Mittwoch, 17.05.2023: Unordentlich
Wenn ich durch den Leipziger Auwald laufe, freue ich mich, wie herrlich es grünt und blüht im Frühjahr. Immer wieder anders. Inzwischen duftet es nur noch schwach nach Bärlauch. Dafür sieht man Maiglöckchen und viele andere Frühblüher. Es ist einfach eine wunderbare Lebensfülle. Trotzdem habe ich mich auch schon bei dem Gedanken ertappt, ob man nicht die umgestürzten Eichenstämme, die da einfach so liegenbleiben, noch wunderbar als Kaminholz nutzen könnte. Es steckt einfach so drin: nichts liegenlassen. Dabei ist es doch gerade nötig, dass Dinge liegenbleiben als Lebensraum für Insekten und andere kleine Tiere.
Von Jesus wird erzählt, dass er auf seiner Wanderschaft mit seinen Jüngern auch davon gelebt hat, dass sie Ähren gerauft haben, das heißt, dass sie von dem gegessen haben, was andere auf ihren Feldern nicht konsequent abgeerntet haben. Es bleibt etwas stehen für die Vögel des Himmels und eben auch für Menschen, die gerade unterwegs sind wie Jesus und seine Jünger.
Ich mag diese konsequenten Inkonsequenzen: nicht alles abernten, den Tieren etwas liegenlassen. Es gefällt mir wahrscheinlich auch deshalb, weil ich mein Leben oft anders erlebe. Der Terminplan ist eng getaktet. Es ist alles auf Kante genäht und Reserven werden konsequent ausgenutzt, um nichts zu verschwenden oder zu verlieren.
Ein bisschen Unordnung muss sein, finde ich. Ein wenig konsequente Inkonsequenz und Luft zum Leben für das, was ich nicht im Blick hatte und was trotzdem Leben will. Wo gibt es in meinem Leben solche Feldraine der Zweckfreiheit, solchen Überschuss der Großzügigkeit? Die herrlich wilde Fülle des Lebens soll nicht verkümmern oder austrocknen.