95 Thesen und eine Spukgeschichte Wie Luther gegen Gespenster kämpfte
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30. Oktober 2024, 10:16 Uhr
Zu Halloween ziehen Kinder wieder als Gespenster verkleidet durch die Gegend und erbetteln Süßigkeiten. Zum Reformationstag, ebenfalls am 31. Oktober, passt das allerdings nicht, meinen Protestanten. Denn Martin Luther wollte die Kirche nüchterner, weniger abergläubisch. Heiligenverehrung und Reliquienkult sollten abgeschafft werden. Und doch spielten Geister für Luther eine wichtige Rolle, in seinen 95 Thesen erzählt der Reformator sogar selbst eine Spukgeschichte.
In Luthers 95 Thesen verbirgt sich auch eine Spukgeschichte. Denn in These 29 schreibt der Wittenberger Theologie-Professor: "Wer weiß denn, ob alle Seelen im Fegefeuer losgekauft werden wollen, wie es beispielsweise beim heiligen Severin und Paschalis nicht der Fall gewesen sein soll."
Mittelalterlicher Spuk in Luthers 95 Thesen
Luther spiele damit auf eine populäre mittelalterliche Spukgeschichte an, sagt Mirko Gutjahr, der Leiter der Luthermuseen in Eisleben. Den Lebenden erscheinen Tote im Fegefeuer. Gutjahr erklärt: "Also ein Geist erscheint und berichtet dem Lebenden, er möge doch bitte für ihn Fürbitte halten, damit er seine Strafe im Fegefeuer kürzer verbüßen kann." In seiner Theologie räumt Luther dann allerdings mit Fegefeuer, Ablass und guten Werken auf.
Luthers paranormale Erlebnisse auf der Wartburg
Was den Reformator nicht davor schützt, selbst von Geistern heimgesucht zu werden, wie Mirko Gutjahr weiter ausführt: "Luther selber hat auf der Wartburg, würden wir sagen, paranormale Erlebnisse: Er hört Poltergeister, sieht einen dämonischen Hund auf seinem Bett liegen und vieles mehr. Für Luther ist dann klar, das kann eigentlich nur der Teufel sein. Das sind also nicht die Seelen der Verstorbenen. Die können nicht aus dem Jenseits wieder zurückkommen, sondern das müssen Teufel, das müssen Dämonen sein. Und daraus entwickelt sich so eine eigene, lutherische Haltung zu den Geistern."
Und die Geister kann man recht einfach bekämpfen: durch Gebete und ein christliches Leben. Luther selbst macht es vor: Als es über seiner Studierstube unerklärlich poltert, erschrickt er nur kurz, dann fällt ihm ein, das müsse der Teufel sein, und er legt sich beruhigt schlafen. Der Leiter der Museen der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt in Eisleben und Mansfeld meint dazu: "Es ist eine typische lutherische Geschichte. Für Luther ist klar, dass ihm der Teufel gar nichts anhaben kann, weil er ja an Christus glaubt. Und so verkündet er das von der Kanzel. Er hofft dann, dass seine lutherischen Mitgläubigen das auch so handhaben. Es funktioniert dann aber nicht auf Dauer. Denn tatsächlich hält sich im Volk doch immer noch diese Idee, dass es so etwas gibt wie Seelengeister, die zurückkommen."
Für Luther ist klar, dass ihm der Teufel gar nichts anhaben kann, weil er ja an Christus glaubt. Und so verkündet er das von der Kanzel.
Im Mansfeldischen erscheint ein Nonnengeist immer wieder einem Edelfräulein, will von ihr einen Schatz, verprügelt sie sogar. Andernorts treiben Poltergeister ihr Unwesen, verrücken Gegenstände, werfen Scheiben ein, erschrecken die Tiere oder es gehen Tote im Haus um: "Das ist natürlich für die Geistlichkeit ganz wichtig und hilfreich, weil sie auf die Weise zeigen können: 'Ja, es gibt offensichtlich den Teufel. Und wenn es den Teufel gibt, gibt es auch den lieben Gott. Also dann haben wir bewiesen, dass das alles stimmt.'"
Geister erfüllen spirituelles Grundbedürfnis
Gespenstererscheinungen und Geisterglaube bleiben so auch unter den evangelischen Gläubigen lebendig. Mit der Aufklärung schwindet der Geisterglaube. Doch tot zu kriegen sei er nicht, glaubt Mirko Gutjahr.
Wenn es Geister gibt, gibt es auch ein Leben nach dem Tod.
Nicht wegen der kindlichen Geister, die heute Abend polternd und Schabernack treibend durch die Straßen ziehen, sondern weil Geister ein spirituelles Grundbedürfnis erfüllten: "Wenn es Geister gibt, muss es auch ein Leben danach geben. Viele sind heute nicht mehr religiös. Trotzdem ist es wahrscheinlich so ein gewisses Grundbedürfnis der Menschen, sich selbst zu vergewissern, dass vielleicht danach doch noch was kommt."
Die Zahl der Geistergläubigen hat sich in Deutschland so wie die Zahl der Gläubigen allerdings deutlich reduziert. Meinte 2015 noch jeder zehnte Deutsche, es gäbe Geister, so waren es 2021 nur noch 6 Prozent.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 31. Oktober 2023 | 09:45 Uhr