Sars-CoV-2 Immunflucht bei BA.4 und BA.5: Antikörper wirken 18 bis 21 Mal schlechter
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19. Juli 2022, 12:50 Uhr
Eine neue Vergleichsuntersuchung zeigt: Die Omikronvariante hat ihre Fähigkeit, durch Impfung aufgebauten Antikörpern auszuweichen immer weiter verbessert. BA.4 und BA.5 zeigen bislang die stärkste Immunflucht.
Die Indizien waren deutlich, bislang fehlte es aber an vergleichbaren Daten: Ein Team von US-Medizinern hat jetzt untersucht, wie stark sich die Fähigkeit des Sars-Coronavirus-2 weiterentwickelt hat, durch Impfung oder Genesung aufgebaute Antikörper zu umgehen. Das Ergebnis ist eindeutig: Gegen die aktuellen Omikron-Subtypen BA.4 oder BA.5 schützen Impfung und Genesung bis zu 20 Mal schwächer als gegen den Ursprungstyp des Virus.
Omikron-Immunität: Antikörperwerte von Geimpften und geimpften Genesenen verglichen
Für die renommierte Fachzeitschrift New England Journal of Medicine hat das Team um Dan Barouch vom Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston, USA, eine Testreihe auf neutralisierende Antikörper zusammengefasst. Das sind Antikörper, die das Virus bei einer Infektion sicher unschädlich machen können. Die Menge neutralisierender Antikörper gilt als Vergleichswert dafür, wie gut ein Patient vor einer Ansteckung geschützt ist.
Baroch und Kollegen hatten auf der einen Seite Proben verwendet von 21 Patientinnen und Patienten mit Grundimmunisierung (zwei Dosen mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer), die später noch eine Booster-Impfung erhielten. Bei ihnen waren Personen mit einem nachweisbaren Kontakt zum Virus ausgeschlossen worden. Ihnen stellten die Forschenden die Proben von 21 Patientinnen und Patienten gegenüber, die sich entweder mit Omikron BA.1 oder BA.2 infiziert hatten, im Mittel etwa 29 Tage zuvor. 20 dieser Patienten waren auch geimpft gewesen.
Nach Infektion deutliche mehr Antikörper – Immunität gegen BA.5 trotzdem reduziert
Nun verglichen die Forscher, wie gut die jeweiligen Proben im Reagenzglas Virus neutralisieren konnten. In allen Fällen wirkten die Antikörper am stärksten gegen das Ursprungsvirus aus Wuhan. Schon gegen BA.1 und BA.2 war die Neutralisationstätigkeit deutlich reduziert. Ohne Booster-Impfung lag der Antikörper-Titer sechs Monate nach der Impfung bei einem Sechstel gegen Omikron (Titer gehen Wuhan bei 124, aber nur bei 20 gegen Omikron). Eine Boosterimpfung konnte die absoluten Werte zwar deutlich verbessern. Doch Geboosterte hatten am Ende 21 Mal weniger neutralisierende Antikörper gegen BA.4 und BA.5 als gegen den Wildtyp.
Virusvariante | Titer |
---|---|
Wuhan WA1/2020 | 5.783 |
BA.1 | 900 |
BA-.2 | 829 |
BA.2.12.1 | 410 |
BA.4 und BA.5 | 275 |
Wer eine Infektion durchgemacht hatte, hatte zwar insgesamt deutlich höhere Werte gegen BA.1, BA.2 und die aktuell in den USA dominierende BA.2.12.1. Aber auch hier waren die Werte gegen BA.4 und BA.5 deutlich reduziert.
Virusvariante | Titer |
---|---|
Wuhan WA1/2020 | 11.050 |
BA.1 | 1740 |
BA-.2 | 1910 |
BA.2.12.1 | 1150 |
BA.4 und BA.5 | 590 |
Studie liefert keine Aussagen zur T-Zell-Immunität
Die Daten liefern starke Belege dafür, wie wichtig eine rasche Anpassung der Impfstoffe wäre. Unklar ist aber, ob ein BA.5-Booster-Impfstoff jetzt noch einen Sinn hat, da mit BA.2.75 in Indien gerade die nächste neue Unterlinie aufgetaucht ist, die wahrscheinlich die Immunflucht erneut verbessert hat.
Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass zum einen die Zahl der Probanden sehr gering war und zum anderen die erhobenen Daten sich nur auf neutralisierende Antikörper beziehen. Was die noch wichtigere T-Zell-Immunität angeht, die vor schweren Krankheitsverläufen schützt, so haben viele vorangegangene Studien bisher immer gezeigt, dass dieser Arm des Immunsystems auch gegen neue Mutanten weiterhin hoch wirksam ist.
(ens)