Vor den Landtagswahlen Was bringen Appelle der Kirchen gegen die AfD?
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15. März 2024, 13:00 Uhr
Sechs ostdeutsche katholische Bischöfe hatten im Januar den Anfang gemacht. Es folgte die Deutsche Bischofskonferenz und schließlich meldete sich die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu Wort mit einem Appell, nicht die AfD zu wählen. Doch die Partei steht bei Umfragen in Sachsen und Thüringen weiterhin hoch im Kurs. Was also bringen die Appelle der Kirchen?
Den Appell der katholischen Bischofskonferenz haben alle 27 Diözesan- und 37 Weihbischöfe einstimmig unterschrieben. Darin wenden sie sich gegen die AfD unter anderem, weil die Partei, die in diesem Jahr die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen gewinnen könnte, zwischen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus changiere.
Der Weltanschauungs-Beauftragte der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens, Harald Lamprecht sieht darin eine klare Positionierung der Kirche:
"Wir haben es hier mit einer Partei zu tun, die gegen das Prinzip der Menschenwürde steht. Das ist unchristlich. Und das muss man als Kirche auch sagen und feststellen können."
Kirchen wollen nicht parteipolitisch sein
Aus Sicht der Kirchen und des Grundgesetzes sind alle Menschen gleich wertvoll. Ihre Würde soll auf jeden Fall geschützt werden. Die AfD wird in Saschen und Thüringen vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft, weil sie gegen dieses Prinzip seit Jahren verstößt. Für den Theologen Lamprecht kommen daher die Appelle zu spät, er hätte sich schon früher eine deutliche Positionierung gewünscht.
Aber er sieht auch gute Gründe für die Zurückhaltung der Kirchen. "Die Grundregel lautet: Kirchen sind in ihrem Handeln nicht unpolitisch, weil sie vom Evangelium her Anwalt für die Schwachen und Unterdrückten sind. Aber Kirchen sind nicht parteipolitisch", so Lamprecht.
Doch mit der AfD sei eine Ausnahmesituation entstanden, sagt Lamprecht. Deswegen gäben die Kirchen zwar auch diesmal keine Wahl-Empfehlung ab. Zur Nicht-Wahl der AfD aber rufen sie ihre Mitglieder auf.
Das war früher auch bei der NPD der Fall. Also die Kirchen haben sich auch gegen die NPD positioniert.
Kirchlich Engagierte neigten zwar generell zu einer eher konservativen Weltsicht, Vorurteile gegenüber Minderheiten seinen unter ihnen aber nicht weiterverbreitet als im Rest der Gesellschaft - eher im Gegenteil. Das meint Detlef Pollack, Religionssoziologe an der Universität Münster.
"Vielen kommt es darauf an, auf der richtigen Seite zu stehen"
Auch Pollack begrüßt die kirchlichen Appelle grundsätzlich. Gleichzeitig wirbt er aber für eine differenzierte Sichtweise im Umgang mit AfD-Anhängern in den Gemeinden: "Meines Erachtens nach sind solche Formulierungen wie 'Wir müssen auftreten gegen Rassismus', 'Wir müssen aufstehen gegen Rechts' immer ein bisschen wohlfeil.
Ich würde es innerhalb der Kirche eigentlich für wichtiger halten, dass man versucht zu verstehen, warum andere möglicherweise die Zuwanderung begrenzt haben wollen. Warum andere ein persönlicheres und gefühlsbetonteres Verhältnis zu Deutschland haben.
Und ich habe manchmal das Gefühl, dass man sich innerhalb der Kirche doch gar nicht so stark bemüht, solche Positionen zu verstehen. Sondern dass es für viele darauf ankommt, auf der richtigen Seite zu stehen", so der Religionssoziologe.
Abrenzung oder Gesprächsbereitschaft?
Die Kirchen stecken in einem Dilemma. Einerseits möchten sie sich klar positionieren und abgrenzen von menschenfeindlichen Positionen in der Politik. Andererseits müssen sie gesprächsbereit bleiben für jeden einzelnen Gläubigen – also auch denen gegenüber, die weiterhin AfD wählen werden im Superwahljahr.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Religion und Gesellschaft | 17. März 2024 | 09:05 Uhr