Mittwoch, 22.01.2025: Die Bahnhofsuhr

Oft kommt es nicht vor, dass ich am Bahnsteig stehe. Bin der Autofahrer, auch wenn Staus, Umleitungen und Parkplatzsuche teilweise stark nerven.

An jenem Tage, von dem ich erzähle, stehe ich allerdings am Gleis 4, um einen Menschen, auf den ich mich freue, abzuholen. Mein Blick fällt auf die große Bahnhofsuhr. Das weiß-runde Ziffernblatt mit den schwarzen Zeigern und Balken für die Stundenzahl zieht mein Blick an. Ich bin pünktlich. Ob es der erwartete Zug auch ist, wird sich rausstellen. Jedenfalls blicke mehrmals zur Uhr hinauf und mache eine Entdeckung.

Karsten Loderstädt 3 min
Bildrechte: Karsten Loderstädt, privat
3 min

gesprochen von Karsten Loderstädt

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Mi 22.01.2025 05:45Uhr 02:43 min

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Der Sekundenzeiger bleibt, bevor eine neue Runde dreht, für zwei, drei Sekunden oben auf der Zwölf stehen. Erst dann setzt er sich wieder in Bewegung. Kann das sein? Hab ich mich verguckt? Nein. Dasselbe Spiel wiederholt sich.

Der Zeiger unterbricht das kontinuierliche Kreisen. Er nimmt sich die Zeit dafür. Die Ursache für seine Pause: Er wartet auf den Impuls des Zeitzeichensenders in Mainflingen bei Frankfurt/Main.

Dieser Langwellensender versorgt die meisten funkgesteuerten Uhren in Europa, eben auch die Atomuhr der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig. Erst nach erfolgtem Anstoß von dort geht’s von Neuem rund. Erst dann ist der Rhythmus in Takt.

Was habe ich aus dieser Beobachtung sowie der Ursachenforschung gelernt?

Um in und im Takt zu bleiben, braucht es eine Unterbrechung. Dieser Sekundenzeiger der Bahnhofsuhr steht kurz still. Er sucht sein Lot, sucht sein Maß, sucht seine Orientierung. Aus der Ruhe heraus wird die nächste Etappe beginnen. Das scheint mir eine Lehre fürs Leben.

Aus dem Leben von Jesus lese ich im Neuen Testament, dass er innehält und sich zurückzieht, wenn´s ihm zu viel wird. Im Boot hinaus, auf den Berg hinauf, in die Einsamkeit der Wüste hinein. Inmitten seines Wirkens gleicht das der bewußten Unterbrechung, die sich an der Bahnhofsuhr zeigt.

Diese Auszeit darf und muss sein. Freilich, es muss und es wird immer weitergehen. Doch ein guter Rhythmus beruht auf Pausen.

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Pfarrer Karsten Loderstädt

Pfarrer Karsten Loderstädt

geboren im Januar 1963 in Magdeburg | aufgewachsen im Bördeland | Theologiestudium in Naumburg/Saale | nach dem Studium erste Stelle in Frauenstein/Osterzgebirge | dort als Pfarrer der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens ordiniert |später Pfarrer an der St. Annenkirche in Annaberg-Buchholz | seit 2022 gehört er zum Team der Pfarrer im Kirchspiel "Nossener Land"

Karsten Loderstädt sagt: "Immer wieder aufs Neue drängt es mich, zu erzählen, was mich berührt. Damit verbinde ich die Einladung, den Lauf der Dinge kurz zu unterbrechen. Von meiner Hoffnung will ich weitersagen und mit anderen gemeinsam das Geschenk des Lebens stets neu entdecken."

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.