Mittwoch, 19.06.2024: Weben
Kriegst Du’s auf die Kette? - Es knarrt und ächzt, mit Schwung und Schmackes jagt das Schiffchen durch den Tunnel aus vielen Fäden und stößt hörbar an der anderen Seite an. Hände, Füße und gute Konzentration werden gebraucht, um einen Webstuhl zu bedienen.
Die Füße eröffnen mit einem Pedal den Weg des Fadens zwischen den vielen eng aufgespannten Kettfäden hindurch. Die Hände geben dem Schiffchen mit der Spule Schwung. Sie bringen den Faden auch wieder zusammen, wenn er gerissen ist und sorgen für die Abwechselung im Gewebe.
Vorausgesetzt, die Webende ist mit Aufmerksamkeit bei der Sache, sonst gibt es ungewollte Streifen. Weben ist ein körperlich und mental forderndes Handwerk und eine Kunst. Ich schaue mir ein buntes Tuch genauer an und staune über die komplexe Struktur und Schönheit aus senkrechten und waagerechten Fäden. Wie das genau geht, sehe ich nicht auf den ersten Blick. Viel hängt davon ab, wie die Kettfäden eingerichtet sind. Aber die Schussfäden lassen erst das wirkliche Gewebe entstehen. Ich schaue weiter auf das Tuch.
Ist es nicht auch in meinem Leben so? Vieles ist vorgezeichnet, durch meine Geschichte und meine Anlagen. Das habe ich nicht selber eingerichtet. Es ist als wären das die Kettfäden, die warten, dass ich mein Leben hineinwebe. Da gibt es viele Öffnungen, viele Möglichkeiten, auch wenn manches schon vorgezeichnet ist. Aber auch nicht alles.
Wenn der Schussfaden sich nicht mit der Kette verbindet, entsteht Fadengewirr, aber kein Gewebe. Wie als würde ich versuchen, ein anderer als ich selbst zu sein. Paulus schwärmt in der Bibel einmal davon, dass Gott Himmel und Erde gemacht hat. Auch uns Menschen. "Er ist nicht ferne von einem jeden unter uns.", sagt er, "denn in ihm leben, weben und sind wir." (Apg 17,24-28)
Ist es also Gott, der den Lebenden und Webenden die Kettfäden des Lebens einrichtet und nun staunend wartet, was sie daraus weben? Mögen Gottes und ihre Fäden sich wunderbar verbinden.