Selbstbestimmt - Die Reportage Raus aus dem Glaskasten: Wie Autisten sich die Welt erobern
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07. Februar 2023, 10:27 Uhr
Umweltaktivistin Greta Thunberg sagt, dass ihre Entschiedenheit und Stärke, für den Umweltschutz einzutreten, mit ihrem Autismus zusammenhinge. Ähnlich sieht das Jason, der sich bei Fridays for Future engagiert und an einem Buch schreibt. Während der Fotograf Kilian Sterff die Welt in Bildern dokumentiert, die er als Autist erlebt, setzt sich Werner Kelnhofer aktiv für Unterstützung ein.
Rund 800.000 Menschen in Deutschland leben mit einer sogenannten "Autismus-Spektrum-Störung". Es handelt sich um eine Entwicklungsstörung, die nicht immer leicht zu erkennen ist.
Doch von dem Klischee, dass sich Autisten nicht in andere einfühlen könnten, hält der Teenager Jason nichts: "Wir können uns in Milliarden Menschen hineinversetzen", kontert er mit Blick auf seine Aktivitäten. Er engagiert sich wie die Schwedin Greta Thunberg für den Klimaschutz und schreibt an einem Buch über den Urknall.
In der Freizeit tourt er mit seinem Vater durch die Fußballstadien Europas: "Am Anfang wollte er mich nicht mitnehmen. Er hat dann argumentiert, dass es mich überfordern würde. Aber letztendlich habe ich mich doch durchgesetzt", erzählt Jason.
"Anders verdrahtet"
Eine Autismus-Spektrum-Störung ist genetisch bedingt, nicht heilbar und hat neurologische Ursachen. Einen Hauptgrund für Schwierigkeiten etwa in der Kommunikation sehen Mediziner in der sogenannten Mentalisierungsschwäche. Das Gehirn ist offenbar anders "verdrahtet". Normalerweise stimmen Gesprächspartner ihre Kommunikation zeitlich fein aufeinander ab und synchronisierten sie. Sogar die Herzfrequenzen können sich anpassen. Zunicken bedeutet Zustimmung. Autisten können diese Signale nicht automatisch lesen.
Strategien entwickeln: Urlaubsreisen an vertrauten Ort
Kilian Sterff hat sich die Welt als Fotograf mit der Kamera erobert. Im sozialen Miteinander hat Kilian allerdings Nachholbedarf. Seine Mutter musste ihm beibringen, wie andere Menschen fühlen. Zum Beispiel durch das Anschauen von Filmen.
Was andere Menschen intuitiv erfassen, musste er sich hart erarbeiten, etwa auf Urlaubsreisen: "Wir sind viele Jahre immer zu zweit nach Irland gefahren. Jedes Jahr für drei Wochen. Wir haben dort gewohnte Orte besucht, gewohnte Leute getroffen, sodass es keine Herausforderung für mich war", berichtet Kilian. Und natürlich hatte er auf Reisen immer seine Kamera dabei.
Leben in einem Zwiespalt und mit Ausgrenzung
So hat sich Kilian aus dem "Glashaus" befreit, wie Werner Kelnhofer nennt. Obwohl er einen überdurchschnittlichen Intelligenzquotienten hat, bereiten ihm scheinbar banale Dinge Probleme. Er weiß um den inneren Zwiespalt, in dem Autisten leben. Und er kämpft dafür, dass Bayern Vorreiter für die Inklusion von Autisten wird und arbeitet an der Autismus-Strategie der Staatsregierung mit.
Im Glashaus zu sein, das heißt, in diesem Zwiespalt, einerseits in sich sein zu wollen, aber dennoch den Dialog nach außen zu suchen.
Sein Ziel ist, mehr Bewusstsein für Autismus zu wecken und Betroffene besser zu unterstützen: "Inklusion heißt Dazugehören, ohne Wenn und Aber. Autisten gehören aber nicht dazu, werden ausgegrenzt, teilweise nicht beschult. Wenige haben einen Arbeitsplatz."
Inklusion bei der IT-Firma "Auction"
Bei "Auticon" ist Inklusion bereits Realität. In der IT-Firma sind 150 Autisten beschäftigt. Auch dank deren besonderer Stärke am Computer ist das Unternehmen weltweit erfolgreich.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Selbstbestimmt - Die Reportage | 27. Februar 2022 | 08:00 Uhr