Mittwoch, 11.12.2024: Engel
Ich habe ein Bild eines von mir sehr geschätzten Künstlers ersteigert, bei einer Charity-Aktion für Flüchtlinge aus der Ukraine.
Seitdem hängt in meinem Wohnzimmer eine Lithografie mit zwei barockanmutenden Engelfiguren. Obwohl ich mit den Engeln erst mal gar nicht so viel anfangen kann.
Im Vordergrund, dem Betrachter halb zugewendet steht eine beschädigte Engelfigur. Drahtgeflecht und Stroh schauen aus der abgebrochenen Schulter - offensichtlich eine Gipsfigur. Flügel sind keine mehr zu sehen.
Dahinter schwebt die zweite Engelfigur, sie ist allerdings ganz. Was wollen sie, die Engel, mir sagen? Was hat den Künstler wohl bewegt diese beiden Engel - einer kaputt, der andere intakt - zu skizzieren?
Seit ich das Bild habe, schaue ich genauer hin. Auf meine Umgebung. Und da entdecke ich sie neu. Die Engel auf Gebäuden, an und in Kirchen, auf Friedhöfen. Mal eher kitschig, mal kunstvoll, mal abstrakt.
Die Engel lassen mich nicht los. Sie lassen mich immer weiter fragen und suchen. Nicht nur als Skulpturen oder Bilder. Sondern auch nach Engel-Momenten in meinem Leben. Dort wo ich unerwartet Schutz und Hilfe erfahren habe, wo ich offensichtlich vor Unglück bewahrt worden bin. Vieles habe ich vielleicht gar nicht gemerkt.
Über viele Monate hatte ich Ausschau nach den Engeln auf dem Bild gehalten. Letztes Jahr bin ich mit meinem Studienfreund nach Rom gefahren. Beim Durchblättern des Reiseführers, entdecke ich plötzlich und unerwartet ein Foto des kaputten Engels, inklusive Beschreibung. Es ist eine Gipsfigur, die später ein Negativ für das Gießen die Bronzefigur ermöglichen soll. Offensichtlich beschädigt. Die kaputte Gipsfigur steht in den Vatikanischen Museen, die intakte Bronzefigur im Petersdom.
Eigentlich wollte ich dem Künstler schreiben und ihn fragen, wo der andere Engel zu finden ist. Und warum er beide Engel für sein Werk ausgewählt hat. Die E-Mail habe ich nicht abgeschickt.
Ich dachte, es ist besser, ich halte meine Augen auf und suche weiter nach Engeln in meinem Leben.