Verkündigungssendung Das Wort zum Tag bei MDR SACHSEN | 10. - 16.03.2025
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Täglich hören Sie das Wort zum Tag. Montags bis freitags gegen 5:45 Uhr und 8:50 Uhr, am Sonnabend gegen 8:50 Uhr, sonntags 7:45 Uhr. Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche Sebastian Mutke, am Sonntag Pater Bernhard Venzke.
Sonnabend, 15.03.2025: Kraftfluss (MK 5, 28)
Ich erlebe die Gegenwart, mit ihren vielen Anforderungen als echt herausfordernd. Vermutlich geht es Ihnen ähnlich.
Grundsätzlich mag ich Herausforderungen. So ne gute Herausforderung, an der ich mein Können und Wissen nach allen Kräften der Kunst unter Beweis stellen darf, die hat schon was. Ich mag es auch mal ins Schwitzen zu kommen. Und manche Herausforderung ist nur mit der Zeit zu knacken.
"Du kannst zwar am Gras dran ziehen, nur schneller wachsen tut es dadurch nicht", höre ich eine vertraute Stimme in mir flüstern. Geduld, die kleine Schwester der Herausforderung, grinst mich dann breit an.
Ich genieße die Momente, wenn die Herausforderung geschafft ist. Dann bin ich gewachsen, häufig sogar über mich selbst hinaus. Ich frage mich allerdings ganz oft, wie es mir gelingen kann handlungsfähig zu bleiben, wenn ganz viele Herausforderungen, gleichzeitig, von allen Seiten auf einmal auf mich einwirken?
Im Markusevangelium wird erzählt, wie Jesus, allen möglichen und manchmal auch unmöglichen Herausforderung begegnet. Jeder will etwas von ihm. Er soll nach vorne und hinten heilsam und vollmächtig wirken. Es gelingt ihm, noch dazu mit einer sehr geerdeten Gelassenheit.
Ich lese die Geschichten von Jesus ein zweites und drittes Mal. Ich möchte wissen, wie ihm das gelingt. Ich stelle fest: Jesus hatte eine ganze Hand voll von Glaubenssätzen, die sein Mindset positiv gestärkt haben, um gut durch den Tag zu kommen:
1. Ich muss nicht überall gleichzeitig sein.
2. Ich muss nicht alles alleine machen.
3. Ich respektiere meine Grenzen.
Seit ein paar Wochen erprobe ich diese Glaubenssätze. Seither fühlt sich mein Leben viel entspannter an und ich bin - ja - irgendwie gelassener. Diese Entspannung hat eine Strahlkraft. Andere Menschen reagieren positiv auf mich.
Und ich habe noch etwas verstanden: Nicht jede Herausforderung die meinen Weg kreuzt ist für mich bestimmt. Manche darf ich auch gelassen los- und anderen überlassen oder wie Jesus sagen würde: "...dann schüttel den Staub von deinen Füßen und gehe weiter."
Freitag, 14.03.2025: Beim Namen gerufen
Es ist nicht mehr dunkel. Aber als hell würde ich den Himmel auch noch nicht bezeichnen. Es ist irgendetwas dazwischen. So eine richtige Morgengraustunde.
Und ich, ich warte auf die S-Bahn, die mich zum Neustadtbahnhof bringt. Die Fahrt dauert nur 5 Minuten. Die Suche nach einem Sitzplatz lohnt nicht. Zwischen den Vorgängen einsteigen, Sitzplatz suchen, hinsetzen und dem Moment da die Tätigkeiten: umsichtig aufstehen, lächelnd zur Tür schreiten und erfolgreich ankommen, verbleiben nur ein paar Atemzüge.
Gestern durfte ich in dieser knapp bemessenen Atem- und Erlebenszeit etwas ganz Wunderbares erfahren. Während ich noch dabei bin meinen Rucksack auf den Oberschenkel zu verfrachten, nebenbei zaghaft Blickkontakt mit den anderen Fahrgästen aufnehme und abchecke, ob die Fahrräder mir gegenüber auch fest vertäut sind, höre ich: Die Fahrkarten bitte.
Ein gelassenheitsdurchtränkter und tiefenentspannter Zugbegleiter geht seinem Tagewerk nach. Ob er es in den verbleibenden 3 Minuten unserer gemeinsamen Zeit noch zu mir schafft, überlege ich? Es gelingt ihm.
Mein Sitznachbar zeigt sein Werkstatt-Ticket und bekommt unerwartet ein ernstgemeintes, mitfühlendes: "Wird es wieder gesund, das Auto?" angeboten. Er antwortet: "Jaja." Ich kann mir ein gedämpftes Lachen nicht verkneifen.
Dann bin ich dran. Ich strecke stolz mein Handy mit dem Deutschlandticket nach oben, erwarte das vertraute Piepsgeräusch oder ein zustimmendes Nicken.
Stattdessen schaut er mich an und sagt: "Sebastian, also." und lächelt. In dem Moment hat er mich. Ich bin gemeint. Nicht mein Ticket. Auch nicht mein Ausweis.
Es sind nur noch 30 verbleibende Sekunden, die ich auf dieser Sympathiewelle surfen darf, bevor der Zug einfährt. Ich sehe den Zugbegleiter an, der meinen Blick erwidert. Gesprächsfäden wollen geknüpft und zu Geschichten verwoben werden (etwa über vergessene, wertvolle Fahrräder in Zügen). Seine Gelassenheit und sein tiefenentspanntes Vertrauen in den Tag springen auf mich über.
Mir geht ein Wort des Propheten Jesaja durch den Kopf: "Fürchte dich nicht, ich habe dich beim Namen gerufen!" (Jes 43,1) Ich ahne, wieviel Kraft aus einer ernstgemeinten Ansprache fließt. Als ich aussteige ist die Morgengraustunde nur unmerklich vorangeschritten, an meinem Himmel allerdings erstrahlt die Sonne.
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