Verkündigungssendung Das Wort zum Tag bei MDR SACHSEN | 02. - 08.12.2024
Hauptinhalt
Täglich hören Sie das Wort zum Tag. Montags bis freitags gegen 5:45 Uhr und 8:50 Uhr, am Sonnabend gegen 8:50 Uhr, sonntags 7:45 Uhr. Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche Mira Körlin, am Sonntag Guido Erbrich.
Sonnabend, 07.12.2024: Frau Müller
In diesen Tagen sitzt Frau Müller wieder in ihrem Sessel. Sie hat eine Decke über die Beine geschlagen und sich eine Kerze angezündet. Sie blättert in einer Broschüre. Darin verzeichnet sind alle Advents- und Weihnachtskonzerte in den Kirchen ihrer Stadt. Dabei hört Frau Müller kaum noch etwas. Kein Klingeln an der Tür oder am Telefon. Das Alter. Und sowieso wird keiner mit ihr eine der Kirchen besuchen. Denn Frau Müller ist allein. Doch auf die Broschüre wartet sie jedes Jahr. Fein säuberlich öffnet sie den Schutzumschlag mit dem Küchenmesser, riecht die druckfischen Seiten. Die Finger gleiten über das glatte Papier.
Sie liest: Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach. Am Samstagabend in einer der Stadtkirchen. Sie kennt den Ort von früher gut. Als Konzertbesucherin. Aber auch als Organistin. Ja, sie hat dort die Orgel gespielt. Dort, und auch in anderen Gotteshäusern. Dabei war sie eigentlich Lehrerin.
Sie schließt die Augen. Besucht in Gedanken noch einmal die prächtigen Gebäude. Läuft hinauf zur Orgelempore. Lässt in sich die Klangräume neu erstehen. Samt Pauken, festlichen Trompeten, Geigen, Chor, Solisten.
Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage (...). So beginnt Bachs Weihnachtsoratorium. Lasset das Zagen, verbannet die Klage,
stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an!
Es ist Advent. Weihnachten naht. Frau Müller gibt es wirklich. Ich hab ihr viele Jahre lang die Broschüre geschickt, in denen ich die Konzerte und Kirchenmusiken zusammengestellt hatte. Schriftlich hat sie sich im Dezember bedankt und im Januar für den Druck des Papiers gespendet. Im vergangenen Jahr haben wir sogar einmal telefoniert. Ich hab langsam gesprochen, so konnten wir uns verständigen. Nach dem Telefonat hatte ich Tränen in den Augen. Denn ich hatte etwas verstanden: Wenn sie in der Broschüre blättert und die Töne in ihr zu klingen beginnen, schwingt dabei auch Dankbarkeit mit: Für ein gutes Leben, in dem sich vieles gefügt hat. Für ein warmes Zuhause. Für spannende Bücher und Begegnungen. Und natürlich für die Musik.
Freitag, 06.12.2024: Nikolaus
"Der Weihnachtsmann ist von uns gegangen", berichteten die Zeitungen vor zehn Jahren. Damals war der 86 Jahre alte Santa-Claus-Darsteller John Moore verstorben. In seinem roten Gewand mit weißem Besatz und dem wallenden Bart war er viele Jahre lang die Werbefigur eines großen Cola-Herstellers gewesen. Immer wieder wurde sogar behauptet, dass dieser Betrieb den Weihnachtsmann überhaupt erst erfunden hat.
Das ist natürlich Quatsch, doch unsere moderne Vorstellung eines Weihnachtsmannes mit rot-weißem Gewand hat das Unternehmen durch seine Werbekampagnen entscheidend geprägt.
Als Kind hab ich mich gefragt, was der Weihnachtsmann mit dem Nikolaus zu tun hat. Und ob sie sich kennen könnten. Ich hab sie mir damals beide mit langem Rauschebart, rotem Umhang und Kapuze vorgestellt.
Der Nikolaus jedenfalls ist historisch verbürgt. Er war ein Bischof und lebte vor 1.700 Jahren im Gebiet der heutigen Türkei. Er half den Menschen und daraus entsprangen viele Legenden. Erst im 17. Jahrhundert entstand der Brauch, dass Nikolaus am 6. Dezember in die Wohnungen kommt. Damals mussten die Kinder Gebete und Bibeltexte aufsagen.
Später bekam er Knecht Ruprecht an seine Seite, der die Rute mit sich führte. Damit erhielt Nikolaus eine strafende Funktion, die mit dem historischen Vorbild nichts mehr gemein hatte, aber manch genervten Eltern als kleine "Erziehungshilfe" diente.
Aus dem Nikolaus wurde im Laufe der Zeit in Deutschland der Weihnachtsmann, in Russland „Väterchen Frost“ und in Amerika „Santa Claus“ mit dem roten Mantel. Es handelt sich also eigentlich um einen auf Weihnachten gerutschten Nikolaus.
Egal, ob die Schuhe geputzt sind. Egal ob heute oder zu Weihnachten. Vielleicht bereiten Sie in diesen Tagen jemandem eine kleine Freude.
Donnerstag, 05.12.2024: Minimaler Unterschied
Minimalpaare sind zwei Wörter, die sich nur in einem einzigen Buchstaben unterscheiden. Grundschüler, die gerade die Rechtschreibung erlernen, haben damit manchmal Schwierigkeiten. Denn, man muss genau hinhören. Ein einziger Buchstabe macht einen riesigen Unterschied:
List – Lust
Hose – Rose
Engel – Enkel
Auch im Leben macht manchmal nur ein kleines Detail einen großen Unterschied. Beim Kuchenbacken in die Salz- anstatt die Zuckerdose zu greifen. Im Kaufhaus die hübsche blaue Tischdecke entdeckt. Doch bei Tageslicht zu Hause schimmert sie grün.
Manchmal bleibt offen: Was genau hat denn nun den Unterschied gemacht? Nicht nur bei Tischdecken oder Wandfarben. Auch sonst im Leben: Da sind zwei spannende Jobangebote. Welches passt am besten zu mir? Mancher schaut vielleicht zurück. Fragt sich: Hab ich mich damals richtig entschieden? Für diese Wohnung? Für diese Frau. Für diesen Mann. Was wäre, wenn? Wie würde ein neuer Weg aussehen, eine andere Wirklichkeit?
Vielleicht könnte alles auch ganz anders sein. In der Bibel heißt es: "Fürwahr, ich bin der Herr. Sollte mir irgendetwas unmöglich sein?" (Jer. 32, 27)
Nicht alles müssen wir entscheiden. Manches im Leben kommt unverhofft. Als Geschenk. Vielleicht von oben. Ganz ohne mein Zutun. Entwarnung von der Ärztin. Der Ersatz von der Versicherung. Die Einladung zur Feier.
Hin und wieder erscheinen oder entwickeln sich die Dinge jedoch neu, weil ich selbst etwas anders mache: langsamer oder schneller laufe, den Fernseher aus lasse und stattdessen zum Buch greife oder nach langer Funkstille jemanden anrufe, der mich wichtig ist. Frei nach dem Motto: Hoffen statt zoffen.