Dienstag, 18.06.2024: Klage und Lob
Es wird viel geklagt. Ich rede jetzt nicht von den Pausengesprächen im Betrieb oder den Sprüchen am Gartenzaun. Ich meine die Psalmen, das Gebetbuch der Bibel. Es wird viel geklagt in diesen Gedichten oder Liedern, von einzelnen gesprochen oder auch vom Volk Gottes als Ganzem.
Insgesamt etwa ein Drittel der Psalmen sind Klagetexte. "Mein Auge ist trübe geworden vor Gram, matt meine Seele und mein Leib. Denn mein Leben ist hingeschwunden in Kummer und meine Jahre in Seufzen." (Ps 31,10f.) Emotional und scharf wird auch die erfahrene Bedrängnis benannt.
"Verstummen sollen die Lügenmäuler, die da reden wider den Gerechten frech, stolz und höhnisch." (Ps 31, 19) Jahrtausendealt sind diese Texte, von Menschen, die wir nicht kennen, und doch können sie meiner eigenen Situation Worte und Bilder leihen. Es sind Gebete, die nicht verschweigen, was belastend ist, sondern es laut machen.
Das ist für die Klagenden wichtig, aber die Klage hat auch eine Adresse über den Gartenzaun hinaus. Hört Gott eigentlich mein Gebet? "HERR, wie lange willst du mich so ganz vergessen? Wie lange verbirgst du dein Antlitz vor mir? Wie lange soll ich sorgen in meiner Seele und mich ängsten in meinem Herzen täglich?“ (Psalm 13,2f.)
In dieser Anrede halten die Betenden fest, dass das Leben mehr und tiefer ist als die augenblickliche Situation. Aus der Problemtrance heraus spreche ich zu dem, der mein Leben trägt, auch wenn ich jetzt davon gerade nichts spüre.
Gott ist meine Adresse für Klage und Hoffnung. Und dann gibt es in vielen dieser alten Lieder eine frappierende Wendung. Die Worte der Klage verwandeln sich in das Lob Gottes, weil die Situation sich geklärt und das Blatt sich gewendet hat. Das erhoffe ich auch für mich, wenn ich die alten Lieder im Buch der 150 Psalmen lese. Ich will mich gern mitnehmen lassen auf dem Weg von der Klage zum Lob. Die Psalmen stehen in der Mitte meiner Bibel.