Britt Heydenreich und Christian Siegel
Britt Heydenreich und Christian Siegel in Zwickau Bildrechte: MDR/Andreas Roth

ARD-Feature-Serie "Sicher Unsicher – Leben mit Krisen" Wenn der Glaube an die Demokratie verloren geht

14. Juli 2023, 11:49 Uhr

Ob bei der Haltung zum russischen Krieg gegen die Ukraine, ob beim Klimaschutz oder der Corona-Bekämpfung: Die Meinungen in unserer Gesellschaft scheinen immer unversöhnlicher aufeinanderzuprallen. Und erzeugen neue Verbitterung. Gibt es gar keinen Ausweg aus dieser Spirale? Für die ARD-Featurerreihe "Sicher unsicher. Leben mit Krisen“ hat Andreas Roth zwei Menschen aus dem sächsischen Zwickau begleitet, die politisch auf verschiedenen Seiten stehen – da aber nicht stehen bleiben wollen.

Die Sonne scheint auf dem Zwickauer Markt, alles wirkt friedlich. Dabei ist es noch gar nicht lange her, dass Britt Heydenreich und Christian Siegel hier auf verschiedenen Seiten standen – jetzt treffen sie sich, zum ersten Mal.

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Britt Heydenreich lebt am Stadtrand von Zwickau. Keine halbe Stunde entfernt hat die Mutter dreier Kinder Jahrzehnte lang gearbeitet, im nahen Reichenbach. In der Klinik dort hat sie die Auswirkungen von Corona hautnah erlebt und geholfen, Menschenleben zu retten. Dennoch war sie skeptisch gegenüber dem Impfstoff.

Daraufhin kamen schon etliche Angriffe. Da gab es schon etliche Sätze, die einen ganz schön beschäftigt, auch verletzt haben.

Britt Heydenreich

Kritik an Politik und Medien

Wie Politik und Medien mit Menschen wie ihr in der Pandemie umgingen, habe ihr Demokratie-Verständnis tief erschüttert, erklärt Britt Heydenreich. Ein, zwei Mal ging sie auf die Straße zur Montagsdemo auf dem Zwickauer Markt, Ende 2021 war das.

Es wurde dann im Rathaus das Licht ausgeschaltet, weil gesagt wurde: Von der rechtsradikalen Gesinnung der Demonstranten wollen wir uns gern distanzieren. Alle in einen Kasten, die nicht so parieren, wie wir uns das gerade vorstellen.

Britt Heydenreich

Manchmal sei es schon beängstigend gewesen, sagt hingegen Christian Siegel. Wenn draußen auf dem Zwickauer Markt protestiert wurde, saß er als CDU-Stadtrat oft in Sitzungen. Er findet, es lohne nicht an einer Demonstration teilzunehmen, wenn es dabei nur um laute Parolen gehe.

Demonstranten vor der Tür und drinnen sich um Probleme kümmern: Ja, das ist eine Herausforderung. Man muss natürlich auch gucken, wenn man demonstriert: Wer organisiert das und mit wem läuft man mit.

Christian Siegel

Wut, Trauer und Resignation überwinden

Britt Heydenreich hat zuletzt dafür mitgestritten, dass die Klinik in Reichenbach erhalten bleibt. Seit 1990 schlossen 26 von 103 Kliniken in Sachsen. Meist auf dem Land, wo es sowieso an Ärzten, aber auch an Schulen oder Läden in der Nachbarschaft mangelt. Einmal mehr fühlte sich Britt Heydenreich tief enttäuscht, voller Wut, Trauer und Resignation. Sie sagt, weder Politik noch Kirche hätten ihr über die Zeit geholfen, sondern allein ihr Glaube.

"Zuhören bedeutet: Du bist erstmal akzeptiert"

Auch Christian Siegel glaubt an die Möglichkeit zur Verständigung. Seit 2014 ist er CDU-Stadtrat, noch länger arbeitet er mit im Bündnis für Demokratie und Toleranz.

Konflikte gehören für ihn dazu und der Streit als Grundprinzip der Demokratie, um zu einer Übereinkunft zu kommen. Das versuche er auch seinen Schülerinnen und Schülern am Zwickauer Peter-Breuer-Gymnasium, wo er Kunst und Geschichte unterrichtet, zu vermitteln: "Das Zuhören bedeutet für den Anderen auch: 'Du bist erstmal akzeptiert.'"

Der Glaube ist dabei für Christian Siegel ein innerer Kompass, zu seinen christlichen Werten bekennt er sich auch öffentlich.

Wir sollten bei allen politischen Diskussionen das Menschliche nicht aus den Augen verlieren.

Christian Siegel

Britt Heydenreich und Christian Siegel stehen auf unterschiedlichen Seiten – wollen da aber nicht stehen bleiben. In der ARD-Audio-Doku "Sicher – unsicher: Wenn der Glaube an die Demokratie verloren geht“ kommen sie ins Gespräch. Und es beginnt eine Suche nach Antworten – erst getrennt, am Ende gemeinsam.

Die Feature-Serie ist eine Gemeinschafts-Produktion der ARD-Religionsredaktionen von SWR, WDR, BR, RBB, MDR und NDR.

Sendetermine der ARD-Feature-Reihe "Sicher unsicher – Leben mit Krisen" bei MDR KULTUR und abrufbar ab 30.06.2023 in der ARD-Audiothek 15. Juli: Folge 1 "Wenn der Glaube an die Demokratie verloren geht – was hält uns noch zusammen?" von Andreas Roth

29. Juli: Folge 2 "Bin ich Leo oder Lea? Transgender und sexuelle Identität" von Lukas Meyer-Blankenburg

12. August: Folge 3 "Frieden kriegen, Wunden zeigen. Wenn das Trauma des Kriegs vererbt wird" von Matthias Morgenroth

26. August: Folge 4 "Glauben verlieren, Glauben finden - Sinnsuche in Krisenzeiten" von Michael Hollenbach

09. September: Folge 5 "Komm Kuscheln. Wege zu mehr Kontakt" von Renate Werner

23. September: Folge 6 "Ein Familienbetrieb trotzt der Krise. Durch Zusammenhalt die Zukunft sichern" von Ursula Voßhenrich

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 15. Juli 2023 | 09:05 Uhr