Mittwoch, 22.01.2025: Die Bahnhofsuhr
Oft kommt es nicht vor, dass ich am Bahnsteig stehe. Bin der Autofahrer, auch wenn Staus, Umleitungen und Parkplatzsuche teilweise stark nerven.
An jenem Tage, von dem ich erzähle, stehe ich allerdings am Gleis 4, um einen Menschen, auf den ich mich freue, abzuholen. Mein Blick fällt auf die große Bahnhofsuhr. Das weiß-runde Ziffernblatt mit den schwarzen Zeigern und Balken für die Stundenzahl zieht mein Blick an. Ich bin pünktlich. Ob es der erwartete Zug auch ist, wird sich rausstellen. Jedenfalls blicke mehrmals zur Uhr hinauf und mache eine Entdeckung.
Der Sekundenzeiger bleibt, bevor eine neue Runde dreht, für zwei, drei Sekunden oben auf der Zwölf stehen. Erst dann setzt er sich wieder in Bewegung. Kann das sein? Hab ich mich verguckt? Nein. Dasselbe Spiel wiederholt sich.
Der Zeiger unterbricht das kontinuierliche Kreisen. Er nimmt sich die Zeit dafür. Die Ursache für seine Pause: Er wartet auf den Impuls des Zeitzeichensenders in Mainflingen bei Frankfurt/Main.
Dieser Langwellensender versorgt die meisten funkgesteuerten Uhren in Europa, eben auch die Atomuhr der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig. Erst nach erfolgtem Anstoß von dort geht’s von Neuem rund. Erst dann ist der Rhythmus in Takt.
Was habe ich aus dieser Beobachtung sowie der Ursachenforschung gelernt?
Um in und im Takt zu bleiben, braucht es eine Unterbrechung. Dieser Sekundenzeiger der Bahnhofsuhr steht kurz still. Er sucht sein Lot, sucht sein Maß, sucht seine Orientierung. Aus der Ruhe heraus wird die nächste Etappe beginnen. Das scheint mir eine Lehre fürs Leben.
Aus dem Leben von Jesus lese ich im Neuen Testament, dass er innehält und sich zurückzieht, wenn´s ihm zu viel wird. Im Boot hinaus, auf den Berg hinauf, in die Einsamkeit der Wüste hinein. Inmitten seines Wirkens gleicht das der bewußten Unterbrechung, die sich an der Bahnhofsuhr zeigt.
Diese Auszeit darf und muss sein. Freilich, es muss und es wird immer weitergehen. Doch ein guter Rhythmus beruht auf Pausen.