Donnerstag, 09.02.2023: Lebenskreislauf Baum
Im letzten Herbst bin ich durch den Oberharz gefahren. Kilometerweite Kahlstellen auf den Höhenzügen des Mittelgebirges, das mir als Kind so vertraut war und immer ein dichter, dunkler und geheimnisvoller Wald war. Landschaftsbilder spiegeln etwas vom Zustand unserer Lebenswelt. Wo es um Bäume und Wald schlecht bestellt ist, finden auch andere Katastrophen ihr Abbild darin: Krieg, Spaltung der Gesellschaft, voranschreitende soziale Ungleichheit.
In katastrophaler Zeit etabliert der biblische Prophet Jesaja ein Hoffnungsbild. Bäume werden wieder wachsen: Denn gleichwie Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende. (Jes. 55)
Bilder aus dem Biologieunterricht stehen mir vor Augen. Wie der Baum um sich herum einen Kreislauf entwickelt: Regen fällt auf die Erde. Die Wurzeln nehmen Wasser auf, leiten sie durch Stamm und Äste, Blätter wachsen und geben Feuchtigkeit wieder an die Luft ab. Und Gleiches geschieht mit dem Austausch von Kohlendioxid und Sauerstoff sowie im Kreislauf von Blattwerk und Humus mit all seinen Nährstoffen. Gar nicht zu reden vom Lebensraum der Tiere am Baum unter- und oberhalb der Erde.
Wenn Gottes Liebe wie der Regen auf die Erde fällt und so den Kreislauf des Lebens wieder in Schwung bringt, dann hoffe ich, dass es auch nicht leer durch uns hindurch geht, sondern Hoffnung weckt und Aktivität fördert, die wertvollen Kreisläufe der Natur wieder neu zu etablieren.
Eines Tages so sagt der Prophet, werden die Bäume jubeln und in die Hände klatschen und Berge und Hügel werden sich freuen. Tragen wir dieses Bild der Hoffnung in uns und forsten auf mit Geduld: Zuerst unsere Wälder und dann auch ein friedvolles Zusammenleben in unserer Gesellschaft und zwischen den Völkern.