Martina Rudolph-Zeller, die Leiterin der Telefonseelsorge Stuttgart, sitzt mit einem Headset an ihrem Arbeitsplatz vor ihrem Rechner auf dem die Homepage der Telefonseelsorge angezeigt wird. 4 min
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Tagung der sächsischen Landeskirche Resilienz stärken – auch bei Mitarbeitenden der Kirche

10. Januar 2025, 14:30 Uhr

Der Januar ist für viele Kirchenmitarbeitende die Zeit zum Durchatmen, nachdem Advent und Weihnachten einem Marathon an Gottesdiensten glichen. Doch selbst jetzt kommen viele Pfarrerinnen, Gemeindepädagogen und Kantorinnen nicht wirklich zur Ruhe. In Zeiten sinkender Mitgliederzahlen und fehlender Finanzen in den Kirchen müssen sie immer mehr Arbeit übernehmen. Wie können sie mit diesem Stress umgehen – und gesund bleiben? Dafür hat die evangelische Landeskirche in Sachsen jetzt Rat bei Coaches und Psychologinnen gesucht, die sonst Unternehmen beraten.

Eigentlich könnte Albrecht Nollaus Beruf ein Traum sein: Pfarrer in der bunten Dresdner Neustadt – in einer der größten Kirchgemeinden Sachsens mit rund 13.000 Mitgliedern, die noch dazu jung ist, mit vielen Taufen. Doch oft lassen all die Aufgaben dem Superintendenten kaum Luft.

"Wenn mich jemand anspricht, dann habe ich Zeit für denjenigen. Ich merke aber, dass Menschen von außen kommen und sagen: Naja, Sie haben ja bestimmt keine Zeit. Und das macht mir Sorge, dass wir etwas ausstrahlen, was keiner meiner Kolleginnen und Kollegen ausstrahlen will", so Pfarrer Nollau.

Dann stünde nicht weniger als ein Kernauftrag von Kirche auf dem Spiel: Für andere Menschen da zu sein, für ihre Seelsorge. Es ist eine Spirale, die sich abwärts dreht: Die Kirche schrumpft, legt Gemeinden zusammen, kürzt Personal, wird dadurch noch weniger attraktiv. Ulrike Pentzold ist im Vogtland als Bezirkskatechetin für die evangelische Kinder- und Jugendarbeit zuständig und weiß manchmal nicht weiter.

Ich schlafe nicht mehr. Ich wache gegen drei auf, und dann gehen die Gedanken los.

Ulrike Pentzold

Mirriam Prieß berät als Ärztin und Psychotherapeutin in Hamburg Führungskräfte. Sie meint, dass Burn-out nicht entstünde, weil Menschen zu viel arbeiten, sondern weil sie sich in konfliktreichen Beziehungen befänden. Und in der Kirche sei Beziehung natürlich das Hauptthema.

Die evangelische Landeskirche Sachsens hat Mirriam Prieß und andere Coaches aus der Wirtschaft nun erstmals eingeladen, um sich beraten zu lassen. Das Thema: Resilienz, also eine innere Stärke ihren Mitarbeitern zu ermöglichen gegen Überforderung und Stress.

Die Kirche hat eine Struktur zu schaffen, die resilient ist, die gesunde Beziehung ermöglicht, geprägt von Interesse, Offenheit, Mitgefühl. Eine Struktur, die auch eine Hierarchie auf Augenhöhe schafft, die Respekt und Liebe vermittelt. Wofür die Kirche ja auch steht.

Mirriam Prieß

Katholische Seelsorge im Dienst steht auf einem Fahrrad geschrieben
Auch auf die Seelsorge der eigenen Mitarbeitenden muss geachtet werden Bildrechte: IMAGO/Elmar Gubisch

Frust und Überlastung durch Gemeinden-Zusammenlegungen

Die Wirklichkeit sieht mitunter anders aus. Die Zusammenlegung von Gemeinden und Kirchenbezirken sorgt für Mehrarbeit und Frust an der Basis. Das hört Ulrike Pentzold als Bezirkskatechetin im Vogtland oft von Gemeindepädagogen in den Kirchgemeinden.

"Ganz häufig kommt die Antwort, dass sie das Gefühl haben, viel zu wenig mitbestimmen zu können. Sondern dass über sie bestimmt wird, was man eben zu tun hat", so die Gemeindepädagogin.

Aufgaben abgeben und auch mal Nein sagen

Das liegt an einer Tradition der Amtskirchen, die organisiert sind als Hierarchie, wie Behörden. Aber es liegt auch an alten Rollenbildern. Viele kirchliche Mitarbeiter verstehen sich als Einzelkämpfer, hat die Unternehmensberaterin Jutta Heller beobachtet. Sie tun sich schwer, Aufgaben abzugeben an Kollegen oder Ehrenamtliche.

"Dass man sagt: Dann mache ich das doch lieber selber - und damit kann man dann auch schnell in eine Selbstüberforderung kommen. Deswegen braucht es dieses Vertrauen, damit wir zulassen, dass die Dinge gemacht werden, wenn auch nicht immer so, wie man das selber machen würde“, erklärt Jutta Heller.

Dass jeder Mensch von Gott geliebt wird, unabhängig von seiner Leistung – das predigen Pfarrerinnen und Pfarrer fast jeden Sonntag. Aber:

Wir müssen uns die Rechtfertigungslehre erst einmal selber glauben. Dass wir in Ordnung sind, auch wenn wir nicht alles leisten können.

Pfarrer Albrecht Nollau

Und weiter führt Albrecht Nollau aus: "Wir müssen lernen, Dinge zu tun und Dinge auch zu lassen. Jesus sagt: Euer Ja sei ein Ja und Euer Nein sei ein Nein. Also zu Dingen klar Ja sagen und zu Dingen Nein sagen."

Albrecht Nollau, Pfarrer Dresden Neustadt und  Superintendent in Dresden-Nord, hat lange als Pfarrer in Schmiedeberg und in Freiberg gearbeitet.
Albrecht Nollau, Pfarrer in Dresden Neustadt und Superintendent in Dresden-Nord Bildrechte: Anja Schneider

Das hieße aber auch: Abschied zu nehmen von gewohnten Angeboten und Formaten, die vielen in der Kirche lieb geworden sind – zugleich aber Luft zu schaffen für Neues und für gesunde Mitarbeitende.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Religion und Gesellschaft | 12. Januar 2025 | 09:05 Uhr