menschen aussehen. Die haben wir auf der Basis großer Datenmengen simulierend weiterentwickelt, mit sogenannten Agenten, also virtuellen Personen, die immer weiter miteinander kommunizieren. Und so konnten wir schon vor Jahren sagen, dass das so nichts wird mit der E-Mobilität, auch nicht, indem man größere Budgets in den Bereich steckt." Hier zeigt sich also: Zukunftsforschung kann nicht nur skizzieren, was vor uns liegt, sondern auch Stellschrauben in der Gegenwart aufzeigen, an denen gedreht werden muss, um ein Ziel zu erreichen.
Die Zukunft zum Anfassen
Um diese Stellschrauben und Ziele geht es auch im Futurium in Berlin. Ein Museum, das sich nicht mit Vergangenem beschäftigt, sondern mit Zukünften und der Frage: Wie wollen wir leben? Statt den Besuchenden aber nur vorgefertigte Szenarien zu präsentieren, sollen diese hier selbst aktiv werden und können in wechselnden Ausstellungen viele mögliche Zukünfte entdecken, im Forum gemeinsam diskutieren und im Futurium Lab eigene Ideen ausprobieren.
Wir wägen ab, welche Zukunfts-Optionen möglich sind. Uns ist etwas wichtig, das man Future Literacy nennt: Zukunfts-Gestaltungskompetenz. Indem wir also über Zukünfte nachdenken, wird unser Handeln in der Gegenwart nachvollziehbarer oder kann sich ändern.
Dafür präsentiert das Futurium die drei Themenbereiche Technik, Natur und Mensch. An jeder Station und jedem Exponat werden den Betrachtenden interaktiv Fragen für das Hier und Jetzt mitgegeben. Das erstreckt sich auf große Komplexe wie: Worauf können wir verzichten? Wie wollen wir wohnen und arbeiten? Wollen wir eine optimierte DNA? Aber auch lebenspraktische – und vermeintlich kleinere – Alltagsfragen werden aufgeworfen: Welches Besteck brauchen wir, falls wir uns in einigen Jahrzehnten von Insekten statt konventionellem Fleisch ernähren? Und was werden Archäologen in hundert oder tausend Jahren für Hinterlassenschaften aus der heutigen Zeit finden?
Zukunft beginnt im Jetzt
All diese vielen Fragen, die sich mit Blick auf die Zukunft stellen, können Menschen natürlich auch schnell überfordern, glaubt Engelbrecht – und möglicherweise sogar in eine Verweigerungshaltung führen: "Das ist auch immer eine typische Diskussion hier im Futurium: Wer führt denn jetzt die Veränderungen durch? Müssen wir warten, bis die Politik Entscheidungen trifft? Müssen wir da darauf vertrauen, dass neue Unternehmensgründerinnen eine bessere Form von Wirtschaft für uns etablieren? Oder fangen Veränderungen nicht schon an mit unserem täglichen Verhalten, etwa damit, wie wir uns begrüßen?". Bei aller wissenschaftlichen Ergründung dessen, was kommt, gehe es also immer auch darum, die eigene Gegenwart zu überprüfen – weil aus dieser irgendwann Zukunft werde.
Es geht um die kleinen Pflänzchen, die die Welt besser machen. Gute Ideen für die Zukunft sind schon da, und wir werden ein gesellschaftliches Klima schaffen, in dem diese Entwicklungen möglich sind. Da bin ich wirklich wahnsinnig optimistisch.
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